Gartenmöbel:Auf dem Schirm

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Schattenprofis: Eine bayerischer Familienbetrieb beschäftigt sich seit fast einem halben Jahrhundert mit stabilem Sonnenschutz.

Von Max Scharnigg

Stefanie Weishäupl-Ehrl ist sauer, und schuld ist das Wetter in sieben Stunden. Erhebliches Gewitterrisiko sagt die Vorschau für den Abend, an dem doch auf einer Terrasse am Tegernsee Gartenmöbel fotografiert werden sollten. Fotograf, Stylist und die Models - neue Beistelltische - stehen bereit, die Zeit drängt, aber mit dunklen Wolken wird das nix. So was kann passieren, wenn es zur Hausregel gehört, dass die eigenen Produkte an ehrlichen Orten fotografiert werden sollen, nicht an irgendwelchen Traumstränden mit weißem Sandstrand. "Das wären nicht wir", sagt Weishäupl-Ehrl. Sie wird diesen Satz in den nächsten Stunden noch häufiger sagen, während sie erklärt, wie die Werkstätten funktionieren, die ihr Vater hier bei Rosenheim vor 47 Jahren gegründet hat.

Dieser Oskar F. Weishäupl ist, so sagen es alle, ein Tüftler und Bonvivant. Als solcher kam er eines Tages Anfang der Siebzigerjahre von einer Italienreise mit der Idee zurück, einen Sonnenschirm zu bauen. Einen Schirm, wie er auf den italienischen Wochenmärkten seit Jahrhunderten im Gebrauch ist: groß, hölzern, ehrlich. Mit stabilem Flaschenzug zum Spannen und einem freundlichen Charakter. In seiner kleinen Firma hatte Weishäupl bis dahin mit modernen Holzmöbeln experimentiert, aber auch Bauernschränke gebaut. Erst die Idee vom Schirm stieß die Tür auf nach draußen, und zwar weit. Denn der alte, aber auf dem deutschen Markt damals eben doch neue Schirm, war von Beginn ein Erfolg - als gewichtiges Gegenstück zu den schnöden Strandschirmen mit strichdünnen Gelenken und schnell rissiger Bespannung.

Stellt alles in den Schatten: der klassische Weishäupl, hier in der Farbe Multicolor. (Foto: Ulli Seer)

In Stephanskirchen werden auch die alten Modelle repariert, die schon viele Sommer erlebt haben

Schon allein der Preis des Weishäupl-Schirms signalisierte, dass es sich hier nicht um ein saisonales Wegwerfprodukt handelte, sondern um ein Stück fürs Leben. Das Genre Outdoor gab es zu dieser Zeit für den Möbelbereich eigentlich noch gar nicht, auch deshalb kam der schnelle Erfolg überraschend. Bis heute sorgen die Nachfahren des Ur-Schirms immer noch für die Hälfte des Umsatzes des Familienunternehmens, das rund um den Schirm noch eine zeitlose Kollektion an Gartenmöbeln gruppiert hat.

In der kleinen Produktionshalle in Stephanskirchen stehen auch an diesem Tag Schirme aus der frühen Weishäupl-Epoche. Nicht in einer Vitrine, sondern einfach so in der Ecke für Reparaturen. Ramponierte Hünen sind das, auf denen schon viele Sommer ihre Spuren hinterlassen haben, das Holz in dunkler Patina verwittert und die Bespannung von Wind, Wasser und Taubendreck erodiert. "Wir reparieren jeden Schirm von uns, egal wie alt. Denn so ein Schirm, der seit Jahrzehnten auf der Terrasse steht, ist für viele Kunden ja fast ein richtiger Mitbewohner", sagt Philipp Weishäupl. Gemeinsam mit seiner Schwester hat er das Unternehmen übernommen und kümmert sich heute vor allem um die Produktion. Das Alter des Schirms, den er nun mit zwei Händen anhebt, schätzt er auf 30 Jahre, er hat noch die dunkelgrüne Baumwollbespannung. Als er hier an den Werktischen gebaut wurde, spielte Philipp mit seiner Schwester wahrscheinlich gerade in den Gängen voller Stoffbahnen und vorbereiteter Eschenholzstiele.

Angefertigt werden die Schirme seit 47 Jahren in der Nähe von Rosenheim. (Foto: Ulli Seer)

Funktion steht bei den Anschaffungen für draußen immer vor Design

Reine Baumwolle spannen sie heute übrigens kaum mehr, stattdessen kommt ein modernes Acrylgewebe zum Zug, das nicht ausbleicht, vor Wasser und UV-Strahlung schützt und auch mittlere Gewaltanwendung nicht übel nimmt, sei es von oben oder unten. Stiele und Streben sind dabei immer noch aus Eschenholz aus der Region, wie schon beim Vater, Teak und Edelstahl-Ausführungen gibt es mittlerweile auch. "Die Kunden fragen bei unseren Produkten als Erstes: Was kann das? Funktion steht bei den Anschaffungen für draußen immer vor dem Design. Die Sachen sollen am besten ohne Pflege alles aushalten, und das ewig", sagt Philipp Weishäupl. Und weil es leichter ist, die Produkte an die Wünsche der Menschen anzupassen als umgekehrt, bauen sie ihre Schirme, aber auch die Bänke, Liegen und Tische, die inzwischen dazugekommen sind, immer mit der Nachlässigkeit der Kunden im Hinterkopf - und in Gedanken an jahrelange unsanfte Behandlung zwischen Garage, Schuppen und Gewittersturm. "Klar, so ein heftiger Fallwind ist immer noch der natürliche Feind jedes Schirms", sagt Weishäupl und zeigt oben an der Spitze eine Lufthaube, die ihn weniger anfällig für Sturmböen macht. Bei Schirm-Spannweiten bis über fünf Meter ist die Physik trotzdem auf der Seite des Unwetters.

Ein andere Gefahrenquelle, die Weishäupl bei Sonnenschirm-Neulingen beobachtet, ist die Bodenplatte, die würde oft unterschätzt. "Wie empfehlen ab 50 Kilo aufwärts", sagt er und zeigt eine der Edelstahlplatten, die sie seit einigen Jahren neben Beton und Granit dafür im Angebot haben. "Richtig viel Stahl ist das und deshalb sehr teuer, aber die läuft in den letzten Jahren erstaunlich gut", wundert sich der junge Chef. Tatsächlich kostet der schlichte Bodenanker fast noch mal so viel wie der Schirm selbst.

Handarbeit: Der Multicolor-Schirm in der Fertigung. (Foto: Ulli Seer)

Die Lust, den Garten aufzumöbeln und zu einer stilvollen Erweiterung des Wohnzimmers zu machen, hat der Branche in den vergangenen Jahren beträchtliche Umsatzgewinne beschert. Was man schon daran sieht, dass viele der vornehmen Indoor-Einrichter gerade mit Entwürfen für den Garten und die Terrasse auf die Messe drängen. Als reine Draußen-Ausstatter kann das Familienunternehmen Weishäupl die Gartenlust in ihren Auftragsbüchern ebenfalls ablesen, genau übrigens wie die Qualität eines Sommers.

Die neue Gartenlust können sie in ihren Auftragsbüchern ablesen. Und die Qualität des Sommers

"2003 kamen wir an unsere Belastungsgrenze", erinnert sich Stefanie Weishäupl, die lange Trockenperiode und ein erfolgreiches neues Schirmdekor "Multicolor" brachten die Schattenprofis damals ins Schwitzen. Neue Mitarbeiter werden seitdem darauf vorbereitet, dass es von Juli bis Oktober nur ausnahmsweise Urlaub gibt. Mit ein paar Dutzend Farb-, Größen- und Materialvariationen sind die Schirme nämlich nicht ökonomisch auf Lager zu fertigen, jeder einzelne wird nach Bestellung produziert und ausgeliefert. Schirm auf Bestellung, das kann nur ein kleiner Betrieb bieten. Während die Weishäupls das erzählen, nicken sie mit dem Kopf ein bisschen verschwörerisch nach Süden. Dort steht, hundert Meter Luftlinie, ein Baumarkt, in dem die Sonnenschirme ein Zehntel des Manufakturpreises kosten.

Stefanie Weishäupl-Ehrl schaut in den Zettelkasten, in dem die Bestellungen liegen. Die beiden Arbeiter an der Werkbank lauern auf das Gesicht der Chefin, bis sie die Kennziffern der Bestellung gedeutet hat - "Oha, 40 Schirme auf einmal. Und das wird was ganz Edles." Denn die 40 Schirme sind mit hellen Holzstangen und schwarzer Bespannung geordert, für ein Hotel in Südtirol. Schwarz und helles Holz, das ist bei Designhotels und Restaurants eine beliebte Ausführung, während sich die Privatleute das oft nicht so recht trauen. "Die bestellen dann lieber Taupe, dabei ist Schwarz eigentlich superschick", sagt die Chefin. Für viele Top-Hotels ist eine Armada aus Weishäupls auf der Terrasse heute schon fast ein Statussymbol. In Schloss Elmau etwa, stehen sie genauso wie vor der italienischen Hipster-Markthalle Eataly - angesichts der Wochenmarkt-Legende des Vaters eine besondere Ehre.

Einen Gang weiter in der kleinen Produktionshalle bauen Schreiner Bänke und Kommoden aus Teakholz. Für das Holz fliegt Philipp Weishäupl jedes Jahr nach Indonesien. "Teak hat die besten Eigenschaften für draußen, deswegen haben wir uns früh dafür entschieden. Die Indonesier verstehen nur nicht, wieso wir die Tische und Bänke nicht gleich bei ihnen bauen lassen, so wie alle anderen." Er lächelt verlegen und bittet lieber noch schnell in die Näherei, wo fünf Frauen an schweren Industrienähmaschinen sitzen und in einer geübten Choreografie aus den zugeschnittenen Stoffteilen die Schirmdächer nähen. Neun Quadratmeter Stoff hat ein Schirm mit drei Meter Durchmesser, und die Schneiderinnen haben vom Wuchten des schweren Materials Muskeln, auf die jeder Sportler stolz wäre. 350 Schirme schaffen sie hier in der Woche. Zeit zum Verschnaufen gibt's dann im Winter wieder.

© SZ vom 23.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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