Brunello Cucinelli:"Niemand wirft einen Kaschmirpullover in die Ecke"

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Der Mode-Unternehmer begründete mit Kaschmir ein Imperium. Einer der reichsten Männer Italiens über eine Faser, die man vererben kann.

Interview von Dennis Braatz

Zu Modewochen gehören nicht nur Schauen, sondern auch Kollektionspräsentationen in Showrooms. Einen der größten Termine hielt während der Mailänder Männerschauen mal wieder Brunello Cucinelli ab. Der Italiener begann 1978 mit der Kaschmirproduktion. Sein erster Markt war Deutschland. Mittlerweile beschäftigt er über 1000 kleine Familienbetriebe, und ist einer der reichsten Männer Italiens. Sein Spitzname: Kaschmirkönig.

Herr Cucinelli, wenn es um Kaschmir geht, denken die meisten Menschen zuerst an ein Produkt für Frauen und nicht für Männer. Warum ist das so?

Das liegt wahrscheinlich daran, dass es früher andersrum war. Früher haben viele Frauen die Pullover ihrer Ehemänner auftragen müssen, weil es für sie kein großes, eigenes Angebot gab. Darin haben Firmen eine Marktlücke gesehen. Ich auch. Noch vor 15 Jahren habe ich nur Kaschmir für Frauen gemacht. Sie kaufen heute mehr als Männer.

Was sollte jeder Mann aus Kaschmir im Schrank haben?

Einen braunen Pullover mit V-Ausschnitt. Braun, weil es die Originalfarbe von Kaschmir ist. Der V-Ausschnitt steht Männern und Frauen gleich gut. So kann man ihn an seine Söhne und Töchter weitergeben.

Ist Kaschmir so langlebig?

Aber ja, es hält Jahrzehnte. Man muss es natürlich pflegen, aber das Interessante ist ja, dass die Menschen mit ihm besonders vorsichtig umgehen. Niemand würde einen Kaschmirpullover so in die Ecke werfen, wie er es mit einem nass geschwitzten Fußballtrikot macht.

Warum nicht?

Wer Kaschmir kauft, glaubt an das Versprechen von Luxus und Qualität. Vielleicht, oder besser gesagt, hoffentlich hat er mal davon gehört, dass es aus dem feinen Haar einer speziellen Ziege gewonnen wird. Es ist das Image.

Wieso produzieren Sie so viel in Grau- und Erdtönen, und nicht in Schwarz?

Schwarz ist so simpel. Es passt zu allem, aber das zeigt auch, dass man sich keine Mühe gibt.

Es gibt teures und sehr günstiges Kaschmir. Der Begriff ist nicht geschützt. Häufig werden Fremd-Materialien beigemischt, die man als Hersteller nicht auszeichnen muss .

. . . . . und das ist nicht gut. Aber es gibt, wie übrigens bei Diamanten auch, Qualitätsstufen. Fünf sind es insgesamt. Unterschieden wird zum Beispiel durch Unreinheiten oder die Haardicke.

Wie kann der normale Käufer denn unterscheiden, welches Kaschmir gut ist und welches nicht?

Über das bloße Anfassen ist es kaum möglich. Das ist das Problem. Das können nur die Menschen, die jahrelang mit Kaschmir arbeiten. Sie müssen der Firma vertrauen, bei der Sie kaufen. Ich möchte niemandem etwas diktieren, aber natürlich gibt es große qualitative Unterschiede zwischen einem Pullover, der 70 Euro kostet und einem, der 700 Euro kostet.

Ihre können durchaus noch ein paar Hundert Euro mehr kosten . . .

Wir legen Wert auf eine faire Produktionskette. Vom Schäfer bis zum Lieferanten bekommt jeder einen angemessenen Anteil. Das wirkt sich natürlich auch auf den Preis aus. Ich bin auf dem Land groß geworden und habe erlebt, wie mein Vater in seinem Job nicht gut behandelt wurde, wie er litt. Da habe ich mir gesagt: Egal, welche Arbeit ich später einmal machen werde, ich werde niemandem Schaden zufügen.

Sie haben Ihr Unternehmen vor fast 40 Jahren mit einem Kapital von knapp 550 US-Dollar gegründet. Glauben Sie, dass ihr Erfolg so heute noch mal möglich wäre?

Wer ein gutes Produkt herstellt, hinter dem eine neue Idee steckt, wird immer Erfolg haben. Das ist heute nicht anders als damals. Wahrscheinlich braucht man jetzt aber sogar noch viel weniger Geld, weil man mit neuen Medien viel leichter auf sich aufmerksam machen kann.

© SZ vom 23.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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