Zweitliga-Relegation:Keine Panik in der Geisterbahn

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Untröstlich: Duisburg Kingsley Onuegbu verschuldete im Hinspiel einen Elfmeter für Würzburg. (Foto: Christof Koepsel/Bongarts/Getty Images)

Der MSV Duisburg hofft in der Relegation gegen die Würzburger Kickers auf die nächste Comeback-Story.

Von Ulrich Hartmann, Duisburg

Die Verschlimmerung einer ohnehin aussichtslosen Situation ist ein beliebtes Motiv bei Thriller-Autoren. Spannung lässt sich leicht mit dramaturgischen Stilmitteln konstruieren. Wer es authentisch mag, kann aber auch Fan vom Fußball-Zweitligisten MSV Duisburg werden.

An diesem Dienstag kommt es zum Showdown einer Saison, die wie von Drehbuchschreibern erdacht wirkt. Monatelang war der maue MSV abgeschlagener Tabellenletzter und dem Untergang geweiht, ehe er sich zum Saisonende gerade noch auf den drittletzten Platz und in die Relegation rettete. Voller neuer Hoffnung reiste die Mannschaft zum Hinspiel beim Drittliga-Dritten Würzburger Kickers - erlitt dort aber einen Rückschlag. Duisburg verlor mit 0:2 und muss sich im Rückspiel (19.10 Uhr/ARD) schon wieder aus einer schier aussichtslosen Lage befreien.

Fernsehstationen in 43 Ländern zeigen das Spiel live. Doch obwohl in dem verletzten Torwart Michael Ratajczak und dem gesperrten Kapitän Branimir Bajic nun auch noch zwei wichtige Spieler fehlen, glauben sie in Duisburg stoisch an ihr nächstes Wunder. Sie haben mittlerweile einfach eine gewisse Routine darin.

An 30 von 34 Spieltagen stand Duisburg auf dem letzten Platz. Anfang März betrug der Rückstand zum Relegationsplatz neun Punkte. Die leidgeprüften Fans hatten viel Zeit, sich mit dem Wiederabstieg anzufreunden. Vor dem Hintergrund eines jahrelangen sukzessiven Niedergangs mit drohender Insolvenz, Schuldenschnitt, Lizenzentzug und dem Zwangsabstieg in die dritte Liga 2013 schien ein sportlicher Abstieg nur noch wenig Schrecken verbreiten zu können. Wer schon lange in der Geisterbahn arbeitet, hat keine Angst mehr vor dem Inventar.

Als Ilia Gruev am 14. Spieltag den Job vom erfolglosen Trainer Gino Lettieri übernahm, hatte der MSV gerade mal sechs Punkte geholt. Gruev, 46, verordnete der verzweifelten Mannschaft ein stabileres Spielsystem, in dem die vermeintlich torallergischen Angreifer auch endlich mal die gegnerischen Torhüter überwanden. Binnen 21 Spielen sammelte Duisburg unter seinem neuen Coach, einem früheren MSV-Spieler, weitere 26 Punkte ein - und rettete sich mit 32 Zählern auf den drittletzten Rang. Die Euphorie war groß.

Doch beim Hinspiel in Würzburg am vergangenen Freitag verwandelte sich die zuvor so eindrucksvoll erstarkte Mannschaft zurück in ein Häufchen Elend. Duisburg benötigt an diesem Dienstag einen Sieg mit drei Treffern Differenz, was der Mannschaft in der abgelaufenen Saison nur ein einziges Mal gelang, beim 3:0 gegen Sandhausen. Den Trainer Gruev aber ficht das nicht an. "Unsere verrückte Aufholjagd in der Rückrunde macht mir Hoffnung", sagt er vor dem Rückspiel, zu dem 30 000 Zuschauer in der ausverkauften Arena im Sportpark Wedau erwartet werden. "Ich hoffe, dass die Zuschauer unsere Mannschaft tragen", sagt der MSV-Boss Ingo Wald, der auch deshalb um den Klassenverbleib zittert, weil sich die aktuellen Verbindlichkeiten von gut acht Millionen Euro in der dritten Liga nicht weiter reduzieren ließen - im Gegenteil, sie würden größer.

In Trainer Gruev aber hat der Klub einen Zweckoptimisten, der sich nicht in Panik versetzen lässt. Im März war Gruev in seinem Wagen bei der Auffahrt auf die Autobahn von einem Lastwagen erfasst, gedreht und einige Meter mitgeschleift worden. Passiert ist nichts. Der Bulgare gab sich hinterher ungefähr genauso unbeeindruckt wie nach der fatalen Niederlage in Würzburg. Er sagte: "Wir kennen diese Situation. Wir standen mehrfach mit dem Rücken zur Wand."

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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