Zeitfahr-WM:Einen Prosecco auf die Toskana

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Der Schweizer Cancellara ist Weltmeister im Zeitfahren - wieder ein Klient des umstrittenen Arztes Cecchini. Die deutsche Fahrer enttäuschten.

Vor der Zielgeraden am Mirabellgarten schaltete Fabian Cancellara noch einmal höher, er wollte noch einmal Fahrt aufnehmen. Dabei wäre das gar nicht mehr nötig gewesen, denn die jüngsten Zwischenzeiten hatten bereits zweifelsfrei auf ihn als neuen Weltmeister im Einzelzeitfahren hingedeutet; selbst einen leichten Sturz oder Defekt hätte er sich leisten können. Denn fast eine Minute lag er schon nach 35 der insgesamt knapp 51 Kilometer rund um das von der Herbstsonne illuminierte Freilichtmuseum namens Salzburg vor seinem einzigen Konkurrenten an diesem Tag, David Zabriskie. Seinem amerikanischen Kompagnon im CSC-Rennstall nahm er auf dem abfallenden Schlussstück noch einmal eine halbe Minute ab. 90 Sekunden betrug im Ziel sein Vorsprung, das ist eine kleine Welt. Cancellara, der bereits im Frühjahr als Sieger des Klassikers Paris-Roubaix überrascht hatte, gab sich ganz ergriffen nach dem größten Erfolg seiner Karriere, er sagte: ,,Das ist verrückt, ich bin sehr stolz.''

Das war nicht sein Tag: Andreas Klöden. (Foto: Foto: dpa)

Lang Fünfter, Klöden nur 27.

Zeitgleich zu den dezenten Gefühlswallungen des 25-Jährigen dürfte in der Toskana eine kühle Flasche Prosecco geköpft worden sein, zu Ehren des ersten Schweizer Zeitfahrchampions seit Alex Zülles Erfolg von 1996 in Lugano. Denn auch Cancellara ist ein Klient des umstrittenen italienischen preparatore Luigi Cecchini, dies hat er in diesem Jahr während der Tour de France zugeben müssen. Auslöser der Indiskretion war eine Veröffentlichung über die Zusammenarbeit mehrerer T-Mobile-Profis (SZ vom 3.7.) mit Cecchini und dessen langjährigem Partner, dem als Dopingarzt richterlich entlarvten Michele Ferrari. Denn daraufhin musste auch Bjarne Riis, Cancellaras Teamchef bei CSC, auf Nachfragen dänischer Medien bestätigen, dass auch mehrere seiner Profis von Cecchini betreut werden. Verblüffend indes war das Geständnis nicht, denn Cecchini führte Riis, zu Profizeiten wegen seiner bemerkenswerten Blutwerte auch als ,,Mister 60 Prozent'' bekannt, 1996 zum Toursieg. Dieses Jahr in der Hochzeit des aufkommenden Blutdopingmittels Epo ist sowieso ein ganz großartiges gewesen für Cecchini, denn mit dem Schweizer Pascal Richard, Rolf Sörensen (Dänemark) und Max Sciandri aus Italien räumten gleich drei seiner Kunden die olympischen Medaillen beim Straßenrennen von Atlanta ab.

Bislang hatte Fabian Cancellara die Verbindung zu dem umstrittenen Sportarzt aus Lucca stets bestritten, doch Riis' Aussagen ließen ihm keine Wahl mehr. ,,Ich verstehe die Probleme mit Cecchini überhaupt nicht'', entgegnet der Berner seitdem auf die Fragen zu den Kontakten in die Toskana. Und selbstverständlich erstelle ihm der Senior ausschließlich Trainingspläne. ,,Cecchini ist ein freundlicher älterer Herr, ein Millionär, der in einer schönen Villa wohnt - er hat es nicht nötig, krumme Touren zu machen.''

Das erinnert dann manchmal doch ein wenig an die Äußerungen von Lance Armstrong, der des Dopings dringend verdächtigte siebenmalige Toursieger hatte vor Jahren die Zusammenarbeit mit Ferrari (,,Dottore Epo'') bestätigen müssen - und ihn stur ,,einen Ehrenmann'' genannt. Erst vorige Woche beurkundete allerdings ein Gericht in Italien den vielfachen Sportbetrug von Ferrari, der freilich mit einem Freispruch davon kam - wegen Verjährung. Ferraris Freund Cecchini betreute auch Jan Ullrich und gilt im Zusammenhang mit dessen offensichtlicher Verwicklung in den spanischen Dopingskandal als mögliches Bindungsglied zum Hauptbeschuldigten Doktor Eufemiano Fuentes.

Für Jan Ullrichs einstige Kameraden endete der erste Höhepunkt der Salzburger WM eher ernüchternd. Sein Kumpel Andreas Klöden, der T-Mobile verlässt und demnächst beim kritisch beäugten Astana-Team an den Start geht, lieferte ein weiteres Mal ein Beispiel dafür ab, wie wenig ihm bisweilen ohne rechte Motivation gelingt: Platz 27, fast fünf Minuten Rückstand. Der zweite deutsche Starter, Sebastian Lang aus Erfurt, bewältigte dagegen den schwierigen Kurs tadellos als sehr guter Fünfter. Angesichts der beiden giftigen Anstiege am Ursprung (575 m) waren seine Chancen auf eine Medaille zuvor eher gering, ,,ich habe mein persönliches Ziel erreicht'', sagte der Zeitfahrspezialist vom Team Gerolsteiner. Der Tourdritte Klöden verwies später auf die ,,sehr schwere Strecke, es gab viel Wind.'' Und der Cottbuser behauptete fest, ,,sehr motiviert gewesen'' zu sein. ,,Am Ende hat mir einfach die Kraft gefehlt.'' Sein künftiger Kapitän, der neue Vuelta-Sieger Alexander Winokurow aus Kasachstan, erreichte derweil trotz eines Defektes an der 10-Kilometer-Marke noch die Bronzemedaille.

© SZ vom 22.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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