Osterrätsel:Die Lösung

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Was hat acht Löcher und wird heilig genannt? Welche Zitrusfrucht findet man an jedem Billardtisch? Vor drei Wochen stellten wir solche Fragen. Hier sind die Antworten.

Von Oliver Rezec

Sogar aus Zürich, Halle und Detmold kamen Schatzsucher, um das SZ-Osterei zu finden. Doch Losglück hatte ausgerechnet jemand, der gleich ums Eck wohnt: Alex und Gaby Reichel aus Finning gewinnen eine Privatführung durch die abendlich-menschenleere Gemäldegalerie Alte Meister in Dresden und zwei Nächte im Relais & Châteaux Hotel Bülow Palais. Herzlichen Glückwunsch! (Foto: oh)

Das Wörterbuch eines untergegangenen Königreichs, ein Schmetterling mit dem Namen eines Hammerhais, das kaum bekannte Symbol für Spülmaschinensalz - und der Weg zum versteckten Osterei: Hier sind die Antworten auf unsere Rätselfragen.

Der prominente Tausendsassa

Die große Kunstpfeiferin Ilse Werner war keine große Hilfe bei der Lösung des Rätsels. Denn auf unserem Bild verdeckte sie beinahe das wichtigste Indiz: das Ziehungsgerät der "Aktion Sorgenkind", erkennbar am charakteristischen Umriss und einer Glücksziffer hinter Frau Werners Schulter. Sie war "Ehrengast" in der ZDF-Sendung "Der Große Preis" im Mai 1980, der Herr neben ihr war also der Moderator WIM THOELKE, bürgerlich Georg Heinrich Wilhelm Thölke - wobei "Ehrengast" bedeutete, dass man nach kurzem Plausch eine große verdunkelte Brille aufzusetzen hatte, um blind die Lotteriegewinner zu ziehen.

Dass Thoelke zuvor jahrelang "Das aktuelle Sportstudio" moderiert hatte, daran erinnern sich noch manche. Weniger bekannt ist, dass er bis 1960 Geschäftsführer des Deutschen Handballbundes war, die Dehnbundhose erfand und als Marke eintragen ließ und eines der ersten Mitsubishi-Autohäuser in Deutschland gründete. All dies schildert er jedenfalls in seiner Autobiografie - auch jene Episode, wie er dem Bundespostminister vorgeschlagen habe, Briefe nach schwedischem Vorbild per Nachtflug zu transportieren, um eine Zustellung am nächsten Tag zu ermöglichen. So geschieht es tatsächlich seit 1961 bis heute (nur mit ein paar Monaten Unterbrechung im Jahr 2009).

Das im Rätsel erwähnte Zitat aus der Sitcom "Alf" ist übrigens in der Folge "In der Kutte des Büßers" zu hören. Der Außerirdische fragt seine Gasteltern Willie und Kate Tanner: "Glaubt ihr, das große Universum folgt denselben moralischen Gesetzen wie euer rückständiger Planet, der Wim Thoelke anbetet?"

3D Flag of Naumburg (Saxony-Anhalt), Germany. 3D Illustration. (Foto: mauritius Images)

Das geänderte Stadtwappen

Die Geschichte des Stadtwappens von NAUMBURG an der Saale darf man ein ziemliches Durcheinander nennen. Dass darauf ein Schlüssel und ein Schwert über Kreuz liegen, die Attribute der Apostel Petrus und Paulus, das stand schon fest, als noch Bischöfe die Herren über Naumburg waren. Aber welches dieser Objekte wie herum liegt, ob die Griffe oben oder unten sind: Das variierte jeder Bischof in seinen Insignien ganz nach seinem Geschmack.

In der Folge konnte auch das bürgerliche Naumburg keine etablierte Form übernehmen, an den alten Bauten sind heute diverse Variationen zu besichtigen. Erst im 19. Jahrhundert konsolidierte sich langsam die heutige Anordnung: Das Schwert hat seinen Griff rechts oben und weist mit der Spitze nach links unten. Der Griff des Schlüssels liegt rechts unten, der Schaft führt nach links oben.

