Modemarke:Aus Diesel soll Super werden

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Die Jeansmarke setzt auf Veränderung: Mit einem neuen Laden-Konzept geht sie das letzte Kapitel ihrer Verwandlung an. Das Ziel: endlich Premium sein.

Von Dennis Braatz

Wenn Modemarken für Partys bestimmte Stars buchen, um mit ihnen eine Außenwirkung zu kreieren, dann sagt dieser Auszug aus der Gästeliste alles: Coco Rocha, Boychild, Amber Le Bon, Binx Walton, Ajak Denk. Noch nie gehört? So schlimm ist das nicht. Diese Leute sehen nämlich in erster Linie gut aus, weshalb sie alle irgendwie modeln. Auf Instagram und Twitter versammeln sie deshalb zusammen mehr als zwei Millionen Follower. Merke: Hier will jemand seine Fotos vom roten Teppich nicht in der Bunten zur Veröffentlichung bringen, sondern gleich mal über junge It-People streuen.

Veranstaltet wurde das Event am vergangenen Samstag in New York vom Jeans-Riesen Diesel, die Marke mit dem Irokesen-Kopf im Logo und 400 Geschäften weltweit, in die pro Saison 400 neue Hosendesigns gespült werden. Die es auch in den meisten gutbürgerlichen Kaufhäusern gibt. Umsatz 2015: knapp eine Milliarde Euro. Man hätte nun also wirklich eher das breite Publikum erwartet und nicht den elitären Modezirkel.

Genau der soll jetzt aber erreicht werden, um genau zu sein: wieder. Die Marke war das letzte Mal zu Beginn der Nullerjahre so richtig cool, danach verlor man den Anschluss, weil sich der Gründer Renzo Rosso, das gesteht er heute selbst, nicht mehr genügend kümmerte. Rosso holte sich Hilfe. Seit mehr als zweieinhalb Jahren läuft nun schon die Modernisierung. Wie viel dabei auf dem Spiel steht, lässt der neue CEO Alessandro Bogliolo durchblicken: "Es ist das größte Investment in unserer Geschichte."

Gemeint ist jetzt natürlich nicht die Party, sondern ein neues Store-Konzept, das gleichzeitig vorgestellt wurde, entworfen vom japanischen Architekturbüro Wonderwall. Statt knatschiger Holzfußböden jetzt also mehr Edelstahl, Teppiche im Perser- und Jan-Kath-Look, antike Möbel und Video-Screens. Das Wichtigste: die Denim-Wand - Diesels Idee, alle Jeanshosen wie Brot hinter der Bäcker-Theke zu präsentieren - ist verschwunden. In Zukunft hängen auf Kleiderstangen nur noch einzelne Muster. Die Verkäufer holen für den Kunden dann die richtige Größe aus dem Lager, wie bei den großen Designern. Nach diesem Konzept sollen in den kommenden drei Jahren 100 Stores umgebaut, renoviert oder angepasst werden. Einer der nächsten Standorte wird München sein, "weil Deutschland einer unserer fünf wichtigsten Märkte ist", sagt Bogliolo.

Nun erfinden sich Modelabels mittlerweile ja so häufig neu, wie sie Kollektionen auf den Markt bringen. Allerdings kommen die meisten dabei aus der Luxussparte. Gut zu sehen an Céline, Dior, Saint Laurent, Louis Vuitton und Gucci. Sie alle agierten in den letzten Jahren nach demselben Prinzip: Ein neuer Designer gibt einen neuen Look vor, zur einen Hälfte im Sinne der Marken-DNA, zur anderen völlig gegensätzlich zu ihr, damit die Modepresse auch ja laut genug schreit; siehe Alessandro Micheles Gender Bending bei Gucci. Um das mediale Donnerwetter aufrechtzuerhalten, müssen Werbeanzeigen her, die Tabus brechen; siehe Courtney Love als Model bei Saint Laurent. Damit auch noch der letzte (potenzielle) Kunde kapiert, wo man neuerdings am besten einkauft, werden die Stores umgebaut; siehe Céline, wo sogar die Kleiderbügel neu designt wurden. Das alles kostet so viel Geld, dass am Ende die Preise erhöht werden.

Genau dieses Luxusschema scheint Diesel, das Streetwear-Label, für sich adaptiert zu haben. Zuerst holte man 2013 Nicola Formichetti als Artistic Director, der zuvor für Mugler und an Lady Gagas Bühnenoutfits arbeitete. Dass so einer überhaupt in Jeans machen wollte, war für die Branche schon mal ein ziemlich großes Ding, dass er aber mit seinen Kampagnen auch noch regelmäßig Schlagzeilen machen konnte: ein Kunststück. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass die neue Unterwäsche-Werbung auf Pornhub geschaltet wird, der weltweit größten Pornoseite im Internet. "Ich habe Nicolas' Idee keine Sekunde infrage gestellt. Das ist doch sehr 2016, und am Ende stimmt das Umfeld für das Produkt", sagt Bogliolo. Um das Design einer schon 2009 ins Leben gerufenen (und teuren) Laufsteg-Kollektion kümmerte sich inzwischen der Norweger Andreas Melbostad. Vielen Kritikern war sein Stil zu rockig-protzig. Immerhin aber wurde er beachtet, seine jüngste, leisere Herrenkollektion überall gelobt.

Frage an den CEO: Wenn jetzt die Stores umgebaut werden, erhöhen sich dann auch die Preise? Bogliolo will weder bestätigen noch dementieren. "Ich rede nicht gern über Preise", sagt er. "Unser Produkt hat schon immer entsprechend seinem Material- und Handwerksanspruch gekostet. Es ist jetzt genau da, wo es sein soll."

Fakt ist, dass die Marke schon immer teurer war als andere Jeanslabels wie etwa Levi's. Während die Durchschnittshose dort 100 Euro kostet, sind es bei Diesel 170 Euro. Dass man sich bei der Modernisierung nun für ein ganzheitliches Premium-Konzept entschieden hat, liegt also nahe. Allerdings birgt das auch ein Risiko.

In den nächsten Jahren wird Diesel seine Geschäfte renovieren. Der New Yorker Flagship-Store auf der Madison Avenue war als Erstes dran, einer der nächsten wird der in München sein. (Foto: PR)

Wenn sich ein Luxusdesigner wie Saint Laurent neu aufstellt, dann ändert sich vielleicht der Kundenstamm, aber die Ansprüche an die Marke bleiben. Wenn eine Marke vom Mainstream ins Premium-Segment will, sollen Kunden mit neuen Ansprüchen dazukommen - was bedeutet, dass alte auf der Strecke bleiben werden. Eine Jeansmarke hat es da doppelt schwer, weil Denim in der Wahrnehmung vieler Menschen kein Produkt ist, das exorbitant viel kosten darf. Wahrscheinlich lautet Diesels radikalste Entscheidung deshalb auch, dass man sich von einigen Shops und Händlern, deren Standorte wohl nicht mehr cool genug sind, auch trennen wird. Ganz schön selbstbewusst.

Übrigens hat es Renzo Rosso schon einmal so gemacht, in den Achtzigerjahren, als seine Karottenhose "Saddle" zur meistverkauften und -kopierten Jeans überhaupt wurde. Das Image verwässerte. Rosso nahm das Modell, so verrückt das auch klingt, vom Markt. Seitdem macht er es mit jedem Produkt so, das sich "zu gut verkauft". Deshalb müsste jetzt eigentlich noch ein Modell verschwinden: die Jogg-Jeans. Eine Jogginghose mit aufgedruckter Jeanswaschung, die ohne viel Werbung zum Bestseller wurde und jetzt rauf und runter kopiert wird. Noch ist die Modernisierung aber ja auch nicht abgeschlossen.

© SZ vom 20.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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