Botschaft der Designer:Vorsicht, ansteckend!

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Ein cleverer Kaufanreiz für Unentschlossene: Die Laufsteg-Mode hat das Comeback der Brosche ausgerufen - auch zu ihrem eigenen Nutzen

Von anne goebel

Rom, Frühjahr 1962, Skandal um - eine Brosche. Geht es noch altbackener? Wahrscheinlich ein Mord im Umkreis eines Damenkränzchens oder ein muffiger Erbstreit, aber nein, es war anders. Die Hollywood-Diva Liz Taylor, eher nicht der tantenhafte Typ, drehte in der Ewigen Stadt "Cleopatra", nahm abends zur Erholung Drinks und bekam, als sie ihrem Filmpartner Richard Burton verfiel, vom Ehegatten eine unmissverständlich große Anstecknadel des Nobeljuweliers Bulgari zum Geburtstag. Doch die Brillanten in Blütenkorbform halfen nichts. Das Skandalpaar Burton-Taylor ließ fortan die Gazetten überschäumen, und Eddie Fisher, der Gatte, schickte eine Rechnung für die Brosche. So viel Klasse hatte er womöglich vorher in der Beziehung vermissen lassen. Liz Taylor besaß natürlich noch einen Tick mehr Stil. Sie bezahlte.

In diesem Herbst feiert die Mode nun das Comeback der Broschen, aber für fein Geschliffenes wie diese römische Pikanterie sind die neuen Stücke zu wuchtig. Vom französischen Label Carven bis zu Prada zeigten die Designer auf den Laufstegen Schmuckspangen von der Mindestgröße einer Puderdose. Möglichst plakativ, bitte schön bunt, bloß nicht damenhaft: Consuelo Castiglioni pinnt der Marni-Kundin eine elf Zentimeter lange Hornblume mit Schottenkaro ans Revers, Simone Rocha ballt Perlen zu Stachelkugeln, ein Skorpion von Saint Laurent - die Neuerfindung der Brosche 2015 will den betulichen Ruf endgültig abstreifen.

Die Modelle von Miuccia Prada, riesige Blütenstiele aus Plexiglas in Bonbonfarben, klebten bei der Schau in Mailand wie ironische Naturzitate an den Models, haben aber mit Wiesenromantik so viel zu tun wie der Mailänder Weltkonzern mit einer Bauernkate. In der Modewelt sorgten Königin Miuccias Großstadtlooks - wie immer - für Entzücken. Man wird an den Herbstmänteln demnächst manches sperrige Schmuckstück sehen. Wer es auf die Original-Nelken abgesehen hat, muss dafür einiges hinlegen - das ist schließlich keine der Nachzüchtungen, auf die man bestimmt nicht lange zu warten braucht.

Die Motive für die aktuelle Schmuck-Welle in den ehrwürdigen Modehäusern sind durchaus hintergründig. Ob Chanel, Balenciaga, Louis Vuitton, die Geschäfte laufen bei den klangvollsten Namen schon lange nicht mehr einfach von selber. Da kann Modeschmuck - auf Englisch treffend "costume jewelry" - der Einstiegs-Lockstoff sein. Also rief man für diese Saison von den Laufstegen zum Volk hinab: Heftet euch wenigstens ein kleines Stück Vuitton oder Lagerfeld an die Brust! "Modeschmuck hat durch die Designerlabels eine unglaubliche Aufwertung erfahren", sagt Marion Heinrich vom gleichnamigen Store in München.

Verjüngungskuren für Broschen hat es immer gegeben. Wobei man beim wahrscheinlich ältesten Schmuckstück der Welt - mit praktischem Nutzen, schon in prähistorischer Zeit wurde Gewand mit Nadeln zusammengehalten - unterscheiden muss zwischen Haute Joaillerie und modischem Zierrat. Teure Hochkaräter zum Anklemmen von Cartier oder dem schwülstigen Sizilianer Fulco di Verdura sind niemals passé, unter jungen Juwelieren spielt Delfina Delettrez aus dem Fendi-Clan in dieser Kategorie. Ein Imageproblem haben eher großmütterliche Perlen- und Messingpiekser. Im Genre Modeschmuck hatten daher die Designer schon in den frühen Nullerjahren eine Trendwende probiert, Versace oder Marc Jacobs huldigten dem Vintage-Glamour. Beim Revival 2015 geht es eher um Coolness aus Kunststoff oder Zitate geometrischer Muster. Bei allem Drang zum Entstauben sollte man nicht übersehen: Historisch betrachtet ist die Brosche ein sinnliches Schmuckstück. Sie saß in vergangenen Epochen stets nah am Dekolleté, nicht nur in Flauberts Roman Madame Bovary "wogten die Brillantbroschen an den Miedern". Und dass geschickt platzierte Schließen weniger etwas befestigen, als dass sie Fantasien vom Aufhaken beflügeln, hat die Schauspielerin Liz Hurley mit ihrem auf ewig bestaunten Sicherheitsnadelkleid demonstriert.

Ausgesprochene Broschen-Liebhaberinnen haben, auch das widerspricht im Grunde dem Klischee von der Biederkeit, oft einen Hang zum Exzentrischen. Carmel Snow, legendär trinkfeste Chefredakteurin der amerikanischen Harper's Bazaar, war für eine makronengroße Anstecknadel berühmt, gefertigt aus alten Familienjuwelen. Für die Designerin Elsa Schiaparelli, im Paris der Zwanzigerjahre mit allen Surrealisten befreundet, waren bizarre Broschen in Form von Schmeißfliegen oder Lippen Ehrensache. In der Couture-Kollektion des wiederbelebten Labels kehren ihre Einfälle nun zurück als Strassauge oder Wählscheibe. Und die langjährige US-Außenministerin Madeleine Albright machte mit politischen "pins" von sich reden. Als irakische Medien Albright mit einer Schlange verglichen, trug sie zum Treff mit Politikern eine gezüngelte Brosche.

Bei einer Firma wie Prada geht es nicht um Symbole, sondern Umsätze. Die Zeiten sind vorbei, als der Taschenmarkt krisenfestes Terrain für (Zweit-)Geschäfte war. Man steckt in Mailand jetzt lieber Energie in noch kleinere Kleinigkeiten: Für Sonnenbrillen wurde "Raw Avenue" ausgetüftelt, eine virtuelle Kampagne, in der die gute alte Modeskizze zu Ehren kommt. Und nun die Blumenbrosche, marketingstrategisch doppelt nützlich: 590 Euro, damit läuft sie im Luxussektor unter "erschwinglich". Als sogenanntes Statement-Piece attestiert die Steckblüte der Trägerin Trendbewusstsein - und ist praktischweise weithin sichtbar für kaufwillige Nachahmerinnen.

Wobei Liz Taylor, lange bevor der Begriff vom "Statement-Schmuck" erfunden wurde, mit ihrer Brosche auch schon eine klare Aussage machte. Sie trug, man stelle sich vor, das Geschenk von Ehemann Nummer eins auch in Begleitung von Burton, der Nummer zwei. Hyperventilieren im prüden Europa und Amerika. Aber das Teil stand ihr einfach großartig.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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