Nur welcher der beiden Gegenstände den anderen überlappt, das blieb weiter der Willkür überlassen. Bis der Naumburger Magistrat 1929 schließlich festlegte: "Als maßgebendes Stadtwappen soll das an dem Kachelofen im Magistratssitzungszimmer befindliche Wappen gelten." Dort liegt der Schlüssel im Vordergrund. So galt es dann jahrzehntelang. Die Brockhaus-Enzyklopädie aus dem Jahr 1991 etwa zeigt das Naumburger Wappen noch in dieser Anordnung. Doch 1992 nahm sich die Ratsversammlung des Themas abermals an - und beschloss das Gegenteil: "Das Schwert liegt über dem Schlüssel", so steht es bis heute in der Hauptsatzung der Stadt.

Die Pfeile und die Zitrusfrucht

In mehr als 70 Prozent der deutschen Haushalte gurgelt eine Geschirrspülmaschine, und auf fast allen kann man die verschlungenen Pfeile entdecken, die das Rätsel zeigte. Leuchtet das zugehörige Lämpchen auf, dann ist es Zeit, Spülmaschinensalz nachzufüllen. Es soll dem Leitungswasser gelöste Stoffe wie Calcium entziehen, das sich sonst als Kalkschleier auf den Gläsern und in der Maschine ablagert. Im Handel heißt das Produkt oft "Spezialsalz" - doch es handelt sich um reines Natriumchlorid, also Kochsalz, wie es auf dem Esstisch steht. Speziell ist daran nur die Größe der Körner, und dass keine Rieselhilfen, kein Jod oder andere Zusätze beigemischt wurden, die bei Tisch sinnvoll sein mögen, aber der Maschine schaden würden.

Die andere Skizze zeigte einen Würfel mit 100 Metern Kantenlänge, er fasste also eine Million Kubikmeter (oder eine Milliarde Liter). Die Uhr neben dem Bruchstrich zeigte eine Sekunde an. Mit solchen Mengen, eine Milliarde Liter pro Sekunde, hat man nur in der Ozeanografie zu tun. Dargestellt war die Definition von 1 Sverdrup, einer Maßeinheit für Meeresströmungen, benannt nach dem norwegischen Polar- und Ozeanforscher Harald Ulrik Sverdrup, der in den 1910er- bis 1950er-Jahren diverse Expeditionen begleitete und unter anderem als Professor in Kalifornien lehrte. Um sich eine Vorstellung von den Größenordnungen zu machen: Der Rhein transportiert gerade mal 0,003 Sverdrup - der Golfstrom wälzt bis zu 150 Sverdrup um.

Auf dem Foto des Billardtisches schließlich sei eine Zitrusfrucht zu sehen, behauptete das Rätsel. Gemeint war die Pomeranze: So nennt man die kleine Lederkuppe an der Spitze eines Billardqueues, die mit der typischen blauen Kreide eingerieben wird, um präzisere Stöße zu ermöglichen.

Die jeweils letzten beiden Buchstaben von "Salz", "Sverdrup" und "Pomeranze" ließen sich zum Wort PUZZLE fügen, und ein Gefüge war ja gesucht.

Das verlorene Königreich

Ausgesprochen dürr waren die Auskünfte, die der Rätseltext gab. Der eigentliche Lösungshinweis war das abgebildete Wörterbuch, genauer: die Handmarke darauf. So heißen die treppenförmig angeordneten Streifen auf dem Buchschnitt, die schon bei geschlossenem Buch verraten, wo der Daumen hingreifen muss, um einen gewünschten Anfangsbuchstaben aufzuschlagen. Bei deutschen Wörterbüchern besteht die Handmarke sinnvollerweise aus 26 Streifen. Wem auffiel, dass das abgebildete Buch lediglich 12 Streifen zeigte, war schon auf dem halben Weg zur Lösung, nur wenige Sprachen der Welt kommen mit so wenigen Zeichen aus. Die Rede war von HAWAII, das von 1810 bis 1893 tatsächlich von Königen regiert wurde.

Welche Melodie kommt einem beim Wort "Hawaii" in den Sinn? Bei vielen dürfte es "Aloha 'Oe" sein, eines der bekanntesten Lieder aus dieser Gegend. Prinzessin Liliuokalani höchstselbst hat es komponiert, laut eigener Notiz im Jahr 1878. Als sie später Königin wurde, hatten Fremde das Inselreich längst in Besitz genommen: Erst waren die Missionare gekommen, dann die Betreiber der Zuckerrohrplantagen, die das Land unter sich aufteilten. Unterstützt von US-Soldaten putschten die Zuckerbarone 1893 gegen Liliuokalani und zwangen sie zwei Jahre später zur Abdankung. 1898 annektierten die USA schließlich Hawaii als günstig gelegenen Militärstützpunkt. Es ist bis heute Teil der Vereinigten Staaten.

Die Missionare waren es auch, die das lateinische Alphabet hier einführten, bis dahin wurde Hawaiisch ausschließlich gesprochen, nicht geschrieben. Es benutzt heute fünf Vokal- und sieben Konsonantenbuchstaben: A, E, H, I, K, L, M, N, O, P, U, W. Dabei ist K der mit Abstand häufigste Anfangsbuchstabe im Vokabular, es folgen P, H und M - so war es auf dem Bild dargestellt (welches kein reales Buch zeigte, sondern eine nach den echten Zahlenverhältnissen erstellte Bildmontage, denn keines der verbreiteten hawaiischen Wörterbücher trägt tatsächlich eine Handmarke).

Der Hinweis, das gezeigte Buch sei "nicht mehr ganz aktuell", bezog sich auf den Glottisschlag, das kleine Knacken im Hals beim abrupten Beginn von Vokalen: Dieser Laut, eigentlich ein vollgültiger Konsonant wie die sieben anderen auch, wird nur durch einen kopfstehenden Apostroph angezeigt wie bei "Aloha 'Oe". Traditionell wurde er bei der Anordnung von Wörterbüchern ignoriert, die neuesten Werke jedoch ordnen das Zeichen wie einen eigenen, dreizehnten Buchstaben ein.

Illustration: SZ-Grafik (Foto: SZ-Grafik)

Die verklecksten Striche

Ein Sammelsurium kurzer Linien galt es hier zu deuten. Immerhin folgten sie alle dem Raster des karierten Papiers, sodass eine gewisse Regelmäßigkeit zu erahnen war. Zusammengesetzt aus einzelnen Segmenten, erinnerten diese Figuren entfernt an die Ziffern auf einem Taschenrechner oder auf einer Uhr mit Digitalanzeige. Nur dass hier keine Ziffern zu erkennen waren.

Zumindest nicht auf den ersten Blick. Das Geheimnis lag nämlich in jenen Segmenten, die nicht zu sehen waren - beim Radiowecker würde man sagen: die gerade nicht aufleuchteten. Das Rätsel zeigte gewissermaßen die Negativdarstellung einer Digitalanzeige. Ergänzte man mit einem Farbstift die jeweils fehlenden Segmente, so schrieb man Ziffern und Rechenzeichen aufs Blatt. Die obere Zeile lautete dann "64 - 29 = 35", die mittlere "70 = 89 - 19". Die untere Zeile war zwar teilweise verkleckst, aber "54 - 40 = ..." genügte ja, um als Ergebnis VIERZEHN auszurechnen.

Die skurrilen Tierköpfe

Welchem Geschöpf der eigenartige Schädel mit den stielartig auseinanderstehenden Augen gehörte, das konnte man am besten erahnen, wenn man sich das Knochengerüst mit Haut umspannt vorstellte: Es war der Schädel eines Hammerhais.

Der abgebildete Schmetterling ist auch auf Europas Wiesen zu finden und trägt mehrere Namen: Blutströpfchen etwa, wegen seiner rot getupften Flügel. Mit Blick auf die keulenartigen, gekrümmten Enden seiner Fühler wird er auch Widderchen genannt - oder ZYGÄNE, bei den alten Griechen das Wort für einen Hammerhai.

Dass der Name eines Fisches auf ein Insekt übertragen wird, wunderte schon 1839 den Naturforscher Lorenz Oken: "In der That sieht man nicht ein, warum Entomologen sich herausnehmen dürfen, antike Fisch- und Vogelnamen für Insecten-Genera zu verwenden." Doch genau so kam es. Mehr noch: Inzwischen meint "Zygäne" quasi ausschließlich den Schmetterling. Hammerhaie indes bilden taxonomisch die Familie der Sphyrnidae. Der alte Name wird nur noch für eine bestimmte Art verwendet, den Glatten Hammerhai, Sphyrna zygaena, dessen Schädel wir zeigten.

Wenn bis heute im Duden-Fremdwörterbuch steht: "Zy|gä|ne, die (...): 1. ein mitteleuropäischer Schmetterling (Blutströpfchen). 2. Haifisch (Hammerhai)", dann ist das ein veralteter Sachstand: Außerhalb des Dudens - und all der Websites, die seine Inhalte erkennbar kopiert haben - lässt sich jedenfalls kaum ein Beleg finden, dass nach 1900 noch ein Hammerhai als "eine Zygäne" bezeichnet worden wäre.

Für den Fortgang des Osterrätsels war es übrigens gleichgültig, ob man das Substantiv "Zygaene" oder den Artenzusatz "zygaena" in die Lösungskästchen schrieb, und auch für das Gewinnspiel galten natürlich beide Versionen.

Human sacrum, illustration. (Foto: mauritius Images)

Das Heiligtum mit acht Löchern

Kinder und Jugendliche haben mehr Rückenwirbel als ältere Menschen. Gegen Ende der Pubertät beginnen nämlich fünf Wirbel, miteinander zu verwachsen: Es sind die fast untersten fünf, direkt über dem Steißbein. Ungefähr bis zum dreißigsten Lebensjahr dauert es, dann haben sich diese Wirbel zum KREUZBEIN vereint.

Beim Zusammenwachsen bleiben stets zwei Löcher offen für die Nervenstränge, die aus dem Rückenmark austreten. Fünf Wirbel bedeuten vier ehemalige Zwischenräume - darum hat das Kreuzbein normalerweise acht Löcher. Mitunter sind es zehn, wenn noch ein weiterer Wirbel mitverwächst (wobei hier nur jene Löcher gemeint sind, die man von vorne sieht, im Inneren des Knochengebildes verlaufen die Kanäle etwas komplizierter).

Der medizinische Begriff für das Kreuzbein lautet "Sacrum", lateinisch für einen heiligen Gegenstand oder eine Opfergabe: Angeblich stellte dieser Knochen bei Tieropfern ein besonderes Gut dar, gesichert ist diese Wortherkunft jedoch nicht. Allerhand Sprachen haben dieses Sprachbild übernommen: Im Spanischen heißt dieser Knochen "sacro", was zugleich das Wort für "heilig" ist. Auch der italienische "osso sacro" bedeutet heiliger Knochen, das griechische "iero osto" (hier in lateinischer Umschrift) entspricht dem ebenfalls, und im Niederländischen ist es das "heiligbeen". Das Englische hat für viele Knochen keine eigenen Bezeichnungen, sondern verwendet die lateinischen - für das "sacrum" allerdings kennt es auch "sacral bone".

