Dem Geheimnis auf der Spur:Wo ist D. B. Cooper?

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Der mysteriöse Flugzeugentführer sprang 1972 mit seiner Beute aus einer fliegenden Boeing - und wurde danach nie mehr gesehen.

Von Bernd Graff

Man weiß wenig über D. B. Cooper. Sein Name klingt wie der eines Agenten aus Schundromanen. Doch hieß er überhaupt so? Man weiß es nicht. Unter diesem Namen hatte der Mann sich im November 1971 ein One-Way-Flugticket von Portland in Oregon nach Seattle im Bundesstaat Washington gekauft. Damals war es einfach, sich unter irgendeinem Namen ein Flugticket zu besorgen. Heute undenkbar. Cooper muss also gar nicht Cooper heißen.

Das einzige Bild, das von diesem mysteriösen Mann existiert, ist eine Skizze, die in Ermangelung einer echten Fotografie angefertigt wurde. Es ist ein Fahndungsbild des FBI und stammt aus dem Jahr 1972. Es zeigt einen akkurat gescheitelten Herrn mit schmalem Schlips und schmalen Lippen in einem Anzug aus den späten Sechzigern. Würde er damit bei der TV-Serie "Mad Men" durchs Bild laufen, er würde bestens hineinpassen. Ein Mad Man war er ja auch, ein Verrückter.

D. B. Cooper trat also seinen Flug an, orderte, kaum, dass die Boeing 727-051 der Fluggesellschaft Northwest Orient Airlines in der Luft war, bei der Stewardess einen Drink. Da hatte er schon eine erste Zigarette geraucht. Der Drink kommt, beim Bezahlen reicht der coole Cooper der Stewardess einen beschriebenen Notizzettel. Diese glaubt erst, Cooper wolle sie billig anmachen und ignoriert das Papier. Cooper inhaliert noch einmal und sagt dann sehr ruhig, sehr klar, sehr unmissverständlich: "Gnädige Frau, Sie schauen sich den Zettel am besten jetzt an. Ich habe eine Bombe."

Die Stewardess liest dann auch: "Ich habe eine Bombe in meiner Aktentasche. Falls nötig, werde ich von ihr Gebrauch machen. Ich möchte, dass Sie sich neben mich setzen. Das ist eine Entführung." Die Stewardess, eine Florence Schaffner, bittet darum, die Bombe zu sehen. Cooper öffnet seine Aktentasche, sie sieht Drähte und etwas, das an rote Dynamitstangen erinnert. Cooper ist ganz zufrieden mit der Wirkung, die seine Aktentasche hat, und fordert dann: 200 000 Dollar, vier Fallschirme: für sich, den Piloten, den Copiloten und Frau Schaffner, und Treibstoff für das Flugzeug. Denn, so der Plan, er übergibt am Zielflughafen die Mitpassagiere, nimmt dafür das Geld und hebt allein mit der Crew und den Fallschirmen wieder ab.

Die Boeing 727 verfügte über eine Heckklappe mit Gangway, für Coopers Coup entscheidend. (Foto: AP Photo)

Der Austausch findet auch wie von ihm geplant statt. Cooper gibt Anweisung, von Seattle Richtung Mexiko zu starten, das Flugzeug dürfe allerdings nicht höher als 3000 Meter steigen, nicht schneller als 200 Meilen fliegen und Landeklappen und Fahrwerke sollen die ganze Zeit ausgefahren bleiben - dann beordert er die Crew ins Cockpit.

Cooper ist nun allein im Passagierbereich. Er wickelt die 200 000 Dollar in einen der Fallschirme, schnallt sich selber einen um, raucht eine weitere Zigarette der Marke Raleigh, nippt noch einmal an seinem Bourbon. Und was danach passiert, ist nur möglich, weil die Boeing 727 bauartbedingt eine Heckklappe mit einer Gangway hat. Cooper begibt sich also ins Heck der Maschine, öffnet die Klappe, lässt die Gangway hinunter - und springt bei strömendem Regen und in tiefer Dunkelheit in die Geschichte der Flugzeugentführungen hinein. Ausgestattet mit 21 Pfund Bargeld. Und, natürlich, Anzug und Sonnenbrille. Die Krawatte hatte er an Bord zurückgelassen. Danach hat man nie wieder von ihm gehört. Der Cooper-Flug ist bis heute die einzige ungelöste Flugzeugentführung in den USA.

Nach der Landung mit heruntergelassener Treppe stellte man fest, dass dort ein Metallschild abgerissen war. Dieses fanden Jäger im Jahr 1978 in den Wäldern von Castle Rock, Washington. 1980 entdeckte ein Junge 5800 Dollar in fast verrotteten 20-Dollar-Scheinen am Ufer des Columbia River im Sand. Ob dort vergraben oder dorthin gespült, kann bis heute niemand sagen. Das Geld stammt definitiv aus Coopers Beute. Man hatte ihm fotografierte Scheine ausgehändigt, kannte also die Seriennummern seiner Banknoten. Der Rest der Beute wurde nie gefunden. Auch Cooper wurde weder lebend noch tot aufgespürt. Man nimmt an, dass er die vier Fallschirme geordert hatte, um sicherzugehen, dass man ihm funktionstüchtige Schirme übergab. Ob er seinen Sprung aber überlebte, ist ungewiss.

Dabei war das FBI äußerst scharf darauf, ihn oder irgendetwas von ihm ausfindig zu machen. Denn der Trick mit dem Absprung aus einer fliegenden 727 machte Schule. Nachahmer, darunter vielleicht auch mal wieder Cooper selber, hüpften solange mit Beutedollars von den Hintertreppen der Flugzeuge, bis man einen aerodynamischen Keil installierte: den nach dem Erstentführer benannten "Cooper Vane", der ein Herablassen der Treppe während des Fluges verhinderte.

Von D.B. Cooper gibt es nur diese Phantombilder des FBI. (Foto: AP Photo)

Einen dieser Nachahmer, einen Richard McCoy, überführte das FBI, weil er seine Fingerabdrücke auf einer Bordzeitschrift hinterlassen hatte - und nach seiner Landung im Springeranzug samt Beute nach Hause getrampt war. Ihn halten die Autoren eines 1991 erschienenen Buches für D. B. Cooper. Unter anderem deswegen, weil er auf die Frage, ob er Cooper sei, geantwortet hatte: "Darüber möchte ich nicht sprechen." McCoy wurde nach einem Ausbruch aus dem Gefängnis später erschossen. Man weiß also weiter nichts.

Was man aber weiß, ist, dass FBI Special Agent Dale Bartholomew Cooper demnächst wieder in den wolkenverhangenen Wäldern der Cascade Range in Washington ermitteln wird. Dieser D. B. Cooper ist der Protagonist von David Lynchs US-Fernsehserie "Twin Peaks" - er ist nach dem verschollenen Flugzeugentführer benannt. Dieser Special Agent dürfte nach 1990 und 1991 im Jahr 2016 in einer dritten, neunteiligen Staffel allerdings ganz anderen Mysterien auf der Spur sein.

© SZ vom 27.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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