Zweite Liga:Sparsam nach oben

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Der Erstliga-Absteiger aus Freiburg bleibt auch in der zweiten Liga seiner bewährten Linie treu. Er bleibt nach den Weggängen zentraler Spieler wie Mehmedi, Bürki, Schmid, Sorg oder Darida bescheiden - und trotzdem immer noch ambitioniert.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten aus dem Südbadischen. Zum Beispiel, dass beim SC Freiburg bereits vor Saisonbeginn 14 000 Dauerkarten verkauft worden sind. Das sind zwar weit weniger als die Zweitliga-Zuschauerkönige (20 000) des 1. FC Nürnberg vorweisen können, auf die der SC an diesem Montag zum ersten Spitzenspiel der neuen Saison trifft. Aber es sind immerhin fast so viele wie jene 16 400 Abos, als Freiburg 2008/2009 zum bisher letzten Mal zweitklassig Fußball spielen musste.

Beim SC sieht man das als Vertrauensvorschuss, und den kann sich auch ein Mann gutschreiben lassen, den die Branche in diesen Tagen eher in Nieder- oder Angelsachsen gewähnt hatte, der sich aber Mitte Juni dazu entschied, trotz des Abstiegs und des Interesses der Konkurrenz definitiv nach Freiburg zu wechseln. Nils Petersen, der in der vergangenen Saison neun Treffer in 12 Spielen erzielte. Mit ihm verbinden Freiburgs Fans die Hoffnung, dass es schon irgendwie klappen werde mit dem direkten Wiederaufstieg. Vorne "der Nils" und hinten müsste man nur ein wenig" besser stehen" als bei den eher unbefriedigenden Ergebnissen der Saisonvorbereitung, als der SC gegen Sandhausen und Malaga unterlag und gegen den FC St. Pauli torlos blieb. So denken sich das die Freiburger Fans.

Zu den guten Nachrichten gehört ebenfalls, dass der SC den altgedienten Spieler Sascha Riether noch von der Gehaltsliste bekam. Das Eigengewächs hätte sich nach einer desaströsen Vorbereitung wohl mit einem Tribünenplatz anfreunden müssen. Dass ihn stattdessen nicht irgendein Drittligist, sondern Schalke verpflichtete, hat im Badischen für freudige Verwunderung gesorgt. In Innenverteidiger Stefan Mitrovic gibt es jetzt nur noch einen Spieler, von dem sich Freiburg gerne trennen würde. Gefahndet wird im Gegenzug nach wie vor nach einem Mittelfeldmann für die Außenbahnen, ansonsten sind die Offiziellen zufrieden: "Ich finde", sagt Sportvorstand Jochen Saier, "dass sich da gerade eine vielversprechende Gruppe herausbildet."

14 Spieler sind fort, auch Größen wie Bürki, Mehmedi, Darida, Schmid und Sorg

Nicht zuletzt gilt das auch dank Amir Abrashi, der Trainer Christian Streich in der Vorbereitung regelrecht begeistert hat: "Er hat eine gute Balleroberung und wird der Mannschaft von seiner ganzen Haltung her helfen." Vor allem letzteres ist dringend nötig, schließlich hat die interne Aufarbeitung der zurückliegenden Saison ergeben, dass man nicht wegen der mangelnden sportlichen Qualität abgestiegen ist. Saier hat auch "mentale Faktoren" erkannt: "Vielleicht hat sich ja der ein oder andere zu sicher gefühlt und geglaubt, wir gehen mit einem so guten Fundament in die Saison, dass wir mit dem Abstieg nichts zu tun haben."

Eine gewisse Wurstigkeit zog sich tatsächlich bis zum Saisonende durch die Freiburger Darbietungen. So stand man am 32. Spieltag Sekunden vor einem Schlüssel-Auswärtssieg in Hamburg, als Gojko Kacar noch das 1:1 köpfeln durfte. Nicht nur Sportdirektor Klemens Hartenbach hat in dieser Szene Spieler vermisst, die sich vor dem letzten Eckball "noch mal pushen". Das Ärgerliche war: Nur einer der zwei beim HSV verschenkten Punkte hätte genügt, um auch im siebten Jahr in Serie erstklassig zu bleiben. Von etlichen anderen späten Gegentoren, die Punkte kosteten, ganz zu schweigen.

14 Spieler haben dem Verein nach dem Abstieg den Rücken gekehrt, darunter Stammkräfte wie Angreifer Admir Mehmedi, Felix Klaus, Jonathan Schmid, Oliver Sorg, Vladimir Darida oder der exzellente Torhüter Roman Bürki. Mehr als 25 Millionen Euro nahm Freiburg ein, und würde das Publikum die Vereinspolitik nicht seit jeher mit unumstößlichem Wohlwollen begleiten, manch einer könnte sich glatt fragen, warum der Klub nicht einmal ein Viertel davon reinvestiert hat: "Ich kann verstehen, dass der ein oder andere schluckt, wenn er sieht, wer uns da alles verlassen hat", sagt Saier: "Wir hätten aber auch bei einem Klassenerhalt einige Veränderungen vorgenommen."

Der Transferüberschuss dient auch der Jugend und dem Stadionbau - typisch Freiburg

Die Sparsamkeit sei zudem alternativlos, heißt es. Zum einen wolle Freiburg im Nachwuchsbereich nicht geizen und habe nicht eine Sekunde überlegt, die eigene U23 (wie etliche Konkurrenten) vom Spielbetrieb abzumelden. Zum anderen erhalte der Verein satte 20 Millionen Euro weniger an Fernsehgeldern. Und der geplante, durch den Abstieg nicht gefährdete Stadionbau könne ja auch zusätzliche Rücklagen verkraften.

"Wenn man sich die Etats anschaut, liegen wir nicht auf einem der ersten drei Plätze", sagt Streich auf die Frage nach einer Saisonprognose. Wer die weiteren Ausführungen des Trainers ("gehören zu denen, die große Ambitionen haben") zu dechiffrieren weiß, ahnt aber, dass sich Freiburg trotz aller Vorsicht ungern länger in Liga zwei aufhalten würde. Falls der Kader Verstärkung bräuchte, könnten ja doch noch ein paar Euro von der hohen Kante purzeln.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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