Wolfsburg gewinnt Duell der Werksklubs 3:1:Plötzlich auf dem Sonnendeck

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Neuzugang Wout Weghorst bejubelt sein Tor zum 2:1 für Wolfsburg. Maximilian Arnold und Renato Steffen kommen zum Gratulieren. (Foto: Christof Koepsel/Getty)

Während der VfL Wolfsburg nach dem zweiten Saisonsieg dem eigenen Glück nicht so recht trauen mag, wirkt der selbsternannte Titelkandidat Leverkusen schon nach der zweiten Niederlage ratlos.

Von Ulrich Hartmann, Leverkusen

Als Bayer Leverkusen mit seinen jungen Nationalspielern Julian Brandt, Kai Havertz und Jonathan Tah die Partie zu Ende gespielt hatte, wirkten alle Beteiligten seltsam irritiert. Die Leverkusener waren sauer auf sich selbst, und die Wolfsburger, die zuletzt zwei Mal bloß durch die Relegation in der Bundesliga verblieben waren, schienen ihrem Glück nicht so recht zu trauen. Nach ihrem 3:1 (1:1)-Erfolg liegen sie mit zwei Siegen auf dem Sonnendeck der Bundesligatabelle, während die ambitionierten Leverkusener nach zwei Niederlagen rätseln, wie sie im nächsten Spiel in zwei Wochen beim FC Bayern München bloß diesen verpatzten Saisonauftakt retten sollen. "Wir sind in einer schwierigen Situation", sagte der Trainer Heiko Herrlich.

Das Spiel war kaum angepfiffen, da hatten die hochmotivierten Leverkusener gleich einen solchen Tordrang demonstriert, dass sie drei gute Chancen binnen 120 Sekunden kreierten: Julian Brandt nach 25 Sekunden, Lucas Alario nach 70 Sekunden und Jonathan Tah nach 120 Sekunden. Da führten sie beim Eckenverhältnis bereits mit 2:0. Danach jedoch kühlten sie blitzschnell ab. Leverkusens Fußball ist ja oft wie von einem alten Boiler erhitzt: das heiße Wasser ist schnell aufgebraucht. Bis zur 24. Minute machte danach erst mal Wolfsburg das Spiel - und zwar bis zu jenem Moment, als Leverkusens Rechtsaußen Leon Bailey im Halbfeld des Balles habhaft und von vier Wolfsburgern derart freundlich eskortiert wurde, dass er ungestört abschließen konnte.

Man fragte sich aber schon, warum Verteidiger Brooks nicht forscher attackierte - und der Wolfsburger Torwart Pavao Pervan (30, Österreicher, neu vom Linzer ASK) so spät absprang und den Ball deshalb nicht aufhalten konnte. Wolfsburgs bester Torwart, Koen Casteels, weilte zur erwarteten Niederkunft seiner Gattin und war deswegen in die Autostadt zurückgerast.

Erneut verschläft Leverkusen den Start der zweiten Halbzeit

Nach dem 1:0 war Leverkusens Heißwasser sogleich wieder aufgebraucht, was auf der anderen Seite des Feldes den Torwart Ramazan Özcan (34, Österreicher, seit zwei Jahren bei Bayer) in den Mittelpunkt rückte. Hätte Özcan eine kurze, scharfe Hereingabe von der Grundlinie durch Wolfsburgs Yannick Gerhardt in der 36. Minute nicht so ungeschickt mit der Hand ins eigene Tor gelenkt, dann wäre der Ausgleich für die Gäste gar nicht gefallen, weshalb Gerhardts Treffer im Nachhinein Özcan als Eigentor angekreidet wurde. Verdient war dieser Ausgleich aber allemal.

Herrlichs Pausenansprache verfehlte ihre Wirkung, ähnlich wie vergangene Woche in Mönchengladbach (0:2). Die Leverkusener verwalteten uninspiriert den Ball, so dass die Wolfsburger immer forscher wurden. Als der aufgerückte neue Linksverteidiger Jérôme Roussillon (aus Montpellier) die Kugel in der 55. Minute vors Tor an den zweiten Pfosten flankte, stand dort der neue Mittelstürmer Wout Weghorst (aus Alkmaar) ganz allein wuchtete den Ball per Kopf gegen Özcans Laufrichtung abgeklärt zur 2:1-Führung ins Tor. Bloß fünf Minuten später, Charles Aránguiz war gerade für Wendell hereingekommen und Bayer noch unsortierter als zuvor, da schickte Josip Brekalo seinen Wolfsburger Kollegen Renato Steffen steil auf den Weg zum dritten Gästetor. Der Pass rutschte durch ein derart großes Loch in Bayers linker Defensive, dass man von Abwehr eigentlich nicht sprechen möchte.

Wolfsburg könnte sich oben festsetzen

"Spitzenreiter, Spitzenreiter, hey, hey", sangen um 16.53 Uhr die vielleicht 300 mitgereisten Wolfsburger Fans. Die Einzigen, die diesen vorübergehenden Umstand noch hätten ändern können, waren die langsamen, verunsicherten, einfallslosen und restlos enttäuschenden Leverkusener. So endete das Spiel ohne weitere Pointen. "Meine größte Freude ist, wie die Mannschaft heute geschlossen gearbeitet hat", sagte Gästetrainer Bruno Labbadia, "ihre Reaktion nach dem 0:1 fand ich einfach super."

Jetzt ist erst mal zwei Wochen Pause für beide Teams, danach haben die Wolfsburger zwei Heimspiele nacheinander gegen Hertha BSC Berlin und den SC Freiburg und träumen schon von einem längeren Aufenthalt in der Tabellenspitze. Die Leverkusener hingegen spielen nun beim FC Bayern. "Wer jetzt den Ernst der Lage noch nicht erkannt hat, der ist hier fehl am Platz", schimpfte Torwart Özcan nach dem Spiel. Klang so, als müsse in Leverkusen ein schärferer Ton angeschlagen werden.

© SZ vom 02.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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