Zweite Liga:Falscher Mann

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Kaiserslauterns Vorstandschef Stefan Kuntz tritt im Sommer zurück. Er sagt: "Ich hatte das Gefühl, der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Das Gefühl ist weg."

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Im Juli 2011 verpflichtete der 1. FC Kaiserslautern den israelischen Nationalstürmer Itay Shechter von Hapoel Tel Aviv für die Ablösesumme von 2,5 Millionen Euro. Shechter, so sagte der FCK-Vorstandsvorsitzende Stefan Kuntz damals, sei der Toptransfer für die kommende Bundesligasaison. Am Ende war die Personalie nur ein großes Missverständnis, der FCK stieg ab, der teure und völlig überforderte Shechter zog weiter. Weder der FCK noch Shechter, der mittlerweile bei Maccabi Haifa kickt, erholten sich je wieder von dieser grausamen Saison. Der FCK, immerhin viermaliger deutscher Meister, spielt die vierte Saison hintereinander in der zweiten Liga, aktuell ist der Klub des großen Fritz Walter gerade mal Tabellenachter.

An diesem Montag hat Stefan Kuntz angekündigt, trotz eines Vertrages bis Ende Dezember 2017 nach Abschluss der laufenden Saison das Amt des Vorstandsvorsitzenden beim FCK abzugeben. Im Nachhinein wirkt es so, als habe der ehemalige Europameister Kuntz mit dem vermaledeiten Shechter-Transfer sein Gefühl für seine Kernkompetenz - den Sport - verloren. Seitdem sitzen die Entscheidungen nicht mehr, Kontinuität wurde zum Fremdwort "uffm Betze", Spieler, Trainer und zuletzt auch Sportdirektoren (Markus Schupp) gingen. Kuntz blieb. Und zog mit jeder Entlassung nur mehr Kritik auf sich.

Im Prinzip kann man die im Sommer auslaufende Ära Kuntz in zwei Teile teilen - vor Shechter und nach Shechter. Als Kuntz im April 2008 das Amt auf dem Betzenberg übernahm, stand der Klub vor dem Abstieg in die dritte Liga. Kuntz, ein ehemaliger FCK-Held, wurde nach der Rettung wie ein Messias gefeiert. Und als 2010 der Erstliga-Aufstieg gelang, schien der FCK wieder dorthin zu gehören, wo er nach dem Selbstverständnis seiner Fans ohnehin hingehört. Doch in der Abstiegssaison büßte Kuntz eben jenes Gespür ein, das ihn vorher ausgezeichnet hatte. Und seitdem geriet er mit jedem verpassten Aufstiegsversuch nur noch mehr in die Kritik.

Desillusioniert erklärte Kuntz nun am Montag: "Ich hatte das Gefühl, der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein - dieses Gefühl ist weg." In einem emotionalen Klub wie dem FCK fällt Kritik mitunter unter der Gürtellinie aus. "Vetternwirtschaft" wurde Kuntz bei der Besetzung von Vereinsposten vorgeworfen, "Selbstherrlichkeit", "Alleinherrschaft" und vieles mehr, was nicht druckreif ist.

Nun zog er fünf Wochen nach einer für ihn desaströsen Mitgliederversammlung die Konsequenzen: "Es gab in letzter Zeit unterschiedliche Auffassungen über die weitere Ausrichtung und die Strategien des Vereins. Der Aufsichtsrat und ich haben diese Entscheidung zum jetzigen Zeitpunkt getroffen, damit genug Zeit bleibt, den Verein personell neu aufzustellen", sagte Kuntz. Er spürte den Vertrauens- und Machtverlust, nachdem auf der turbulenten Mitgliederversammlung im Dezember mehr als 60 Prozent der Mitglieder dem seit 2007 amtierenden Aufsichtsratschef Dieter Rombach die Entlastung verweigert hatten. Rombach trat zurück. Kuntz wurde nur mit rund 60 Prozent bestätigt.

Mit Rombachs Rücktritt hat sich der Aufsichtsrat von einem eher Kuntz-freundlichen zum Kuntz-kritischen Gremium gewandelt. Rombachs Nachfolger als Chef des Aufsichtsrats, Nikolai Riesenkampf, bestätigte am Montag unterschiedliche Auffassungen zwischen seinem Gremium und dem Vorstand. Vor allem in der Finanzplanung habe es Differenzen gegeben, erläuterte Riesenkampf, unter anderem auch in der Frage, welches Risiko der Klub eingehen wolle. Offenbar hatte Kuntz für den Winter neue Spieler vorgeschlagen, die dem Aufsichtsrat zu teuer waren.

Kritiker fürchten, dass die finanzielle Lage des Klubs, die Kuntz als "konsolidiert" bezeichnet, doch sehr angespannt ist. Kuntz versichert aber: "Keiner muss sich Sorgen machen um den 1. FC Kaiserslautern - hier wird nichts zusammenbrechen." Erst mal muss sich der Klub aber auf Vorstandsebene komplett neu aufstellen. Das kann eine Chance sein. Aber eben auch ein Risiko.

© SZ vom 19.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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