Dem Geheimnis auf der Spur:Die Auferstehung

Lesezeit: 3 min

Albrecht Altdorfer: "Die Auferstehung Christi". (Foto: SuperStock/mauritius images)

Dass Jesus von den Toten aufer­standen ist, gehört zu den Pfei­lern des christlichen Glau­bens. Doch der Vorgang selber wird in der Bibel nirgends beschrieben.

Von Gottfried Knapp

Dass Jesus am dritten Tag nach seiner Kreuzigung von den Toten auferstanden ist, gehört zu den Grundpfeilern des christlichen Glaubens. Doch der Vorgang der Auferstehung selber wird in der Bibel nirgends beschrieben. Alle vier Evangelisten schildern weitgehend übereinstimmend den Tod, die Kreuzabnahme und die Grablegung Christi. Doch in den direkt anschließenden Sätzen ist nicht, wie im christlichen Glaubensbekenntnis, von Auferstehung und Himmelfahrt die Rede, sondern von den Menschen, die am dritten Tag, also am Ostermorgen, das Grab besuchen wollen, doch entdecken müssen, dass der Grabstein beiseitegewälzt wurde und die Grabkammer leer ist. Bei Matthäus ist von einem Engel die Rede, der mit der Wucht eines Erdbebens vom Himmel herabkam und den Stein beiseitewälzte. Bei Markus begrüßt ein rätselhafter Jüngling im leeren Grab die herbeigeeilten Frauen. Jesus selber aber wird erst deutlich später an anderen Orten von Menschen gesehen, die ihn wiedererkennen.

Im Johannes-Evangelium ist Maria Magdalena die Erste, die dem Auferstandenen in der Nähe der Grabstätte begegnet. Sie hält ihn zunächst für den Gärtner, doch als er ihren Namen nennt, erkennt sie ihn. Sie will ihn umarmen und küssen, doch er weist sie mit den Worten "noli me tangere" (rühre mich nicht an) zurück.

Diese intime Szene im Garten und die anderen bildkräftigen Szenen der Wiederbegegnung mit dem Auferstandenen - das "Abendmahl in Emmaus" und der "ungläubige Thomas" - sind unendlich oft gemalt worden. Und da fast alle Maler aus den in der Bibel geschilderten Tatsachen die gleichen dramatisch ergiebigen Momente herausgegriffen haben, ähneln sich die Darstellungen dieser österlichen oder nachösterlichen Geschichten auf fast schon verblüffende Weise.

Einige Künstler hielten sich peinlich genau an die Details, andere sahen das lockerer

Sehr viel deutlicher war die Fantasie der Künstler bei der Darstellung des szenisch nirgendwo beschriebenen Vorgangs der Auferstehung gefordert. Immerhin musste bei diesem Sujet einer der zentralen Glaubenssätze des Christentums in eine bildlich lesbare Form übersetzt werden. Einige Maler hielten sich darum peinlich genau an die von Matthäus überlieferten Details: Bei ihnen thront der in einem Blitz vom Himmel heruntergestiegene Engel auf dem geöffneten Grabstein über den vor Schreck erstarrten Wächtern des Grabs. Andere Maler lassen anstelle des Engels Christus selber an seinem Grab auftreten. Er hält dann meistens die Kreuzesfahne als Zeichen des Sieges über den Tod in seiner Hand.

Die eindrucksvollste Visualisierung dieser statisch beruhigten Form der Auferstehung ist wohl dem italienischen Meister Piero della Francesca gelungen, als er zwischen 1450 und 1465 in seiner toskanischen Heimatstadt Sansepolcro das Ostergeschehen als Fresko auf eine Wand des Konservatorenpalasts malte. Ein steinerner Sarkophag, der korrekt quersteht, teilt das Bild ungefähr im Goldenen Schnitt. Unten vor der Sarkophagwand sind die vier Wächter wie in Trance erstarrt. Darüber erhebt sich Christus in majestätischer Frontalität aus dem Grab; er hat sein linkes Bein schon auf den Sarkophagrand gestellt und hebt die Fahne triumphierend in den Himmel hinauf. Die hügelige Landschaft im Hintergrund mit ihrem sanft geschwungenen, die Schultern Jesu berührenden Horizont und die seitlich hochragenden Bäume wirken so, als würden sie den im Bild angestimmten kraftvollen Osterhymnus in schöner Vielstimmigkeit begleiten.

Grünewald und Altdorfer haben die Dramatik des Geschehens durch Licht dargestellt

Die um Ausdruck ringenden deutschen Maler der Spätgotik und der letzten vorreformatorischen Jahre konnten sich mit der Tatsache, dass der ungeheuerliche Vorgang der Auferstehung nirgends anschaulich beschrieben ist, offenbar sehr viel schlechter abfinden als ihre italienischen Kollegen. Vielen von ihnen genügte es nicht, den Auferstandenen einfach nur auf das geöffnete Grab zu stellen. Sie wollten etwas von der Gewalt darstellen, die den monströsen Stein vom Grab gesprengt und die Wächter zu Boden geworfen hat. So hat Grünewald in seinem alle Maßstäbe sprengenden Isenheimer Altar die Auferstehung Christi als eine elementare Lichtexplosion geschildert, die den Auferstehenden in den Nachthimmel hinaufweht und das Wächterpersonal hilflos über die Erde kullern lässt. Ja der Auftrieb in diesem Bild ist so gewaltig, dass diese Version der Auferstehung auch schon als eine Vorform der Himmelfahrt, die sich im Glaubenbekenntnis ja direkt anschließt, gedeutet werden kann.

Auf ganz andere Weise hat Albrecht Altdorfer um 1518 in dem für das österreichische Stift St. Florian gemalten Sebastiansaltar die Auferstehung Christi dramatisiert. Er lenkt den Blick nicht von außen in die Grabeshöhle hinein und dort auf einen Sarg, nein er blickt aus der Höhle über den Sarkophag hinweg in die Landschaft hinaus. Christus, der den Tod überwunden hat, steht triumphierend wie ein Sieger auf dem Sockel seines Denkmals, auf der geschlossenen Grabplatte. Er hat sich den hockenden Wächtern zugewandt, deren wirre Reaktionen alle denkbaren Formen des Leugnens und Nichtbegreifens vorführen. Diese Männer verkörpern in Altdorfers Bild also symbolisch all die Menschen, die sich der Osterbotschaft Christi verweigern. In der feurigen Glut des Sonnenaufgangs am Himmel aber - sie scheint von der Aureole des Auferstandenen entzündet worden zu sein - verkündet Altdorfer den Gläubigen den Sieg des Lichts nach den Nächten des Leidens.

© SZ vom 31.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: