Modewoche:Not am Mann

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Kaum noch Shows, immer weniger fürs Geld: Mode "Made in Italy" steckt in der Krise. Anlass zur Hoffnung geben während dieser Fashion Week in Mailand Prada und Ermenegildo Zegna.

Von Dennis Braatz

Schauen von Giorgio Armani sind eigentlich keine Termine mehr, die das aktuelle Modegeschehen aufgreifen. Der Designer macht seit Jahren sein Ding, eine Parade aus vorwiegend grauen und blauen Sakkos zu flattrigen Hosen, Anzügen und Hemden mit Mao- und Kentkragen. Das ist vielleicht ein bisschen langweilig, aber okay. Nirgendwo steht geschrieben, dass Mode etwas noch nie Dagewesenes sein muss. Außerdem hat Mailands Männermode kaum einem so viel zu verdanken wie ihm. Er hat in den Achtzigern italienische Anzüge vom steifen Innenleben befreit und cool gemacht, Hollywood-Filme ausgestattet und den Nachwuchs gefördert. Dass über seinem Laufsteg dieses Mal "Made in Armani" leuchtet, darf man also als stolzes Statement verstehen. Die Worte bringen einige im Publikum aber noch aus einem ganz anderen Grund zum Schmunzeln.

Zu Beginn der Modewoche für Frühjahr/Sommer 2018 hat der Guardian enthüllt, dass Schuhe von Louis Vuitton gar nicht "Made in Italy" sind, sondern zum Großteil in der rumänischen Region Transsilvanien gefertigt werden. Das hat für Gesprächsstoff gesorgt. Rein rechtlich ist gegen dieses Vorhaben nichts einzuwenden, solange nur der letzte Fertigungsschritt eines Schuhs in Italien passiert, der Kunde aber wird trotzdem betrogen. Sein Geld gibt er ja nicht nur für das Markenlogo, sondern auch im guten Glauben an das Qualitätssiegel aus. Gerüchte über Firmen, die auf ähnliche Art produzieren, gab es schon häufiger. Gewinnmaximierung ist heutzutage alles. Deshalb sind die Preise für Luxusmode zuletzt auch immer weiter gestiegen, bei ihrer Qualität wird dagegen gerne gespart.

Wer dieses Mal in Mailand zwischen zwei Terminen zum sogenannten "Store-Check" auf die Via Montenapoleone ausrückte, einem kurzen Boutique-Besuch, kam nicht selten enttäuscht zurück: Zu teuer für das, was man am Ende bekommt! Bei Gucci hängt jetzt ein weißer Hoodie aus Baumwolle samt pastellfarbenen Stickereien auf der Kapuze für rekordverdächtige 1980 Euro. Valentino verlangt für eine kurze Baumwollhose mit Camouflagemuster schon 890 Euro. Selbst der unter Frauen so beliebte Modeschmuck von Marni: Ein Paar wackelige Strass-Ohrringe liegt bei 280 Euro. Mag sein, dass einige Labels sich das leisten können, weil sie gerade einen Hype erleben. Vielerorts aber gehen die Umsätze zurück. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ein wichtiger Grund dafür.

Stoffe und Schnitte auf höchstem Niveau bekommt der Kunde nächsten Sommer für sein Geld noch bei Ermenegildo Zegna. In seiner zweiten Kollektion dampft Designer Alessandro Sartori die Sportlichkeit runter. Dafür weitet er die Silhouette. Das Leder einiger Oberteile ist so weich, dass es auf den ersten Blick wie Kaschmir aussieht. Manche Blazer wiegen gerade mal 200 Gramm. Es gibt handgefertigte Details, viele Rosatöne (siehe auch Fendi) und einen einzigen eisblauen Anzug, den das Publikum noch ein paar Tage später als Höhepunkt der Kollektion ausmachen wird. In Zeiten von Schauen, die es mit Effekthascherei nur auf den Erfolg bei Instagram abgesehen haben, ist das eine beeindruckende Leistung.

Mehr Sexismus geht nicht: Bei Plein spreizen Go-go-Girls die Beine Richtung Front Row

Philipp Plein macht es sich hingegen lieber einfach. Für die Präsentation seiner Sportlinie lässt er muskelbepackte Wrestler in Käfigen kämpfen. Davor verrenkt sich eine Armee von Go-go-Girls an Poledance-Stangen, immer wieder spreizen sie die Beine in Richtung Front Row. Die Gäste halten die Handykameras drauf. Plein ist für sein antiquiertes Männer- und Frauenbild bekannt. Nie zuvor hat er aber so viel Sexismus in eine einzige Show gepackt. Wen's trotzdem noch interessiert: Gezeigt hat er kurze Hosen und Lycra-T-Shirts.

