Modedesigner:Das Beste zum Schluss

Manche winken, andere nicken kurz: Wie Designer am Ende ihrer Show auf den Laufsteg treten, verrät so einiges über ihre Persönlichkeit. Fünf Charaktertypen.

Von Dennis Braatz

Knapp zehn bis 15 Minuten dauert im Durchschnitt eine Modenschau. Den kürzesten Teil davon nimmt der Moment am Schluss ein, wenn der Designer hinaus auf den Laufsteg tritt. Das dauert zwar meist nur wenige Sekunden und ist doch ungeheuer wichtig. Einerseits, weil das Publikum mit seiner Reaktion, gemessen an Applaus-Lautstärke und Anzahl der hochgestreckten Handykameras, über Sieg oder Niederlage der Kollektion entscheidet. Andererseits, weil der Designer, ob er nun will oder nicht, auch immer eine ganze Menge über sich selbst preisgibt. Das fängt bei jenen an, die den Moment genüsslich auskosten, sich gern feiern lassen und das Rampenlicht lieben. Das andere Extrem sind Modemacher, die man so gut wie nie zu Gesicht bekommt, weil sie peinlichst genau auf ihre Privatsphäre achten.

Die Großmeister

Bitte alle mal in die Neunzigerjahre zurückdenken, wo ein Show-Finale schon mal länger dauern konnte als die Show selbst. Weil sich Männer wie Karl Lagerfeld (hektisch fächernd) oder Giorgio Armani zwischen Topmodels wie Claudia, Naomi, Cindy oder Christy bis zur Besinnungslosigkeit feiern ließen. Damals nannte man Designer aber auch noch Modeschöpfer. Sie durften irgendwas zwischen Künstler und Übermensch sein. Heute müssen sie Geschäftsmänner und -frauen sein. Das Übermaß an Egozentrik ist deshalb natürlich längst out. Mit zwei Ausnahmen: Lagerfeld und Armani. Wahrscheinlich, weil sie eben schon vor 25 Jahren ganz vorn mitgespielt haben. Lagerfeld (mittlerweile nicht mehr fächernd) lief zu seiner Demo für Chanel mit einer Armada Mädchen im Rücken auf. Armani versammelt noch regelmäßig alle Models um sich, allerdings nur fürs Foto, wenn schon alles vorbei ist. Das muss dann aber wenigstens vor den Augen der gerade gehenden Gäste geschossen werden. Botschaft: Schaut her, ich bin immer noch der King! Manche nennen das Effekthascherei. Allerdings sollte niemand vergessen, dass zu jeder guten Show auch ein Showeffekt gehört - und beiden sei er gegönnt: Sollen doch andere erst mal hinbekommen, was diese zwei Mode-Methusalems geschafft haben.

Die Zwei

Man muss sich Designer-Duos wie Ehepaare vorstellen. Sie streiten und sie lieben sich (manche sogar als echte Ehepaare). Tatsächlich sagen viele, dass sich der Moment, in dem eine Kollektion zum ersten Mal über den Laufsteg geschickt wird, ein wenig so anfühlt, wie wenn das eigene Kind die ersten Schritte macht. Sogar der Vergleich zu einer Geburt wurde schon mal gezogen. Das geht jetzt natürlich zu weit. Fakt aber ist, dass Duos am Ende einer Show viel häufiger emotional werden als einzelne Designer. Sie haben eben gemeinsam alle Auseinandersetzungen mit Investoren, Lieferanten und Nähpersonal überstanden. Das schweißt zusammen. Gut zu beobachten an Tommaso Aquilano und Roberto Rimondi, die immer Händchen halten. Die Zwillingsbrüder Dean und Dan Caten gehen Arm in Arm. Als im Februar Dolce & Gabbana (oben) ihre Alta-Moda-Kollektion in der Mailänder Scala zeigten, liefen bei Domenico vor lauter Standing Ovations die Tränen, Stefano kam als starke Schulter. Blöd nur, wenn man sich mal richtig verkracht. In New York gab es jüngst das Gerücht, dass es zwischen den Jungs von Proenza Schouler nicht mehr gut läuft. Glücklich sahen sie jedenfalls nicht aus.

Die mit den Blumen

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(Foto: N/A)

Natürlich sieht dieses Bild ein bisschen so aus, als ob der Blumarine-Designerin Anna Molinari gerade ein Blumenstrauß aus dem Publikum zugeworfen wurde wie beim Eiskunstlauf. Stimmt aber natürlich nicht. Sie kommt so jedes Mal bereits auf den Laufsteg. Dahinter steckt ausnahmsweise keine PR-Inszenierung, sondern eine alte Tradition: Früher war der letzte Show-Look das Brautkleid, und das Model trug ein passendes Bouquet dazu. Nun interessiert sich heute in der hohen Mode niemand mehr fürs Heiraten, aber immer noch für Blumen. Nicht nur bei Molinari, die sich mit ihren zuckrig-zarten Kleidchen gern in eine bessere Welt träumt, spielt der Strauß eine wichtige Rolle, sondern auch bei Vivienne Westwood. Sie bekommt ihn oft von einem Model oder ihrem Mann überreicht. Westwood steht seit Jahren radikal und rotzfrech für den Umweltschutz ein. Beiden Frauen geht es letztlich um dasselbe: das kleine bisschen Frieden, wofür Blumen in der Mode ein Symbol sind. Darüber hinaus lässt es sich an so einem Strauß aber natürlich auch prima festhalten, wenn man vor Aufregung mal wieder nicht weiß, wohin mit den Händen. Auch Stardesignerinnen kennen dieses Problem.

Die Verbeuger

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(Foto: N/A)

Der Vorteil der derzeit populärsten Pose überhaupt ist, dass sie wohl das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet: Wer als Designer so schnell wie möglich wieder verschwinden möchte, macht am Anfang des Laufstegs einen schnellen Ausfallschritt Richtung Publikum, gefolgt von einem hastigen Einkehrschwung. So wirkt es, als würde er sich gleichzeitig dezent verbeugen. Tomas Maier bei Bottega Veneta macht das gern, Consuelo Castiglioni bei Marni auch, Miuccia Prada (oben) ab und zu, manchmal sogar mit nach oben flippendem Bein. Diese Körperhaltung trifft wie keine andere den aktuellen Zeitgeist. Nicht nur, weil Designer immer öffentlichkeitsscheuer werden und Bescheidenheit sympathisch rüberkommt, sondern auch, weil die Zahl der Schauen während einer Modewoche rasant steigt. Es gibt nichts Peinlicheres als das Bild eines Designers, der noch auf dem Laufsteg unterwegs ist, während seine Gäste längst nach draußen hetzen, aus Angst, den Folgetermin zu verpassen. Bei Gucci und Louis Vuitton war das zuletzt so. Also, lieber klein machen! Das schützt auch vor Instagram-Paparazzi, die einfach immer und überall die Kamera drauf halten müssen.

Die Unsichtbaren

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(Foto: N/A)

Wenn ein paar Hundert Leute nach einer Show eine kahle Wand beklatschen müssen, weil weit und breit kein Designer auftritt, dann ist das natürlich eine völlig idiotische Szene. Wenn der Designer diese Szene aber ein Stockwerk über den Leuten auf einem Bildschirm beobachtet, dann ist das arrogant. Derzeit kommt so etwas häufiger vor. Der prominenteste Vertreter der Mode-Phantome heißt Hedi Slimane. Seit seinem Amtsantritt bei Saint Laurent 2012 hat er kaum Interviews gegeben. Vors Publikum nach einer Show tritt er auch nicht. Das hilft ihm, keine Frage, bei der Legendenbildung: Er macht sich begehrlich, nach dem Prinzip der künstlichen Verknappung (kennt man sonst nur von Hermès-Taschen). Bei John Galliano sieht man dagegen ganz gut, dass das Spiel auch nach hinten losgehen kann. Nach seinem Debüt für Maison Martin Margiela zeigte er sich eine Sekunde lang. Seitdem hält er sich versteckt. Vielleicht, weil der Gründer des gleichnamigen Hauses das bekannteste Mode-Phantom überhaupt ist? In Wahrheit will Galliano immer noch Gras über die Sache mit seinen antisemitischen Äußerungen wachsen lassen. Arroganz kann sich eben nicht jeder leisten.

Zum ersten Mal überhaupt hat Marc Jacobs 2007 den Auftritt und den Abgang eines Designers thematisiert - indem er die Dramaturgie seiner Show einfach umdrehte: Er, der übrigens das Rampenlicht wie kaum ein anderer liebt, kam zuerst auf den Laufsteg, tat so, als hätte er die beste Kollektion seines Lebens abgeliefert und ließ erst danach die Models laufen. Das war natürlich ein ziemlicher Coup, selbst auf lange Sicht: Seitdem beschäftigen sich nämlich auch Modetheoretiker und Kritiker wie Vanessa Friedman und Suzy Menkes immer wieder mit der Art und Weise, wie sich ein Modedesigner beim großen Finale gibt. Wir haben die aktuell fünf wichtigsten Typen zusammengefasst.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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