Schlechtwettermode:Wahrscheinlich Regen

Lesezeit: 3 min

Seit jeder den Wetterbericht in der Tasche trägt, schaut keiner mehr in den Himmel. Das führt zu bösen Überraschungen - oder zu guter Mode, mit der man trocken bleibt.

Von Max Scharnigg

Das Wetter galt lange Zeit nicht gerade als Premiuminhalt eines Gesprächs. Das hat sich geändert. Seit jeder auf seinem Smartphone eine Wetterstation betreibt, gehören Begriffe wie "Regenwahrscheinlichkeit" und "Niederschlagsmenge" zum festen Bestandteil eines Smalltalks unter freiem Himmel. Kein Grillfest, kein Open-Air-Konzert, keine Bergtour am Samstag, die nicht weit im Voraus von allen Beteiligten mit Web-Wetterberichten von ungewisser meteorologischer Güte vorbereitet wurde. Dass die Prognosen dabei erstaunlich auseinandergehen, erhöht die Spannung: Regenradar, Super-Forecast, Isobarenkarte, Niederschlagsfilm, Windstream - welches Programm bietet mehr? Zum Glück findet sich auch immer ein Wetterbericht, der irgendwie doch 20 Prozent Sonnenschein vermutet, an denen man sich festhalten kann, bis sie kurz vorher zu einem Wolkensymbol mit Blitz schrumpfen. Noch ärgerlicher ist nur, wenn an einem strahlenden Morgen das gefürchtete Symbol für "Gefahr von Blitzschlag" aufploppt und man daraufhin geplante Wander- oder Badeaktivitäten fahren lässt - um sich zehn Stunden später einzugestehen, dass es ein wunderbarer Samstag war, kein Blitzschlag weit und breit. Die App hat sich da längst klammheimlich auf null Prozent Regen aktualisiert.

1 / 5
(Foto: PR)

Gewappnet für Regenwetter - führ Ihn: Schirm von London Undercover.

2 / 5
(Foto: PR)

Tropfdichter Hasenfell-Hut von Larose Paris.

Wasserfestes Jackett von Private White über mrporter.com.

3 / 5
(Foto: PR)

"Climbers"-Hose von Outlier.

4 / 5
(Foto: PR)

Gummi-Loafer von Gucci.

5 / 5
(Foto: PR)

Kamera "Coolpix AW130" von Nikon, bis 30 Meter wasserdicht.

Das Entzückende des neuen Wetters to go ist, dass selbst die vorinstallierte Mainstream-Prognose in den Smartphones das Wetter von, sagen wir, Truchtlaching-Nord in aller Genauigkeit zu kennen vorgibt. Nicht so wie die Wetterkarte in der "Tagesschau", wo die Wolkensymbole immer ganze Bundesländer abdecken. Diese vermeintliche Tiefenschärfe ist aber natürlich eher digitale Augenwischerei. Oder, wie Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst sagt: "Die Atmosphäre ist immer noch im Wesentlichen ein chaotisches System." Damit nimmt der Meteorologe die Apps kollegial ein bisschen in Schutz: Zwar böten die Programme Wetterberichte für jeden noch so kleinen Ort an, aber viele von den kostenlosen Wetterdiensten im Netz arbeiteten nun mal mit frei verfügbaren globalen Vorhersagemodellen, die nur ein relativ grobes Gitter um die Erde spannen. Gut, wenn man an einem Knotenpunkt dieses Netzes wohnt. Schlecht, wenn man irgendwo dazwischen ist und dort auch noch beispielsweise weiter als drei Tage in die Wetterzukunft sehen möchte. "Da sind wir bald bei einer Trefferquote von etwa 65 Prozent, das heißt, genauso gut kann man auf seine eigenen Erfahrungswerte zurückgreifen, also dass es im August in München wahrscheinlich irgendwie zwischen 15 und 25 Grad warm sein wird und vielleicht mal regnet", sagt Friedrich.

1 / 5
(Foto: PR)

Gewappnet für Regenwetter - für Sie: Regenhut von Stutterheim.

2 / 5
(Foto: PR)

Anorak von Hunter über stylebop.com.

Wasserabweisender Filzrock von Alexander McQueen.

3 / 5
(Foto: PR)

PVC-Ballerinas von Gianvito Rossi.

4 / 5
(Foto: PR)

Mascara "Truly Waterproof" von Clarins.

5 / 5
(Foto: PR)

Unisex-Parfum "La Pluie" von Miller Harris.

Alle Prognosen, die länger als sieben Tage weit reichen, sind sowieso nur vage Tendenzen. Sein eigenes Institut rechnet die Gittermodelle auf Europa und Deutschland herunter, sodass man am Ende immerhin Ortsgenauigkeiten von wenigen Kilometern erreicht. Allerdings sind auch damit die gefürchteten Wärmegewitter oder ein schnell aufziehendes Unwetter in den Bergen nicht mit viel Vorlauf anzusagen - und deshalb nur mit Wahrscheinlichkeitsangaben zu beziffern. Mit der Folge, dass Hüttenwirte in den Alpen von ausgebuchten Wochenenden berichten, an denen ihre Hütte trotz annehmbaren Wetters halb leer blieb, weil die Programme im Tal ein vages Unwetterrisiko angekündigt hatten. Man kann auch Glücksmomente am Badesee erleben, der sonst überfüllt wäre, aber dank einer irrigen Google-Prognose weitgehend gemieden wurde.

Aber was bedeuten eigentlich 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit, wie sie die App so gerne ausruft? "Nur dass es an 30 von 100 Tagen mit dieser Wetterlage geregnet hat. Ob das ein richtiger Platzregen wird oder nur ein paar Tropfen oder gar nichts, das erfährt man erst, wenn man es erlebt. Amerikaner sind längst an diese Wahrscheinlichkeitsangaben gewöhnt, die Deutschen vertrauen aber immer noch ein bisschen zu sehr auf die Genauigkeit der Geräte und Zahlen", sagt Friedrich und rät, zumindest in Erfahrung zu bringen, auf welche Prognosemodelle die Vorhersagen zugreifen. Bei aller digitalen Unterstützung, sagt der Fachmann, sollte der Instinkt nicht ganz der Technik geopfert werden. Ein Display ersetzt nicht den Blick in den Himmel. Auch in Zukunft lohnt es sich, noch analog nachzuprüfen, aus welcher Richtung das Wetter kommt, wie eine Ambosswolke aussieht und wie viel Zeit zwischen Blitz und Donner vergeht. Und eben für die pessimistische Auslegung von 30 Prozent Regenwahrscheinlichkeit gewappnet zu sein.

© SZ vom 22.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: