WM-Vergaben:"Gentlemen's Agreement"

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Blatter bestätigt erneut Absprachen vor WM-Vergaben - und verärgert damit Bewerber, die offenbar schon früh chancenlos waren. Die Engländer prüfen bereits Schadenersatz-Ansprüche.

Von Thomas Kistner, München

Am Freitag vermeldete die Schweizer Börse SMI, dass die Bankengruppe Credit Suisse AG die größten Tagesverluste mit 1,4 Prozent erlitten habe - nach Bekanntwerden von Ermittlungen im Zuge der Fifa-Affäre. Das Schweizer Bundesamt für Justiz (BJ) begehrt Einblick in die Unterlagen der Großbank, auf Gesuch der amerikanischen Justiz. So ziehen die jahrzehntelangen Geschäftsaktivitäten des suspendierten Fußball-Weltverbandschefs Sepp Blatter und seiner Sportskameraden immer weitere Kreise.

Der englische Verband prüft Schadenersatz-Ansprüche

Rechtshilfegesuche aus den USA gelten im Schweizer Bankensektor als besonders heikel, seit Washington 2013 das Bankgeheimnis im Alpenland geknackt hat. Schon vor Monaten begehrten die US-Ermittler Auskunft über Konten, Geldflüsse und Personen, die ihnen bei ihren Geldwäsche-Ermittlungen unterkamen. Viele Konten waren schon unmittelbar nach den Zugriffen auf Fifa-Spitzenleute im Mai in Zürich gesperrt worden.

Neues gibt es auch von Blatter selbst, der durch die Medien tourt und in der Financial Times bekräftigte, was er schon der russischen Agentur Tass vortrug: Vor den WM-Vergaben 2018 (Russland) und 2022 (Katar) habe es Absprachen im Fifa-Wahlgremium gegeben. Blatter sprach von einem "Gentlemen's Agreement" zugunsten Russlands und der USA, das später von Michel Platini torpediert worden sei: Der Uefa-Präsident habe ihm kurz vor der WM-Vergabe im Dezember 2010 erklärt, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy habe ihn angewiesen, die Interessen des Heimatlandes zu wahren und Katar zu wählen. Wenig später schloss Paris Milliardendeals mit dem Emirat ab.

Nun prüft der englische Verband FA Schadenersatz-Ansprüche in zweistelliger Millionenhöhe, wie FA-Chef Greg Dyke im britischen Unterhaus mitteilte. Belgiens langjähriges Fifa-Vorstandsmitglied Michel D'Hooghe behauptet zwar, dass sich die Exekutive vor den WM-Vergaben damals nicht festgelegt habe. Doch Blatter erklärte gegenüber der Financial Times auch, dass "nicht alle, aber die wichtigsten" Vorstände involviert gewesen seien. Der Arzt D'Hooghe zählt nicht dazu.

© SZ vom 31.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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