Zufriedene Bremer:Weihnachten im grünen Bereich

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Heute kein Durchkommen: Kölns Anthony Modeste bleibt beim 1:1 gegen Niklas Moisander (l.) und Bremen ohne Treffer. (Foto: Oliver Hardt/Getty Images)

Ein gewöhnliches 1:1 gegen Köln weckt in Werders Ü-30-Mannschaft jugendlichen Enthusiasmus: Das zu Saisonbeginn so hilflos wirkende Team findet inzwischen die passenden taktischen Antworten.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Die jüngste Entwicklung von Werder Bremen konnte man an der Körperspannung des Weihnachtsmannes ablesen. Der Weihnachtsmann dort oben im Norden, also der echte, trägt einen grünen Mantel und eine grün-weiße Bommelmütze und er tritt, wie überall, genau einmal im Jahr auf. Und zwar immer exakt nach dem letzten Heimspiel des Jahres. Er winkt ein wenig ins Publikum und verteilt Zeug an die Zuschauer, das die dann mit nach Hause nehmen dürfen, als Geschenk und vielleicht auch ein bisschen als Wiedergutmachung für das stoisch ertragene Leid einer Hinrunde. Nicht immer geht der Weihnachtsmann gerne in die Fankurve. Aber diesmal, nach getaner Arbeit, lehnte Santa Claus lässig an der Wand in den Katakomben des Weserstadions und beobachtete den routinierten Medienrummel um ihn herum in derart tiefenentspannter Grundhaltung, als wolle er sich gleich eine Zigarette anstecken. Herrscht aber Rauchverbot hier unten.

Alles im grünen Bereich, das sagte dieser an der Wand lehnende grüne Weihnachtsmann nach dem 1:1 gegen den 1. FC Köln und nun vier Spielen ohne Niederlage hintereinander. "Wir haben uns stabilisiert", sagte Frank Baumann, der Geschäftsführer des Vereins mit dem Verantwortungsbereich Sport, "wir funktionieren als Mannschaft besser." Tatsächlich war die Partie gegen die Kölner Elf, dieses defensiv wirklich außergewöhnlich gut organisierte Team, das im Schnitt weniger als ein Gegentor pro Spiel kassiert, eine auf Augenhöhe. Die Bremer hätten gewinnen können, wenn FC-Torwart Kessler einen Schussversuch von Pizarro kurz vor der Pause nicht an die Latte, sondern ein paar Zentimeter tiefer abgelenkt hätte. Und die Kölner hätten gewinnen können, wenn sie einen durchaus berechtigten Elfmeter in der Schlussphase bekommen hätten, als der Bremer Bauer dem Kölner Höger auf die Zehen trat. "Wenn der Schiedsrichter das so sieht, kann er Elfmeter geben", sagte Robert Bauer, "hat er aber nicht." Und so ging es eben 1:1 aus nach Toren von Rudnevs für Köln (28. Minute) und Gnabry für Bremen (40.).

Kesslers Fehler verhindert Kölner Sieg

Es war das erste Tor im Weserstadion für den Neuzugang aus London, das sechste insgesamt und sicher nicht sein schönstes, denn Kölns Torwart Thomas Kessler hätte es verhindern müssen: Weitschuss, Aufsetzer, über die Handschuhe, so ein Ding. Serge Gnabry gehört sicher zu jenen Faktoren, die Werders Perspektive in den letzten Wochen gedreht haben. Das war zwar nicht so schwer, denn das schon früh abgeschlagene, viel zu junge Team hatte ja vorher gar keine gehabt. Aber der für sein Alter, 21, extrem clevere Angreifer profitiert mit seiner Auffassungsgabe sehr von den lange Zeit verletzten Routiniers Pizarro, Kruse und Bargfrede. Seit deren Rückkehr verlieren die Bremer nicht mehr. Weil Werders Trainer Nouri (sehr jung) auch auf Torwart Drobny (ganz schön alt) statt Wiedwald (noch eher jung) vertraut und von Kapitän Clemens Fritz (aaaaalt!) nicht lassen will, wurde aus einer der jüngsten Mannschaften der ersten Bundesliga-Anfangsphase jetzt eine der ältesten in der Endphase der Hinrunde, eine echte Ü30. Ehe sie wieder langfristig denken können, müssen sie an der Weser erstmal kurzfristig überleben.

Dabei hat Werder Bremen Fortschritte gemacht und die taktischen Fähigkeiten erweitert. Gegen Köln kamen die Bremer fast so aufgeregt vom Spielfeld herunter wie elf Grundschüler aus dem Klassenzimmer, nachdem sie einen neuen Buchstaben gelernt haben. Moisander, Bauer, Gnabry, Bartels - alle wiesen sie irgendwie ziemlich stolz darauf hin, zur Pause die Taktik gewechselt zu haben, von Vierer- auf Dreierkette, weil die ebenfalls so agierenden Kölner ihnen eine Halbzeit lang einfach keinen Raum gelassen hatten. Taktikwechsel, das war bisher "eher in der Endphase eines Spiels" ein Mittel, sagte Frank Baumann, meistens lag Werder dann in Rückstand und versuchte irgendwas, was die Mannschaft nicht konnte. Jetzt ist sie so weit, gestopft mit der Routine von Hunderten Bundesligaspielen der alten Männer und dem Spielwitz des jungen Serge Gnabry, zu einem Zeitpunkt zu reagieren, wenn noch etwas zu gewinnen ist, ein Punkt gegen die taktisch viel weiter entwickelten Kölner etwa.

Und so ist es eben auch eine Entwicklung, nach einem durchschnittlichen Spiel mit einem sehr durchschnittlichen Ergebnis mit Bremer Spielern über Taktik statt über Glück oder Pech reden zu können. Is' ja 'n Ding, dachte der Weihnachtmann im grünen Mantel da wohl und gab schließlich der ARD noch ein Interview, Grundbotschaft so etwa in diese Richtung: Frohes Fest!

© SZ vom 18.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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