Lokaltermin:Rocket & Basil

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Restaurantkritiker empfehlen nur höchst ungern ihre Lieblingslokale weiter. Der Grund dafür ist natürlich oft purer Eigennutz. Aber Harriet Köhler hat eine Ausnahme gemacht.

Restaurantkritiker empfehlen nur höchst ungern ihre Lieblingslokale weiter. Der Grund dafür ist natürlich oft purer Eigennutz, schließlich möchten sie dort selbst in Zukunft noch einen Tisch bekommen. In dieser Woche macht Harriet Köhler allerdings eine Ausnahme. Einfach weil sie fand: Die abwechslungsreiche, orientalisch inspirierte Küche, die im schlichten Berliner Tagescafé Rocket + Basil jeden Mittag aufgetischt wird, ist so fantastisch, dass man sie niemandem vorenthalten darf.

Mit uns Restaurantkritikern ist es in der Regel so: Wir schimpfen und schwärmen. Wir raten ab und empfehlen. Wir sind so traurig über unverschuldete Misserfolge wie über unverdiente Erfolge und freuen uns umso mehr für jeden wirklich guten Koch, der breite Aufmerksamkeit erhält. Eines jedoch tun wir eher selten: über die Restaurants schreiben, in die wir am liebsten gehen. Das hat vor allem etwas damit zu tun, dass es unlauter wäre, Gastronomen zu hypen, die einem nahestehen. Und damit, dass diese Lokale nicht automatisch spektakulär genug für große Jubelarien sind. Aber manchmal geht es natürlich auch schlicht um die schnöde Angst, dass man dann selbst keinen Platz mehr dort bekommt.

Das "Rocket & Basil" gehört eigentlich zur letzten Kategorie - es vergehen kaum je zwei Wochen, in denen man mich dort nicht beim Mittagessen trifft. Trotzdem will ich es heute empfehlen, denn nirgenwo sonst in der sturzgentrifizierten Gegend um die Potsdamer Straße, wo abends zwar allerlei Glitzergastronomie öffnet, man tagsüber zwischen angesagten Galerien und schmuddeligen Imbissen aber nur wenig findet, wofür es sich lohnen würde, vom Schreibtisch aufzustehen - nirgendwo sonst als dort gibt es nichts weniger als den perfekten Mittagstisch: abwechslungsreich, aber nicht beliebig. Gemüseverliebt, aber nicht freudlos oder fade. Geschmacklich überraschend und belebend, aber nicht gewollt.

Die beiden Chefinnen, die Schwestern Sophie und Xenia von Oswald, entstammen dem Umfeld der "Markthalle Neun" und haben iranische Wurzeln, und diese Mischung spiegelt sich in Interieur wie Küchenstil, wo sich Orient und Moderne aufs Schönste mischen.

Zum Beispiel in der Süßkartoffelsuppe, der ein feuriger Klacks Harissa, reichlich Olivenöl und zerkrümelter, schmelzender Feta jede Cremesuppenbräsigkeit nehmen (7,50 Euro). Oder in den Schmorgerichten, wie sie zumindest jetzt im Winter fast immer auf der Karte stehen. Da wäre etwa das "Khoresh-e Fesenjān", ein Hähnchenragout mit süßsäuerlicher Walnuss-Granatapfelsauce, das so zart ist, dass das Fleisch vom Knochen fällt. Oder das langsam gegarte, saftige Rindfleisch mit gelben Spalterbsen, nach persischer Art mit getrockneter Limette gewürzt. Dazu gibt es eine Hand voll Grünzeug, goldbraun gebackenen Safranreis und "Mast-o-Khiar", eine kräuterwürzige Joghurtsauce - besser kann man 15 Euro kaum anlegen. Toll sind auch die Sandwiches, das "Toasted Cheese Sandwich" zum Beispiel, bei dem gereifter Cheddar, milder Brie, persische Pickles und gebratene Trauben schmelzend in saftig-schwerem Weißbrot versinken. Oder das gigantisch portionierte "Meatball Sandwich", ein knuspriger Sauerteigfladen, der mit saftigen Fleischkugeln, aromatischer Tomaten-Safran-Sauce, etwas Knoblauchmayonnaise, Spinat und Rucola und geriebenem Halloumi fast bis zum Bersten gefüllt ist (12 Euro).

Mir sind diese Herrlichkeiten eigentlich fast immer zuviel, und wer nachmittags noch etwas vorhat, für den habe ich einen Tipp: Den Salatteller nämlich. Den gibt es immer, wahlweise in klein oder groß (7,50 und 10,50 Euro), auf Wunsch mit mariniertem Feta oder Piri-Piri-Hähnchen. Klingt langweilig, ist es aber nie, denn die Bestandteile wechseln ständig: Jetzt im Winter bekommt man zum Beispiel einmal kräftig gerösteten Spitzkohl neben einer Handvoll Graupen und würzigem Süßkartoffelpüree, dazu Blattsalate und ein paar geröstete Körner. Und in der Woche darauf dann gebackene Rote-Beete-Viertel und frisch schmeckende Favabohnenpaste, dazu Fenchel-Orangen-Salat, eine Wildreismischung und knuspernde Kichererbsen. Das ist ein Salat, der einen auch bei Minusgraden wärmt, der nährt, aber nicht überfüllt - und der mich immer wieder aufs Neue so glücklich macht, dass ich mich schon morgens auf das freue, womit mich das Rocket + Basil später überraschen wird. Ja, es kommt sogar vor, dass ich bereits beim Frühstückskaffee überlege, was es wohl zum Nachtisch gibt - den außen knusprigen, innen schmelzenden Halwa-Tahin-Brownie? Oder vielleicht doch die Schnitte aus Dattelkaramell, Mandel-Hafer-Kokos und cremiger Schokolade?

Wer dieses überaus sympathische kleine Lokal demnächst also einmal ausprobiert (am besten wochentags - am Wochenende ist es dort leider schrecklich lärmig) und dort eine kleine, hungrig dreinschauende Restaurantkritikerin entdeckt, die verzweifelt ist, weil es keinen freien Tisch mehr gibt: Haben Sie bitte Mitleid, ein kleines Eckchen am Tisch genügt mir.

© SZ vom 29.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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