Stilistisch wirklich weiterbringen konnten die Mailänder Männermode dieses Mal nur zwei Schauen. Zuerst Prada. Die Designerin zeigt Comic-Prints (siehe auch Marni) mit hoch sitzenden und streng gegürteten Tunnelzughosen aus Nylon, dazu Hemden mit aufgestellten Kragen, Bauchtaschen und Spießersocken. Es ist die kluge Interpretation eines Looks, der gerade von Vertretern der Subkultur rauf und runter getragen wird - und bei den Streetstyle-Fotografen beliebt ist. Eine Mischung aus kindlicher Verspieltheit, Funktionsmode und postsowjetischer Ästhetik. Schön ist das nicht, die Zurschaustellung von Luxus und Reichtum sieht anders aus. Für Miuccia Prada aber zählen Ecken und Kanten und Understatement bekanntlich mehr. Möge die Idee ertragreich sein: Die Marke hat in Italien derzeit mit den größten Umsatzeinbußen zu kämpfen.

Noch radikaler als Prada geht nur noch Francesco Ragazzi vor. Der ehemalige Art Director ist mit seinem Label Palm Angels erst seit ein paar Saisons im Geschäft und schon ein Branchenliebling. Im Kern beschäftigt er sich mit der kalifornischen Skater- und Surferkultur, aber so unangepasst, dass man seine Models auf offener Straße für Proleten oder Kriminelle halten würde. Sie tragen schlabbrige Jogginganzüge ("ein Riesending für mich") zu Trekkingsandalen und Kapuzen oder Hauben überm Kopf, darauf Raver-Sonnenbrillen. Mit Modedesign hat das nicht viel zu tun, sondern mehr mit dem gutem Styling von Streetwear. Es reicht aus. Der Jubel hallt lauter als anderswo in diesen Tagen.

Unterm Strich lassen sich in Mailand keine großen Tendenzen feststellen. Wie auch, wenn immer weniger große Designer zeigen. Sieben hatten schon letzte Saison storniert, darunter Gucci und Bottega Veneta. Dieses Mal kamen noch Etro und Missoni hinzu. Sie integrieren ihre Männerkollektion neuerdings lieber in die Show der Frauenlinie. Das spart ihnen natürlich Geld, schwächt auf lange Sicht aber Mailands Bedeutung in der internationalen Herrenmodewelt; diese Fashion Week dauerte gerade mal etwas mehr als drei luftige Tage. Zum Vergleich: Paris hat fünf voll gepackte Tage.

Den Veranstaltern macht zusätzlich noch etwas anderes Druck. Immer direkt vor den glamourösen Schauen findet in Florenz die riesige Messe Pitti Uomo für überwiegend günstigere Männermode statt, mit klassischen Ständen und Orderlisten. Mittlerweile lockt sie immer häufiger internationale Designstars für Gastschauen an. Diese Saison kamen keine Geringeren als Off-White und auch Jonathan Anderson.

Den Auftritt des Iren in den Gärten der Villa la Pietra wollten sich dann nicht mal Sarah Mower, Kritikerin der amerikanischen Vogue, und Designerlegende Stefano Pilati entgehen lassen. Zwischen Zitronenbäumen, Buchsbaumhecken und barocken Statuen dürfen die Gäste auf dicken Sitzkissen Platz nehmen. Der erste Look der Kollektion ist ein beigefarbener Trenchcoat mit silberglänzenden Herzchen-Prints. Es folgen Denimshorts und weiße T-Shirts, Chinos, Sweatshirts und Hemden mit Herzchen-Prints. Und überall: Schuhe von Converse. Anderson, der eigentlich für avantgardistische Mode bekannt ist, entwirft jetzt tragbarer als sonst und hat sich mit einer der kommerziellsten Schuhmarken überhaupt zusammengetan. Nach der Show begründet er seine Neuausrichtung so: "Ich will, dass sich jeder wie ein Teil des großen Ganzen fühlen kann - nicht nur die Fashion Insider." Es könnte das Modell der Zukunft sein.

© SZ vom 24.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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