Beacons:Kleine Sender, große Pläne

Lesezeit: 4 min

Funkmodule sollen Kunden durch Malls lotsen und sie mit Sonderangeboten locken. Der stationäre Handel, bedrängt vom Wettbewerb aus dem Internet, erhofft sich dadurch neuen Schwung.

Von Elena Adam

Es sind nur kleine Dingelchen, kaum größer als eine Streichholzschachtel. Und sie können auch nicht viel, außer ein paar Zahlen durch die Gegend zu senden. Doch Beacons, so heißen die Minisender, gelten im Marketing dennoch als der nächste große Trend. Leuchtfeuer bedeutet das englische Wort - und die gleichnamige Funktechnologie soll sich wie ein Lauffeuer verbreiten. Hoffen zumindest Experten für datengetriebenes Marketing.

Einzelhändler wollen mit der neuen Technologie die Smartphone-Generation erobern. Die kleinen Bluetooth-Sender, die in Geschäften oder Shoppingcentern an Regalen, Produkten oder Türen angebracht werden, können mit Handys kommunizieren. Das klingt erst einmal nicht neu. Ist es aber, denn die Smartphones wissen mit dem Beacon-Funkchip auch in geschlossenen Räumen genau, wo sie sind. Wer sein Handy also im Geschäft dabei hat, kann so Sonderangebote oder andere Werbebotschaften per Bluetooth direkt auf das Display geschickt bekommen. Allzu bekannt ist das bei den Kunden aber noch nicht - nur warum?

In Zeiten, in denen das Auto SMS vorliest und die Heizung darüber Bescheid weiß, wann ihr Besitzer wieder nach Hause kommt, können Meldungen über noch bessere und schnellere technische Innovationen schon mal untergehen. So erging es auch den Beacons. Wie viele von ihnen tatsächlich in Deutschland im Einsatz sind, ist nicht bekannt. Das Medienhaus Ströer wird dieses Jahr die erste flächendeckende nationale Beacon-Kampagne mit 50 000 Standorten in Deutschland auf den Markt bringen. In einigen Mc Donald's-Filialen ist die Technologie bereits im Einsatz. Um Nachrichten vom Burgerrestaurant zu erhalten, müssen Kunden einen QR-Code mit ihrem Smartphone scannen und bekommen anschließend eine digitale Coupon-Karte zugesandt. Die müssen sie dann der McDonald's-App hinzufügen. Beim nächsten Besuch einer Filiale der Imbisskette kommuniziert der Beacon automatisch mit dem Smartphone und schickt Nachrichten mit Angeboten. Dann gibt es zum Beispiel Rabatt auf einen Burger. Oder einen gratis. Aber nur für denjenigen, der seinem Handy auch erlaubt, mit Beacons zu kommunizieren. Wer da nicht mitmachen will, oder ohne Smartphone Burger essen geht, bezahlt den Normalpreis.

Heute verlässt kaum mehr jemand das Haus ohne sein Handy

Tatsächlich verlässt heute aber beinahe niemand mehr ohne Smartphone das Haus. Das Telefon ist immer griffbereit und wird in allen nur denkbaren Lebenssituationen um Rat gefragt. Die Einen sorgen sich über diese Entwicklung. Die Anderen machen sich eben diese Entwicklung zu Nutze. Wie lockt man also eine Generation von Kunden, die über die Frische eines Brokkoli lieber auf dem Handydisplay lesen will - statt das Gemüse einfach mal in die Hand zu nehmen und daran zu riechen? Mit Beacons. Mit zielgenauer Ansprache über das Smartphone. Geht der Kunde durch die Gemüseabteilung und bleibt vor dem Brokkoli stehen, könnte er dank Beacon-Technologie also folgendes auf seinem Telefon lesen: Tagesangebot! Brokkoli aus Hochlandanbau in Ecuador. Dazu passen Weißwein und Fisch.

1 / 4
(Foto: oh)

Beacons gibt es in vielen Formen und Farben.

2 / 4
(Foto: oh)

Die kleinen Geräte, die von Batterien betrieben werden,...

3 / 4
(Foto: oh)

...senden in regelmäßigen Abständen eine Zahlenkombination aus,...

4 / 4
(Foto: oh)

...die von dazugehörigen Apps auf Smartphones erkannt und zugeordnet wird.

Nun könnte man diese Information auch einfach auf ein Schild schreiben. Aber es ist nicht leicht in diesen Zeiten für Einzelhändler. Die Internetgeneration muss bei Laune gehalten werden und die Online-Konkurrenz wächst. Was liegt da näher, als der Gedanke, das Internet direkt ins Geschäft zu holen? Die App lotst den Kunden also per Indoor-Navigation in Richtung Fisch und Weißwein und spuckt ihm dann auch noch ein Kochrezept aus.

