Farbwechsel:Schwarzmarkt

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Vintage-Kleidung sammeln und nach Japan schicken, wo sie dunkel eingefärbt wird: Mit dieser Methode ist das Münchner Label Blackyoto international erfolgreich.

Von Silke Wichert

Der Zoll in München war irritiert. Zum wiederholten Male wurde eine Ladung alter, teilweise kaputter oder sogar schmutziger Kleidung nach Japan geschickt. Das allein war schon irgendwie verdächtig. Doch jeweils gut einen Monat später kam eine ähnlich große Menge Kleider aus Kyoto an den gleichen Absender zurück - diesmal komplett schwarz. Reinstes, frischestes Schwarz, eingepackt in feines Seidenpapier. Neuware! Also voll zollpflichtig. "Es dauerte eine Weile, bis wir ihnen erklärt hatten, dass die Kleidung dort lediglich veredelt wird - und die Ware danach zwar nicht mehr so aussieht, aber auf dem Papier noch immer dieselbe ist", erzählt Jeremy McAlpine, Gründer des Labels Blackyoto.

Mittlerweile läuft die Achse München-Kyoto reibungslos und ist in regem Betrieb. Denn was die vor gut zwei Jahren in München gegründete Marke vertreibt, ist mittlerweile in den besten Boutiquen der Welt gefragt: hochwertige Vintage-Kleidung, die jedoch ausnahmslos schwarz gefärbt wurde - und plötzlich erstaunlich modern daherkommt. Die Pumphose mit Spitzendetail, eigentlich eine mehr als hundert Jahre alte lange Unterhose, getragen von bayerischen Bäuerinnen, verkauft sich beispielsweise besonders gut in Los Angeles und bei Opening Ceremony in New York. Auch die Schauspielerin Chloé Sevigny ist bereits Kundin. Oder der ehemalige "Alpini"-Schneeparka der italienischen Armee, ursprünglich zur Tarnung komplett Weiß: In Asien war er sofort ausverkauft.

Vorsicht, zerbrechlich: ein mit Glasperlen durchzogenes antikes Abendkleid aus Seidentüll. (Foto: Jens Schwarz)

"Schwarz ist nicht gleich Schwarz", sagt McAlpine. "Es gibt hundert verschiedene Schattierungen. Je nachdem, wie viel Licht der Stoff noch reflektiert, sieht er vollkommen anders aus." Eine schwarze Jacke von Comme des Garçons beispielsweise hat eine ganz andere Tiefe als die eines schwarzen 10-Euro-T-Shirts.

Bei Blackyoto geht es um das ultimative Schwarz, den zeitlosesten, den "ewigen" Ton, wie ihn die Japaner auch nennen. Deshalb arbeiten McAlpine und seine japanische Produktmanagerin Miho Den mit Kyoto Montsuki zusammen, einer der ältesten Färbereien Japans. Dort wird noch mit der traditionellen Shinkuro-Technik gearbeitet, auch die schwarzen Kimonos, die der japanische Kaiser Akihito bei seiner Krönungszeremonie getragen hat, sind 1990 bei Montsuki veredelt worden.

Jedes Stück wird zweimal gefärbt, erst bei extrem heißer Temperatur, danach wird die Farbe gewissermaßen versiegelt. Übliche Färbungen erreichen lediglich die Oberfläche, im Shinkuro wird jede einzelne Faser durchtränkt. Danach liegen die Kleider tagelang auf dem Dach von Montsuki im Freien zum Trocknen. Am Ende fühle sich der Stoff sogar weicher, edler an als vorher, sagt McAlpine, weil keine Chemikalien, sondern lediglich natürliche Pflanzenextrakte verwendet werden. Obendrein ist Shinkuro im Gegensatz zu vielen anderen Methoden also absolut umweltfreundlich.

Das Teil

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(Foto: Jens Schwarz)

Blusenwunder: Gerade noch eingestaubt im Neuen Schloss Baden-Baden, nun schon bald auf dem Weg in eine Boutique in New York oder Moskau. Hochwertige, ausnahmslos in Schwarz gefärbte Vintage-Kleidung ist das Markenzeichen von Blackyoto. Foto: Jens Schwarz

Jeremy McAlpine wurde in London geboren, lebt jedoch bereits seit Mitte der Neunzigerjahre in Deutschland. Er hat mit Paul Smith zusammengearbeitet, war Sales-Manager des Designers Kostas Murkudis. Schon damals verliebte sich McAlpine in die japanische Kultur, weil Murkudis dort seine ersten Retailpartner hatte.

Irgendwann gründete McAlpine seine eigene Agentur und entwickelte unter anderem die globale Launch-Strategie von Y3, der Avantgarde-Linie des japanischen Designers Yohji Yamamoto für Adidas. Die McAlpine Consulting in einem Gartenhaus mitten in Schwabing führt er noch immer. Der Showroom mit den weißgestrichenen Dielen ist jetzt allerdings sichtbar von seinem neuen Projekt eingenommen worden. Überall hängen: pechschwarze Sachen. In einem Nebenzimmer ist der "Vorher-Raum": Hier warten die neu eingetroffenen, noch nicht veredelten Teile darauf, katalogisiert und verschickt zu werden. Trenchcoats von Burberry, alte, mit Flecken übersäte Armee-Unterwäsche, Slipkleider mit handgemachten Spitzenträgern, seitlich geschlitzte Pumphosen. Später werden die Pumphosen um die 360 Euro kosten, Blusen sind meist erst ab 1500 Euro zu haben.

McAlpine arbeitet mit verschiedenen Antiquitäten-Händlern zusammen, die ihn kontaktieren, wenn sie auf etwas Interessantes stoßen. Deshalb sei Deutschland, vor allem Bayern, für ihn der perfekte Standort. Hier nämlich lagern noch überall Schätze in den alten Bauernschränken, von den Großmüttern aufbewahrt, von den Enkeln verschmäht und noch bezahlbar im Vergleich zu Frankreich, wo der Markt für Vintage-Kleidung mittlerweile wie leergefegt und hoffnungslos überteuert ist. Außerdem waren die Alpenländler immer schon kräftig und hochgewachsen, während alte Sachen aus anderen Gebieten häufig viel zu klein für heutige Staturen sind.

Die Gründer

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(Foto: N/A)

Vor zwei Jahren haben sich Jeremy McAlpine und Miho Den, hier in ihrem Showroom in München-Schwabing, mit ihrer Marke selbständig gemacht. "Schwarz ist nicht gleich Schwarz", sagt McAlpine. "Es gibt hundert verschiedene Schattierungen." Foto: Jens Schwarz

Anfang des Jahres bekam McAlpine einen besonders interessanten Anruf. Ein Händler hatte sich den Inhalt der Schränke aus dem Neuen Schloss Baden-Baden gesichert, das zu einem Hyatt-Luxushotel umgebaut werden soll. "Mehrere Hundert Teile, fast alle in absolut fantastischem Zustand", erzählt McAlpine. Ein Seidencrepekleid mit Chiffon-Schleppe aus dem späten neunzehnten Jahrhundert, hauchzarte Seidenblusen mit Stickereien, Abendkleider, Mieder - ganze Garderoben, die hier ein halbes Jahrhundert schlummerten.

Im Juli kamen die ersten Sachen aus Kyoto zurück, kaum wiederzuerkennen. Dover Street Market, so etwas wie die höchste Instanz unter den Designer-Boutiquen, kaufte sofort Teile der "Baden-Baden-Kollektion". Auch L'Eclaireur in Paris und Maxfield in Los Angeles führen einige der einzigartigen Stücke. "Diese Kleider haben nicht nur eine besondere Geschichte, sie werden heute auch einfach nicht mehr so gefertigt", sagt McAlpine. "Sie wären schlicht unbezahlbar."

Mittlerweile experimentiert Blackyoto auch mit neueren Vintage-Teilen, etwa Jacken und Shirts, die nicht mehr zu hundert Prozent aus Baumwolle gefertigt sind und die Farbe deshalb nicht überall gleich annehmen, was interessante Effekte erzeugt. Man sieht dann sofort: Schwarz ist wirklich nicht gleich Schwarz. Davon abgesehen geht Schwarz natürlich immer. Jeremy McAlpine denkt deshalb auch gar nicht daran, irgendwann andere Farben auszuprobieren. "Wäre auch schwierig mit dem Markennamen", sagt er grinsend und streicht sich ein Haar von der Jacke. Überflüssig zu erwähnen, welche Farbe die hat.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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