World Wide Web:Ins Auge trommeln

Lesezeit: 3 Min.

Ein Foto von Oma, ein Spruch mit der Impact-Schrift drauf ("Werden E-Mails auch am Sonntag ausgeliefert?") - und fertig ist das mehr oder weniger lustige Bild. (Foto: Getty)

Vor fünfzig Jahren wurde die Schrift Impact erfunden. Heute gehört sie fest zum Unterhaltungsprogramm des Internets - die vielen Witzbilder sind ohne sie undenkbar.

Von Max Scharnigg

Das World Wide Web ist ja eigentlich wie eine Stadt, an der ständig gebaut wird. Ohne dass es so recht jemand eingefordert hätte, updaten und relaunchen sich die Plattformen und Seiten, es wird laufend verschönert oder optimiert. Umso eindrücklicher wirken in dieser ewigen Poliermaschine Elemente, die immer gleich hässlich bleiben und so grob über den Bildschirm flattern wie Foto-Memes, auch Image Macros genannt. Die Suche wirft eine ziemlich eindeutige Definition für dieses Medium der Netz-Subkultur aus: virale Flugblättchen mit einem kurzen Spruch, gesetzt aus der Impact-Schrift. Ihr Witz ist meist irgendwo zwischen geschmacklos und niedlich angesiedelt, gemacht zum schnellen Posten und Liken. Mit Wort-Bild-Kombinationen gegen die unendliche Langeweile, die im Netz herrscht, schrottig, schnell und auch so ziemlich genau das, was man schwerlich dem Großväterchen von nebenan erklären könnte. Ein Bild des Schauspielers Jake Gyllenhal mit nacktem Oberkörper beispielsweise, beschriftet mit: "Hey Girl, get back to work!" Oder eine traurige Katze, betextet mit: "What am I doing with my lives?" Hihi und hopp. Oft auch nur hopp.

Das erste Lol-Bild bastelte ein hawaiianischer Blogger 2007 zur Aufheiterung seines Feierabends

Diese Image Macros sind Humor für eine Sekunde im Bus, global verständlich, zumindest für Menschen, die noch in Grundzügen an der Popkultur teilnehmen. Anders als Memes, die aus Photoshop-Basteleien oder animierten Gifs bestehen, Mitmach-Witzeleien bei Twitter oder verhohnepipelten Promi-Zitaten, sind diese trashigen Lol-Bilder simpel nachbaubar. So kann jeder sofort sein eigenes kreatives Quentchen dazugeben und hoffen, dass eine kleine Daumenhoch-Lawine daraus wird. Sie kursieren deswegen immer noch, obwohl sie eigentlich viel zu hässlich für das Web zum Ende des Jahres 2015 sind.

Zum Erfolg der Lol-Bilder trägt die immer gleiche Form bei: eine unausgesprochene Norm, die ihren Anfang mit dem Ur-Catlol-Bild nahm, das der hawaiianische Blogger Eric Nakagawa 2007 zur Aufheiterung seines Feierabends bastelte. Er benutzte damals die Schrift Impact, um der dicken Katze auf einem Foto den Satz "I Can Has Cheezburger?" zuzuschreiben. Damit begründete er gleich mehrere absurd hartnäckige Stilregeln für Internethumor. Zum einen sind Katzen eine Hauptzutat geblieben, weit vor allen anderen Weichtieren und in einem Ausmaß, dass der Begriff Catcontent für alles steht, was am Netz der menschlichen Schwäche zuzuschreiben ist. Dann macht dadaistisch verbogene Kindersprache, wie sie Nakagawa wählte, bis heute oft einen Teil des Witzes auf den Bildern aus. Und dann eben Impact.

Diese Schrift lässt millionenfach die Mundwinkel nach oben gehen und lockert das Web auf

Dass ausgerechnet diese Schriftart Bestandteil von Abertausenden Nachahmerbildchen geworden ist, verwundert den Typografen nicht. Denn die Schrift ist eigentlich genau für diesen Zweck gemacht worden. Vom Web aus betrachtet wurde Impact zwar in der Steinzeit erfunden, aber schon damals, im Jahr 1965, beurteilte man die serifenlosen, dicken Lettern als besonders knallig, und so kam sie auch zu ihrem Namen, der auf Deutsch "Eindruck" heißt. Konzipiert wurde die Impact von ihrem Erfinder Geoffrey Lee für Überschriften und Bekanntmachungen. Ein längerer Text in Impact wäre fast nicht zu lesen, zu dick und eng tragen die Buchstaben dabei auf. Die Schrift macht nicht geschmeidig Strecke, sondern stampft bei jedem Anschlag fast aus ihrem Hintergrund hervor. Während heute unzählige Bildgeneratoren die alte Impact als Standardschrift für sekundenschnell erstellte Lol-Bilder verwenden, musste Lee jedes Zeichen noch einzeln aus Metall schneiden. Nachdem er die Schrift später an den Typo-Verlag Stephenson Blake verkauft hatte, warb dieser in seinem Katalog in einer verblüffend ähnlichen Art für Impact, wie es die digitalen Spaßmacher heute tun: ein Foto und quer darüber der sich selbst bewerbende Schriftzug "The Impact of Impact". Ihren Weg in die Computer fand die Schrift, als sie ins Standardpaket von Windows 98 aufgenommen wurde.

Die Impact trommelt ins Auge, das gilt bis heute. Für den schnellen Webkonsum ist sie deshalb ideal, ihre Botschaften lassen sich sogar beim Scrollen oder Wischen noch annähernd gut erkennen. Und nicht nur das - sie ist heute selbsterfüllende Prophezeiung und Marke geworden. Ein Witzbild im Netz ist nur echt mit Impact. Die Schrift lässt weltweit millionenfach die Mundwinkel nach oben gehen und lockert die digitale Gemeinde auf. Keine schlechte Leistung für eine sehr analoge Erfindung.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: