Dem Geheimnis auf der Spur:Keine Männer im Mond

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Seit Jahrzehnten hält sich hartnäckig die These, dass die Mondlandung eine Fälschung war, im Studio inszeniert von Stanley Kubrick.

Von Sofia Glasl

Satelliten umkreisen Planeten wie Fake News belegbare Fakten. Weil der Mond von der Erde aus der nächstgelegene ist, hat er auch das größte Sammelsurium an Zuschreibungen, Mythen und Verschwörungstheorien angehäuft.

Ein Blick in die Literatur genügt: Münchhausen klettert an einer Bohnenranke hinauf, Jules Verne lässt den Vorsitzenden des Kanonenklubs von Baltimore mit einer überdimensionalen Kolumbiade hochschießen und Peterchen reist auf seiner Mondfahrt im Schlitten des Sandmännchens. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse wirken kaum ein auf bestehende Träumereien und Theorien.

Neben erkennbarer Science-Fiction flottiert auch einiger Weltraumschrott mit Wahrheitsanspruch im Gravitationsfeld des Mondes. So hält sich seit den Siebzigerjahren eisern die Theorie, die Bilder der ersten Mondlandung am 20. Juli 1969 seien gestellt und die Astronauten der Apollo 11-Mission nur im Filmstudio herumgehüpft. Der Wettlauf zum Mond gegen die sowjetische Raumfahrt sei so dringlich gewesen, dass die Nasa mit der CIA gemeinsame Sache machte und sich gegen ein Scheitern der Mission absicherte. Der damalige Chef-Verschwörungstheoretiker Bill Kaysing, bis 1963 in einer Zulieferfirma der Nasa, führt im Buch "We Never Went To The Moon" (1976) eine Vielzahl angeblicher Beweise an, die darauf hindeuten sollen, dass die Mondlandung nur ein groß angelegtes Regierungskomplott war. Die bekanntesten Argumente sind Indizien auf den Fotos und Bewegtbildern von der Liveübertragung aus dem All. Man sehe beispielsweise im schwarzen Hintergrund keine Sterne, die aufgestellte US-Flagge könne ohne Atmosphäre nicht flattern, oder die entstehenden Schatten von Raumsonde und Astronauten verliefen so durcheinander, dass man von mehreren Lichtquellen ausgehen müsse, also von Studioscheinwerfern.

Derlei fantastische Verschwörungsgeschichten weisen auf ein Sinndefizit hin

Erstaunlicherweise halten sich diese Argumente nicht nur seit fast 50 Jahren, sondern sie haben sich offenbar tiefer ins kollektive Gedächtnis eingebrannt als die wissenschaftliche Widerlegung. Oder hätten Sie sofort gewusst, dass Sterne nicht sichtbar sind, weil die durchschnittliche Belichtungszeit von Kameras zu kurz ist, um Sterne einzufangen; die Flagge eine Querstrebe hat und durch Erschütterung beim Aufstellen weiterschwingt und es jeweils mehrere Schatten geben müsste, wären Scheinwerfer verwendet worden? Eben. Bei über einen solch langen Zeitraum kolportierten Theorien merken sich die meisten Menschen nur den Mythos, die Fakten verblassen. Michael Butter, Professor für Amerikanistik an der Uni Tübingen, ist Experte für Verschwörungstheorien. Er weist darauf hin, dass derlei fantastische Geschichten immer ein Sinndefizit auffüllen. So ist es nicht verwunderlich, dass sich im Zuge des 11. September seit 2001 auch die Mondverschwörung wieder großer Beliebtheit erfreut.

Das Potenzial dieser Thesen ist unbestritten. Sonst hätte seit Kaysings Buch die Theorie, dass kein Geringerer als Stanley Kubrick die Mondlandung inszeniert habe, kein Eigenleben entwickelt. Eine Vielzahl an Dokumentar- und Spielfilmen macht diese Theorie zum Anlass wilder Spekulationen bis ins kleinste Detail. So sei das Science-Fiction-Epos "2001: Odyssee im Weltraum" von 1968, also kurz vor der ersten Mondlandung, lediglich eine Fingerübung für den Ernstfall gewesen. Dass Kubrick für seinen folgenden Film "Barry Lyndon", fast ausschließlich bei Kerzenschein gedreht, eine für die Nasa konstruierte Zeiss-Linse verwendete, um die schwache Beleuchtung zu kompensieren, beweise die Zusammenarbeit. Laut der Dokumentation "Room 237" von 2012 finden sich zudem in Kubricks "The Shining" (1980) viele Hinweise auf die inszenierte Mondmission - angefangen bei der Apollo-Rakete auf einem Pullover, der Hotelzimmernummer 237, die ein Verweis auf die Entfernung von 237 000 Meilen zwischen Erde und Mond sein soll, und dem Teppichmuster auf dem Hotelflur, das verblüffende Ähnlichkeit mit dem Muster der Apollo-Startrampe aufweist. Er war bekanntermaßen so detailversessen und perfektionistisch, dass ihm derlei versteckte Hinweise zuzutrauen seien.

Sarkastische Twitter-Kommentare halten dagegen: "Stanley Kubrick wurde engagiert, um die Mondlandung im Studio zu inszenieren, aber wegen seines Perfektionismus musste dann doch auf dem Mond gedreht werden." Fakt und Fiktion verschwimmen in diesem Wettstreit der Geschichten zu einem Erzähl-Perpetuum mobile. Ein gefundenes Fressen für den berüchtigten Verschwörungstheoretiker Alex Jones, der auf der Homepage Infowars und in seiner Radiosendung noch einen draufsetzt. So nimmt es nicht wunder, dass Donald Trump zu seinen Fans zählt und ihm im Interview zu seinem hervorragenden Ruf gratuliert hat. Wie Trumps kürzlich verlautbarte Ambitionen, zum Mond zurückzukehren, um eine Zwischenstation auf dem Weg zum Mars einzurichten, mit der in Jones' Show vertretenen These, die Nasa betreibe auf dem Mars einen Kindersklavenring, in Einklang zu bringen ist, muss die Zeit zeigen.

© SZ vom 02.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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