Im Deutschen dagegen sei der Knochen nach seiner Form benannt, die vage an ein Kreuz erinnere, lautet der Erklärungsversuch etymologischer Wörterbücher (und nach dem Kreuzbein wiederum sei der untere Teil des Rückens benannt). Für wie nachvollziehbar man das auch halten mag - allerhand Sprachen machen es ebenso: Auf Polnisch heißt das Kreuzbein "kość krzyżowa", und auch etwa im Russischen, Dänischen und Finnischen trägt es ein Kreuz im Namen.

Das rätselhafte Gitter

Wer alle sieben Antworten gefunden hatte, dem lagen nun zwanzig Lösungsbuchstaben vor. Auf der Spielfläche eines großen Gitters solle man sie "in eine Grafik verwandeln", verriet das Rätsel - bloß wie, das musste man selbst herausfinden.

Das Gitter war in Dreierreihen unterteilt, bezeichnet mit den römischen Zahlen von I bis XX. Da auch jeder Lösungsbuchstabe einer Zahl von I bis XX zugeordnet war und - mittels einer Tabelle - zugleich einer dreispaltigen Gruppe von Zahlen, lag es nahe, diese Zahlengruppen an die entsprechenden Stellen des Gitterrahmens zu setzen. Das Ergebnis sah dann so aus: Wer gerne Logikrätsel löst, dem kam dieser Anblick womöglich bekannt vor: Es handelte sich um ein Nonogramm - eines jener Rätselformate aus Japan, die weltweit in Zeitschriften und als Computerspiel verbreitet werden. Beim Nonogramm malt man einzelne Kästchen eines Gitters aus, bis ein Motiv in Form einer Pixelgrafik erkennbar wird. Dabei geben die Zahlen vor jeder Zeile und Spalte an, wie viele Kästchen darin jeweils zu färben sind: So bedeutet etwa die Angabe "5 2", dass ein durchgehender Fünferblock sowie ein Zweierblock auszumalen sind. Dazwischen bleibt mindestens ein Feld leer.

Für den Einstieg sind große Zahlen hilfreich: Eine der Spalten im Osterrätsel trug die Zahl 37. Das ganze Gitter war nur 39 Kästchen hoch, und da die oberste Zeile mit einer 0 versehen war, konnte man alle Felder dieser Zeile sofort als leer markieren. Somit waren in jeder Spalte nur 38 Felder überhaupt befüllbar. In der Spalte mit der 37 also alle bis auf eines. Und da die Farbfelder stets im Block zusammenhängen, konnte man von den 38 möglichen Feldern schon mal die mittleren 36 sicher ausmalen. Nur das alleroberste und das allerunterste blieben zunächst weiß. Welches davon später das 37. Farbfeld werden würde, hing von anderen Zahlen ab - denn sie interagieren kreuz und quer, sodass letztlich nur genau eine Lösung möglich ist.

Wer richtig kombinierte, bekam als Lohn der Mühe einen Ausschnitt aus der Landkarte Oberbayerns zu sehen (in der Grafik hier oben beim Punkt 1 abgebildet): Dargestellt war der Ammersee mit dem kleineren Wörthsee und dem Pilsensee. Im roten Rahmen lag der Ort STEINEBACH am Wörthsee - er war des Osterrätsels Lösung. Zusammen mit einigen Nachbarorten bildet Steinebach die Gemeinde WÖRTHSEE, welche daher ebenfalls als richtige gültige Lösung galt.

Das Geheimnis der Schatzkarte

Wer zum Schluss auch noch das versteckte Osterei finden wollte, hatte es diesmal mit einer besonders vertrackten Schatzkarte zu tun. Der rote Rahmen aus dem Nonogramm war als Startpunkt eingezeichnet: Los ging es also in Steinebach. Von hier aus wies ein Pfeil nach 260° Ost, zu einer kleineren Kopie dieses Rahmens, flankiert von Anführungszeichen. Was das bedeuten sollte, verriet ein Blick auf eine Landkarte: In dieser Richtung liegt nämlich ein weiteres, kleineres Steinebach - auf der anderen Seite des Ammersees. Drei, vier Dutzend Häuser nur, ein Kirchlein, ein Weiher.

Am Ortsrand fließt ein Bach vorbei, mit ebenjenem Verlauf, der auf der Schatzkarte nachgezeichnet war: die Schweinach. Sie speist sich, von Süden kommend, aus mehreren Wasserläufen. Doch nur einer davon entsprach der Zeichnung auf der Karte: Zweieinhalb Kilometer südsüdwestlich des Dörfchens führt er an einem Waldrand entlang, vorbei an einem alten Grenzstein aus dem 17. Jahrhundert. Dessen Umriss war auf der Schatzkarte skizziert, ebenso die kreisrunde Vertiefung und seine Inschrift "H V" für "Hofmark Utting" - im Rätsel verschlüsselt als "8 22", die Positionen dieser Buchstaben im Alphabet.

Nun wies die Schatzkarte einen Weg, lotrecht weg vom Waldrand, hin zu einer Kirche. Die nächstgelegene in dieser Richtung ist jene in Oberfinning. Und wenn man erst mal vor dem Kirchturm stand, wurde klar, dass man hier tatsächlich richtig war: Der Turm trägt an seiner Ostseite ein Fries aus acht Quadraten, darin vierpassartige Ornamente - so wie auf der Schatzkarte zu sehen, neben dem Hinweis: "Zte cdqrdkadm Aqdhsd vhd". Entschlüsseln ließ sich das, indem man jeden Buchstaben durch den im Alphabet jeweils folgenden ersetzte, dann stand da: "Auf derselben Breite wie", gefolgt von einem Summenzeichen und einer Skizze des Frieses.

Die Jahre haben den Ornamenten zugesetzt, hie und da sind Teile herausgebrochen. Das erklärte, warum der Schatzkarte eine kleine Tabelle mit defekten Vierpässen beigegeben war - sie wies den verschiedenen Beschädigungen jeweils Zahlenwerte zu: Der erste, gänzlich intakte Vierpass stand für den Wert 85. Dem zweiten fehlen der linke und der obere Zapfen, diese Form war in der Tabelle mit 14 bezeichnet, und so weiter. Insgesamt summierte sich der kaputte Fries auf den Wert 451,8.

Wer sich eine Weile mit dem Ammersee beschäftigt hat, kennt diese Zahl: Sie bezeichnet den tiefsten Punkt des Sees. Sein mittlerer Wasserspiegel liegt 532,9 Meter über dem Meeresspiegel und der See ist 81,1 Meter tief, also liegt der tiefste Punkt auf 451,8 Metern Höhe. (Je nach Quelle sind es auch 451,9 Meter, was aber für den weiteren Verlauf kaum Unterschied machte.) "Auf derselben Breite" wie dieser Tiefpunkt, also irgendwo auf einer schnurgeraden West-Ost-Linie durch ihn hindurch, würde man später fündig werden.

Zunächst jedoch führte der Weg aus Oberfinning hinaus nach Süden, laut Schatzkarte ⁷⁄₃ Kilometer weit. Folgte man der skizzierten Straße, erreichte man ein äußerlich schmuckloses, kleines Häuschen in einem Waldstücklein nahe der Straße: Hier steht die Hartkapelle, erbaut 1753. "Lies den Regenbogen", forderte die Karte nun. Allerdings war hier nirgendwo ein Regenbogen zu sehen. Oder doch?

