Handy-Fake:Gefühlt abhängig

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Handy aus Holz: das "Woodphone" von Stefan Schwander (Foto: PR)

Smartphone vergessen - das löst blanke Panik aus. Aber warum eigentlich? Wie man mit einem Holzhandy unsere Gewohnheiten in Frage stellen kann.

Von Anne Backhaus

Wie bescheuert so manche alltägliche Gewohnheit ist, merkt man oft erst, wenn sie nicht mehr da ist. Trennt man sich zum Beispiel von einem streitlustigen Partner, kann ein Abendessen ohne Grundsatzdiskussion durchaus eine erfrischende Leerstelle sein. Gleiches gilt etwa für das Fußgefühl nach dem Ausziehen zu enger Schuhe. Oder man hört mit dem Rauchen auf und kann endlich wieder so richtig durchatmen. Wer nun eine super Beziehung, orthopädisch korrektes Schuhwerk und eine gesunde Lebensweise pflegt, kann die Gewohnheitsfalle wohl am ehesten nachvollziehen, sobald er sein Handy zu Hause vergisst und nach einem kurzen Moment der Panik plötzlich mit erhobenem Haupt an der Bushaltestelle steht. Das vermutlich recht unbemerkt, denn alle anderen starren ja wie gewohnt mit gesenktem Nacken auf ihr Telefon.

Eigentlich weiß man das natürlich schon lange, aber das beschämende Ausmaß des Handykonsums wird einem doch erst bewusst, wenn man grad mal nicht mitmachen kann. Eine britische Hochschulstudie fand kürzlich heraus, dass wir sogar doppelt so oft unser Smartphone in der Hand haben, wie wir es selber denken. Fünf Stunden im Tagesschnitt.

Die Form ist gleich, nur eben komplett sinnlos

Ähnlich dumm fühlt man sich nur, wenn man plötzlich ein Handy aus Holz vor sich hat, das sich zwar wie ein echtes anfühlt, aber überhaupt nichts kann. So eines hat der Möbelbauer Stefan Schwander entwickelt. Ihn interessiert außer dem permanenten Displaygestarre jedoch vor allem das Fühlen. "Das Telefon ist inzwischen so wichtig geworden, dass sogar seine Form vergöttert wird, ohne dass es noch jemandem auffällt", sagt der Düsseldorfer Designer. "Ich habe mich gefragt, was passiert, wenn die Form bleibt, aber komplett sinnlos ist." Um das auszuprobieren, entwarf Schwander kurzerhand ein Holzhandy in Form des iPhone 4.

Die leicht polierte mitteldichte Holzfaserplatte liegt erstaunlich gut in der Hand und fühlt sich tatsächlich an wie das Mobiltelefon. So sehr sogar, dass man sich dabei ertappt, gewohnheitsmäßig mit dem Daumen über das blanke Stück Pressholz zu wischen, auf den Display-Aus-Kopf drücken zu wollen und es danach vorsichtig abzulegen. Eben wirklich so, als wäre es ein Smartphone.

"Aus einer zutiefst reduzierten Form kann man erstaunlich gut auf ein Produkt schließen und es so viel mehr infrage stellen", sagt der Designer. Im Fall des Holzhandys trifft das fast mehr zu, als es einem lieb ist. Die eigenen Smartphone-Handbewegungen sind derartig automatisiert, das es sich irgendwie nicht nach einer guten Gewohnheit anfühlt. Schwander fand diesen erschreckenden Moment so spannend, dass er schließlich eine ganze Serie künstlerischer Holzfaserplatten-Objekte geschaffen hat. Teil der Reihe, die er auf seiner Seite samplesinwood.de anbietet, sind neben dem "Woodphone" nun allerlei hölzerne Alltagsdinge.

Schwander fertigt Kreditkarten, Stifte und Parfumflakons an, die man von drei Euro an bestellen und niemals benutzen kann. Wer die handschmeichelnden Nachbildungen in Händen hält, drückt unvermeidlich wie ein dressiertes Äffchen auf den starren Sprühkopf des Flakons, will die Holzkreditkarte sicherheitshalber im Portemonnaie verstauen und bewegt den Stift ohne Mine, wie man es nun mal mit einem echten tun würde.

Besser kann man Menschen kaum erlebbar machen, welchen Stellenwert manche Produkte in ihrem Leben eingenommen haben. Haptisches Design ist nicht ohne Grund Teil des Marketings. Denn nicht allzu selten entscheidet unser Tastsinn, was wir haben wollen und ob sich eine Marke dauerhaft am Markt etabliert. Fühlbare Waren- und Verpackungseigenschaften können bei der Kaufentscheidung durchaus so wichtig sein, wie die Optik oder auch der eigentliche Nutzen eines Produkts. Im für Unternehmen besten Fall fühlen sich Konsumgüter nämlich so gut an, dass man aus Gewohnheit wieder danach greift. Ohne darüber nachzudenken. Manchmal gilt das nur leider auch für die schönen, engen Schuhe. Ungesunde Zigaretten. Oder Ex-Freunde.

© SZ vom 05.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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