Abgas-Debatte:Automobile Kraftmeier

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Daimler, BMW und Co. haben vermeintlich gute Gründe für eine umweltpolitisch verfehlte Modellpolitik. Doch aus der Sackgasse führen nur Autos, die weniger Sprit verbrauchen - oder weniger bewegt werden.

Wolfgang Roth

Die deutsche Autoindustrie hat sich in eine Sackgasse manövriert. Es fährt sich noch recht zügig in dieser Sackgasse, weil der Wendepunkt ein Stück weit entfernt ist. Noch kaufen die Kunden weltweit deutsche Pkw, weil die meisten Modelle die Stärke so vieler Pferde haben.

Aber das Ende ist absehbar, kurzfristig wegen des immer dringlicheren Klimaschutzes, langfristig auch wegen des knapper werdenden Erdöls. Das Auto der Zukunft hat als Massenprodukt nur dann eine Chance, wenn es erheblich weniger Sprit verbraucht. Hersteller, die sich darauf einstellen, die ihre Fahrt jetzt schon reduzieren, müssen am Wendepunkt keine Vollbremsung einlegen.

Die deutschen Autobauer führen im Verbund mit den amerikanischen Konzernen zähe Rückzugsgefechte. Aber das, was Japan, China und Kalifornien jetzt schon praktizieren oder beschlossen haben, wird Nachahmer finden: verbindliche Verbrauchsnormen für die Fahrzeuge, entweder in Form von Durchschnittswerten für die Modellpalette oder gestaffelt nach dem Gewicht.

Der Wortbruch ist klar

Ob sich der entsprechende Vorschlag des EU-Umweltkommissars Stavros Dimas bald durchsetzen kann, ist zwar äußerst fraglich, vor allem wegen des Widerstands aus Deutschland. Es ist aber nur eine Frage der Zeit. Die Brüsseler Kommission steht unter Druck, weil sie auf dem besten Weg ist, deutlich ihre Klimaschutz-Ziele zu verfehlen. Daran hat der Straßenverkehr erheblichen Anteil.

Auch ist klar, dass die europäische Autoindustrie ihr Wort brechen wird, den Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2008 im Durchschnitt auf 140 Gramm pro Kilometer zu senken. Das Versprechen hat so viel Wert wie diverse "freiwillige Selbstverpflichtungen" von Wirtschaftsbranchen in der Vergangenheit. In der Regel werden sie eingehalten, wenn die Zielvorgabe ohnehin schon Unternehmensstrategie war.

Ansonsten haben sie den Zweck, Ordnungsrecht abzuwehren und Zeit zu gewinnen. Weil unmittelbar keine Sanktionen drohen, sind erst einmal diejenigen die Dummen, die sich an die Selbstverpflichtung halten. Die anderen nutzen den Wettbewerbsvorteil.

Bloß nicht dem Image schaden

Daimler, BMW und Co. haben vermeintlich gute Gründe für eine umweltpolitisch verfehlte Modellpolitik: Die Käufer deutscher Autos wollen es nicht anders, und der Kunde ist nun einmal der König. Also würden strenge Verbrauchsnormen Zehntausende Arbeitsplätze kosten, das befürchtet nicht nur Bundeswirtschaftsminister Michael Glos. Dies ist allerdings auch eine Folge des Angebots und der politischen Rahmenbedingungen.

Wer sparsame Autos sucht, wird mit der deutschen Pkw-Flotte spärlich bedient. Auch mit der Pannenstatistik lässt sich hierzulande nicht werben, da liegen in der Regel Japaner vorne. Auffällig ist, dass die Hersteller kaum Reklame mit Leichtlaufreifen oder Leichtlaufölen machen, weil das dem sportlichen Image abträglich wäre.

In der Anpreisung dominiert das "Von-Null-auf-Hundert-in-soundsoviel-Sekunden", und es gilt als Sünde wider den Kodex deutscher Automobilität, offensiv mit sparsamen und langlebigen Motoren zu werben. Dies sind aber genau die Fahrzeuge, die weltweit gefragt sind, wenn der Markt der Industriestaaten gesättigt ist. Sie garantieren dann auch die Arbeitsplätze der Zukunft.

Die Kraftmeierei gedeiht besonders gut in einem gesellschaftlichen Umfeld, in dem die (partiell) freie Fahrt auf Autobahnen als letzte Bastion gegen den Sozialismus verstanden wird. Diese Besonderheit hat viele Gründe. Ein Motiv liegt darin, den Absatz starker Motoren zu fördern: Wer braucht schon einen gewaltigen Hubraum, wenn es nicht ab und zu die Möglichkeit gäbe, ihn auszunützen?

Aufschrei gegen sinnvolle Pläne

Entsprechend laut war der Aufschrei, als zur Zeit der rot-grünen Koalition Schubladenpapiere enthüllt wurden, in denen eine vom Kohlendioxid-Ausstoß abhängige Kfz-Steuer angeregt wurde. Die wäre aber durchaus sinnvoll, denn sie beeinflusst unter Umständen die Entscheidung beim Autokauf; das Treibhausgas Kohlendioxid ist derzeit in keiner Euro-Norm berücksichtigt, eine solche Steuer würde dann aber deutlich machen, dass es sich um einen Schadstoff handelt, der seinen Preis hat.

Am einfachsten wäre es natürlich, man könnte immer gleich viel in den Tank schütten, täte aber dennoch etwas gegen den Klimawandel. Deshalb ist für Autofahrer wie Autobauer der Bio-Sprit so attraktiv. In der Tat sind Pflanzen aller Art eine klimafreundliche Alternative - als Treibstoff ebenso wie zur Erzeugung von Strom und Wärme. Umweltfreundlich ist das aber nur bis zu einem bestimmten Grad der Nutzung.

Deutschland hat bei weitem nicht den Raum, um den Treibstoffbedarf mit Rapsfeldern zu decken; außerdem besteht die Gefahr von Monokulturen mit großem Energieaufwand für Dünge- und Pflanzenschutzmittel. In Südostasien boomen Palmölplantagen - mit teilweise verheerenden Folgen, weil dafür ursprünglicher Wald gerodet wird, der mehr Kohlendioxid speichert, als mit der Ölproduktion eingespart werden kann.

Es ist leider so: Aus der Sackgasse führen nur Autos, die weniger Sprit verbrauchen oder weniger bewegt werden.

© SZ vom 30.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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