Die Kapelle ist unverschlossen. Ein Gitter schützt das Altärchen, an den Wänden hängen ausgebleichte Andachtsbilder, nichts Aufälliges eigentlich. Merkwürdig war nur jener Rahmen mit den papiernen Emblemen "Gelobt sei Jesus Christus" und "Amen", hinterfangen von grobem Stoff, in den scheinbar regellos bunte Punkte eingestickt waren. Aber nur scheinbar: Über dem Wort "sei" saß ein roter Punkt - und zwar genau über dem Buchstaben "s". Zwei rote Punkte waren unter dem "u" von "Jesus" eingestickt, drei unter dem "C" von "Christus" und vier Punkte direkt daneben, unter dem "h". Diese Punkte buchstabierten also das Wort "such". Nach demselben Prinzip verschlüsselten die orangen Stickereien das Wort "mich", die gelben "in". Las man so den Regenbogen von Rot über Orange, Gelb, Grün und Blau nach Violett, dann gab dieses Andachtsbild (das natürlich nicht zur ursprünglichen Ausstattung der Kapelle gehörte, sondern nur für das Osterrätsel dort hineingeschmuggelt worden war) seine Botschaft preis: "Such mich in Tronjes Sohn heim".

Ob mit Tronje, bekannt aus der Nibelungensage, einst tatsächlich ein realer Ort gemeint war, ist unklar. Der sagenhafte Sohn dieser Stadt ist jedenfalls Hagen, der Mörder des Drachentöters Siegfried. Damit lautete die Botschaft also: "Such mich in Hagen heim" - genauer gesagt: "in Hagenheim", einem Dorf nur fünf Kilometer westlich. Wer dort die Hauptstraße entlangfuhr, entdeckte schnell, wer oder was überhaupt mit "Such mich" gemeint war: Über der Tür der Dreifaltigkeitskapelle prangt das Original des Schriftzugs "Gelobt sei Jesus Christus", dessen Abbild man zuvor in der Hartkapelle entschlüsselt hatte. Die gleiche Schrift, der gleiche Umriss - erst bei genauem Hinsehen erwies sich das Abbild in der Hartkapelle als manipuliert: Das Original hier in Hagenheim lautet nämlich "Gelobt sei Jesus Cristus", ohne "h". Dieser kleine Fehler war der letzte Hinweis auf das gesuchte Versteck.

Auf der Schatzkarte war der Grenzstein "8 22" von einer Windrose umgeben. Norden war allerdings nicht mit "N" bezeichnet, sondern mit dem charakteristischen "G" von "Gelobt sei ...". Der Text lief um die Windrose herum, 15 Winkelgrad je Buchstabe: Das "l" lag auf 30°, das "s" auf 90°, also Ost. Dann riss die Karte ab. Das gefälschte "h" zeigte demnach 225° an, die Südwestrichtung. Damit war endlich das Versteck des Ostereis zu bestimmen: exakt westlich des tiefsten Punktes des Ammersees und zugleich exakt südwestlich des Grenzsteins. Diese beiden Linien schneiden sich in einem Waldstück bei Thaining, keine hundert Meter entfernt von der Ruine Ödenburg.

Wobei das Wort "Ruine" auf der amtlichen Karte ein bisschen viel verspricht: Tatsächlich ist hier nur noch ein Burgstall zu besichtigen, gewissermaßen das Grundstück der Burg, ein hoher Hügel mit einer Mulde statt einer Spitze. Mauern oder Steine sieht man hier keine mehr, die letzten wurden im 18. Jahrhundert in der Kirche des nahen Thaining verbaut.

"Ganz oben sieh hinab", lautete der letzte Hinweis. Wer den Burgstall erklomm und in die Mulde blickte, sah dort einen einsamen Baumstumpf herausstaken, so wie auf der Schatzkarte skizziert. An seinem Fuße, eingebettet im Laub, lag ein Schatzkästchen verborgen - und darin Deutschlands wohl bestverstecktes Osterei.

1039 Leserinnen und Leser haben richtige Antworten eingereicht, 499 davon auch das Nonogramm geknackt und Steinebach am Wörthsee herausgefunden. 95 Schatzsucherinnen und Schatzsucher haben sogar das Osterei aufgespürt - herzlichen Dank fürs Mitspielen und Gratulation Ihnen allen! Und: Sind noch Fragen offen? Was hat Ihnen gefallen, was fanden Sie verbesserungswürdig? Wir freuen uns auf Ihre Mail an osterei@sueddeutsche.de

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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