Die Sache hat nur einen Haken: Am Anfang steht die Neugierde. Ohne die geht es nicht. "Der Erfolg interaktiver Anwendungen basiert nur zu Hälfte auf ihrer Technologie. Mindestens genau so wichtig ist es, dass die Nutzer überhaupt Lust haben, sie zu bedienen", sagt Daniel Michelis, Professor mit Schwerpunkt Digitaler Kommunikation an der Hochschule Anhalt. Einzelhändler, die ihren Umsatz mit Beacons steigern wollen, müssen sich also zuallererst einmal folgende Frage stellen: Welche konkreten Faktoren motivieren Menschen dazu, diese Anwendung zu nutzen? Niemand lädt sich freiwillig die hundertste App herunter, schaltet sein Telefon auf Bluetooth-Empfang und hinterlässt via App eine riesige persönliche Datenmenge, ohne einen konkreten Nutzen davon zu haben.

Einzelhändler und Shoppingzentren wollen ihre Kunden daher mit einem persönlichen Mehrwert locken: der Navigation. Wer sich beispielsweise die App einer Shoppingmall herunter geladen hat, kann sich so von seinem Telefon zu bestimmten Geschäften lotsen oder zurück zum Auto in der Parkgarage führen lassen. Das ist praktisch, öffnet aber auch Push-Nachrichten Tür und Tor. Denn um die Navigation nutzen zu können, muss der Kunde dem Empfangen von standortbasierten Nachrichten zugestimmt haben.

Das ist der Punkt, an dem der Fantasie der Händler keine Grenzen gesetzt ist. Sogar Entwickler der Beacon-Technologie fürchten, dass einige Händler ihre Kunden zumüllen und so vergraulen könnten. "Der Kanal kann sehr schnell vom Nutzer abgeschaltet werden, wenn Push-Nachrichten überhandnehmen. Das haben wir auch an eigenen Zahlen gesehen", sagt Fried Große-Dunker vom Berliner Food Start-up home-eat-home.

Sein Unternehmen setzte Beacons zur Neukundenakquise ein und musste feststellen, dass nur etwa fünf Prozent aller Besucher tatsächlich auf die Werbebotschaft klickten. Ein anderer Punkt ist der Datenschutz. Die Beacons an sich gelten datenschutzrechtlich als harmlos, da sie in der Regel keine personenbezogenen Daten empfangen oder verarbeiten. Die datenschutzrechtliche Verantwortung liegt deshalb grundsätzlich bei den Anbietern der Apps, die Informationen von Beacons empfangen und verarbeiten. Der Anbieter der App muss also seine Nutzer ausreichend informieren und ihre Einwilligung einholen. In der Form, in der Beacons heute in Deutschland genutzt werden, sollte das kein Problem sein. Denn bislang sollen sie nur Werbebotschafter sein. Nicht etwa Datensammler.

Die Möglichkeiten der Technologie verleiten aber zu Gedankenszenarien, die den Konkurrenzkampf im Einzelhandel nur noch weiter anheizen. Beacons in Verbindung mit Analytics-Software ermöglichten beispielsweise die Bestimmung von Position, Verweildauer und Bewegung eines Kunden. Anhand seines Kaufverhaltens und Daten zu seinen vorherigen Einkäufen in dem Geschäft steht auch eine weitere wichtige Information zur Verfügung: wie viel Geld er auszugeben bereit ist. Darauf basierend könnten individuelle Rabatte eingeräumt oder die Ware für den Käufer attraktiver positioniert werden. Echtzeitdaten könnten Händler dafür nutzen, innerhalb von Sekunden die Preise zu ändern. Zum Beispiel, wenn eine Kundin zum wiederholten Mal an einem Paar Schuhe vorbeiläuft. Von all diesen Dingen, die im Hintergrund ablaufen, bekommt der Kunde nichts mit. Dennoch hat er sich mit der Zustimmung zur App mehr oder weniger bewusst für solches Geschäftsgebaren entschieden.

Was bei all der Digitalisierung häufig vergessen wird, ist der persönliche Kontakt. Ein Friseurgeschäft, das am Donnerstagvormittag gerade nicht gut besucht ist und den Passanten auf der Straße deshalb Push-Nachrichten auf ihre Smartphones schickt, wäre vielleicht besser mit einem Aktionstag für Seniorinnen beraten, als mit Beacons. Und ein guter Verkäufer erklärt seinem Kunden, welcher Wein zum Brokkoli passt, weil er Kommunikation beherrscht und Kundenbindung verstanden hat. Dafür muss nicht in digitale Technik investiert werden. Sondern in Personal.

© SZ vom 10.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: