Zum Tode Rudi Altigs:Der erste deutsche Radsportheld

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Rudi Altig, als er sich 1964 in Freiburg bei der Tour de France das Gelbe Trikot des Spitzenreiters überstreifte. (Foto: dpa)

Rudi Altig entfachte mit seinem kämpferischen Fahrstil und durch seine Erfolge in den sechziger Jahren den ersten Radsport-Boom in Deutschland. Sein Verhältnis zum Doping war kontrovers.

In seiner Heimat war der Mann, der den ersten Radsport-Boom in Deutschland auslöste, in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts vor allem als "deutsche Kampfmaschine" bekannt. In Frankreich gingen die Radsportfans bei der Spitznamensuche mit etwas feinerem Geist heran. "Sacre Ruedi", wurde Rudi Altig in Frankreich genannt, der heilige Rudi oder auch, wegen seines kämpferischen Fahrstils: der unglaubliche Rudi.

Unglaublich war die Karriere des Rudi Altig tatsächlich. 18 Etappensiege feierte er bei den drei großen Rundfahrten Tour de France (acht), Giro d'Italia (vier) und der Vuelta a Espana (6). Bei der Tour trug er zudem für insgesamt 18 Tage das Gelbe Trikot - nur nie in Paris, wo die Sieger gekürt werden. Dafür gewann er 1966 als bislang letzter Deutscher den WM-Titel auf der Straße. Jahrelang hatte er darauf gewartet, dass ein Landsmann seinen Erfolg wiederholt. Doch egal, ob Jan Ullrich, Erik Zabel oder zuletzt John Degenkolb - sein Wunsch ging nicht in Erfüllung.

Letzter deutscher Straßen-Weltmeister

Seinen letzten Kampf hat Altig nun verloren. Er ist am Samstag im Alter von 79 Jahren in einem Hospiz in Remagen an den Folgen eines Krebsleidens gestorben. Der gebürtige Mannheimer litt bereits seit längerer Zeit unter der Krankheit. "Wir trauern um Rudi Altig und drücken seiner Familie unser herzliches Beileid aus", sagte Rudolf Scharping, der Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR). Und weiter: "Was Rudi Altig herausragend machte, waren seine unverstellte Art, seine herzliche Direktheit und seine Lebensfreude. Sie hat ihm geholfen, auch sehr schwere Kämpfe um seine Gesundheit lange zu bestehen. Die Menschen spürten das alles und sie haben ihn deshalb besonders gemocht - auch ich."

Seine Karriere hatte Altig, der in seiner Kindheit noch von einer Karriere als Fußballer träumte, auf der Bahn begonnen. Nach drei Weltmeistertiteln in der Einerverfolgung wechselte er auf die Straße, dort entwickelte er sich zu einem erfolgreichen Fahrer für Eintages-Klassiker. So holte er unter anderem Siege bei der Flandern-Rundfahrt (1964) und Mailand-San Remo (1968). Auch die Spanien-Rundfahrt (1962) gewann er. Für einen Gesamtsieg bei der Tour reichte es nicht, dafür war er mit 85 Kilogramm zu schwer.

Top-Sprinter Marcel Kittel bezeichnete Altig bei Twitter als "ersten deutschen Radsporthelden" und "Wegbereiter unseres Sports". Der frühere Tour-Sieger Jan Ullrich sagte: "Ich bin wirklich traurig. Ein großartiger Mensch und bedeutende deutsche Radsportlegende ist tot - was für mich noch viel wichtiger ist - der Mensch Rudi Altig, der immer sagte, was er dachte - auch wenn es manchmal unbequem war."

Die Rivalen nannten ihn "radelnde Apotheke"

Dazu gehörte auch Altigs Haltung zum Doping. Wirklich sauber war er zumindest nicht immer unterwegs. Im Fahrerfeld hatte er zeitweise auch einen weiteren Spitznamen: "Radelnde Apotheke". Altig half erwiesenermaßen mit bestimmten Mittelchen nach. 1969 wurde er bei der Tour des Dopings überführt, 1966 hatte er sich beim belgischen Klassiker Flèche Wallonne einer Kontrolle entzogen. Für Altig war das "Kleinkram", kein Vergleich zu heutigen Zeiten. "Ich weiß, was ich gemacht habe. Mit Doping hatte das nichts zu tun. Wir haben gut trainiert, viel geschlafen und gut gegessen, und wenn wir Kopfweh hatten, gab's vom Arzt eine Tablette. Das machten doch alle so. Doping ist, wenn man Blut panscht. Außerdem betrifft das den gesamten Sport und nicht immer nur die Radfahrer", sagte er einmal.

Dem Radsport war Altig bis ins Alter verbunden, er trieb zudem noch leidenschaftlich Sport. Noch vor wenigen Jahren legte er 2000 bis 3000 Kilometer pro Saison zurück, spielte Golf und auch den Kopfstand als Yoga-Übung zur Wirbelsäulen-Entlastung beherrschte er ohne Probleme. Gegen seine Krankheit hatte er stets angekämpft. Schon 1994 meisterte er eine Magenkrebs-Erkrankung. Danach kam er wie selbstverständlich zurück an die Rennstrecke. Jahrelang hatte der gelernte Kfz-Elektriker auch die Rennleitung bei diversen deutschen Radrennen übernommen.

Seinen 75. Geburtstag hatte Altig 2012 im kleinen Kreis an der Cote d'Azur gefeiert, zum 80. sollte daheim eine richtige Sause steigen. Mit der Familie und alten Wegbegleitern. Dieser Wunsch bleibt unerfüllt.

Altig hinterlässt seine zweite Frau Monique und drei Kinder.

© SZ vom 12.06.2016 / dpa, SID, SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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