5,2 Millionen ohne Job:Das Gesicht der Arbeitslosigkeit

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Monat für Monat schockt die Bundesagentur für Arbeit mit neuen Horror-Meldungen vom Arbeitsmarkt. Vor allem junge Leute ohne Ausbildung und ältere Menschen stehen auf der Straße.

Von Jonas Viering

Die Riesenmenge von 5,2 Millionen Jobsuchenden erschreckt, doch die große Zahl allein sagt noch wenig aus. Die Arbeitslosigkeit hat erstens viele Gesichter, denn sie setzt sich aus unterschiedlichen Gruppen zusammen.

Die wahre Arbeitslosigkeit beträgt letztlich sogar sechs oder sieben statt fünf Millionen. (Foto: Foto: ddp)

Zweitens hat der aktuelle Anstieg nicht nur mit der Wirtschaftskrise zu tun, sondern auch mit den nicht beeinflussbaren jahreszeitlichen Einflüssen. Und drittens macht es einen großen Unterschied, welche Menschen überhaupt statistisch erfasst werden.

Vor allem Menschen ohne Ausbildung finden keinen Job. 37 Prozent der Arbeitslosen haben keine Lehre und kein Studium gemacht, so die Bundesagentur für Arbeit (BA) - das ist merklich mehr als ihr Anteil an der erwerbsfähigen Bevölkerung.

Besonders ausgeprägt ist dieses Phänomen in Westdeutschland, wo 45 Prozent der Arbeitslosen keine Ausbildung haben. Unter Akademikern nimmt die Arbeitslosigkeit zwar tendenziell zu, sie ist aber unterdurchschnittlich.

Fast ein Viertel der Jobsuchenden ist 50 Jahre und älter. Das ist bedrückend, und ihre Zahl hat im Vorjahresvergleich auch etwas stärker zugenommen als die der Arbeitslosen insgesamt.

Aber: Der Anteil der Älteren an den Arbeitslosen liegt leicht unter ihrem Anteil an der Bevölkerung zwischen 15 und 65 Jahren. Dramatischer ist die Situation bei den Jugendlichen. 13 Prozent der Jobsuchenden ist jünger als 25 Jahre.

Das ist zwar etwas weniger, als es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht; aber bei ihnen war in diesem Februar der Anstieg besonders heftig - mehr als ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr. Und: Wer als junger Mensch nicht in Arbeit kommt, bei dem besteht die Gefahr, dass dies auch künftige Chancen mindert.

In den neuen Bundesländern ist die Arbeitslosenquote, gemessen an allen Erwerbspersonen, mit 20,7 Prozent fast doppelt so hoch wie im Westen mit 10,4 Prozent. Die höchste Quote hat Mecklenburg-Vorpommern mit 24 Prozent, die niedrigste Baden-Württemberg mit sieben.

Der stärkste Anstieg im Vorjahresvergleich war zwar in Bremen und im Saarland zu verzeichnen, zwischen Stralsund und Chemnitz nahm die Arbeitslosigkeit nicht einmal halb so stark zu wie im Westen. Aber dies liegt, so die Experten der BA, schlicht an der anhaltenden Abwanderung von Arbeitskräften aus den östlichen Bundesländern.

Außergewöhnlich kalt und schneereich

Erschreckend ist die Menge der Menschen, die schon ein Jahr und mehr vergeblich auf eine Stelle hoffen: 35 Prozent machen sie aus. Hier steht Deutschland auch im internationalen Vergleich nicht gut da. Immerhin: Die Zahl der Langzeitarbeitslosen stieg gegenüber Februar 2004 mit 9,9 Prozent etwas weniger stark als die Arbeitslosigkeit insgesamt (plus 12,4 Prozent).

Für den heftigen Anstieg im Februar ist zu einem kleinen Teil der Winter verantwortlich: Vom Wetter abhängige Tätigkeiten zum Beispiel von Bauarbeitern werden eingeschränkt. Rechnet man die langjährigen saisonalen Erfahrungswerte ein, verringerte sich das Plus an Arbeitslosen gegenüber dem Januar aber nur um 160.00 auf 161.000. Weil der Februar jedoch außergewöhnlich kalt und schneereich war, ist nach Auffassung der BA der Anstieg noch um einige Zehntausend überzeichnet.

Man kann, Wunder der Statistik, auch alles ganz anders rechnen. So sähe der Anstieg der Arbeitslosigkeit viel geringer aus, würden nicht auch die erwerbsfähigen bisherigen Sozialhilfeempfänger einbezogen. Seit Anfang des Jahres sieht das Gesetz dies aber so vor. Wegen dieser neuen Ehrlichkeit schnellte im Januar die Zahl der Arbeitslosen erstmals über fünf Millionen.

Hartz-IV-Fälle fehlen in der Statistik

Im Februar kam es nun erneut zu einem Anstieg um 86.000 Personen, die zuvor Sozialhilfe bezogen hatten. Auch von den 40.000 Arbeitslosmeldungen von Menschen, die zuvor nicht erwerbstätig waren, dürften viele mit der Hartz-IV-Reform zusammenhängen.

Denn nun melden sich notgedrungen auch Angehörige von Beziehern des niedrigeren neuen Arbeitslosengeldes II zur Jobsuche. Auf der anderen Seite fehlen noch geschätzte 76.000 Hartz-IV-Fälle in der Statistik, weil laut BA die Kommunen die Daten nicht geliefert haben.

Einige arbeitsmarktpolitische Mittel entlasten die Statistik. Sie sind teilweise sinnvoll - schönen aber zugleich die Zahlen. Weil es heute 322.000 Minijobber mehr gibt als vor einem Jahr, ist trotz gestiegener Arbeitslosigkeit auch die Zahl der Erwerbstätigen gestiegen.

Die viel wichtigere reguläre Beschäftigung aber ist weiter zurückgegangen. Auch die neuen Mini-Existenzgründer fallen dank Förderung durch die BA aus der Statistik heraus - wie nachhaltig der Erfolg der derzeit 220.000 Ich-AG's sein wird, weiß noch niemand.

Entlastet ist die Statistik schließlich durch Zehntausende neuer Ein-Euro-Jobber. All diese Menschen werden nicht in der Arbeitslosenzahl erfasst. Andere melden sich gar nicht erst - auch wegen der strengen Bedürftigkeitsprüfung beim Arbeitslosengeld II. Deshalb beträgt die wahre Arbeitslosigkeit im Land letztlich sogar sechs oder sieben statt fünf Millionen.

© SZ vom 2.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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