WM-Titel für U20-Fußballerinnen:Der Appetit der Orakelmädchen

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Die deutschen U20-Fußballerinnen sichern sich mit einem 2:0 gegen Nigeria souverän den Weltmeister-Titel und beweisen, dass Deutschland-Schauen auch beim Frauen-Fußball gefragt ist.

Ulrich Hartmann

Die deutschen Fußballmädchen hatten keinen Paul. Sie hatten etwas Besseres. Kein Tiefsee-Orakel hat ihren Triumph prophezeit, kein Krake den WM-Titel vorhergesagt, den sie am Sonntag nach einem 2:0-(1:0)-Finalsieg gegen Nigeria überschwänglich bejubelten. Überrascht wirkten die U20-Fußballerinnen trotzdem nicht. Sie hatten geahnt, dass sie gewinnen und Weltmeister werden würden, denn sie waren ihre eigenen Orakel, besser gesagt: zwei von ihnen. Die Angreiferinnen Svenja Huth und Dzsenifer Marozsan hatten als Team jede der sechs WM-Partien immer am Tag zuvor gegen die Spielekonsole virtuell ausgetragen - und alle gewonnen. Wie dann auch im richtigen Leben.

Die robusteste, versierteste und treffsicherste Mannschaft: Deutschland. (Foto: AP)

Sechs Siege ohne Gegentor spielten die beiden Orakelmädchen am Computer virtuell heraus, sechs Siege mit 20 Toren und fünf Gegentoren sind es schließlich in der Realität geworden. Dass die deutschen U20-Frauen zum zweiten Mal nach 2004 und derart souverän den Weltmeistertitel feierten, lag allerdings nicht an ihren offenbar gut ausgeprägten Fähigkeiten beim Konsolenfußball - eher daran, dass sie im Wettstreit der 16 weltbesten Mädchenteams mit Abstand die robusteste, versierteste und treffsicherste Mannschaft waren. Die Duisburgerin Alexandra Popp schoss das erste Finaltor, war mit zehn Toren die erfolgreichste Torschützin des Turniers und erhielt dafür den "Goldenen Schuh".

Sechs zumeist souveräne Siege (4:2 gegen Costa Rica, 3:1 gegen Kolumbien, 4:1 gegen Frankreich, 2:0 gegen Nordkorea, 5:1 gegen Südkorea, 2:0 gegen Nigeria) erspielte das älteste weibliche Nachwuchsteam des Deutschen Fußball-Bunds binnen drei Wochen bei dieser WM im eigenen Land und begeisterte zigtausend Zuschauer in den Stadien, obwohl das Interesse an einer Nachwuchs-Mädchen-WM im Vorfeld übersichtlich gewesen zu sein schien. Doch das Deutschland-Schauen boomt mittlerweile bei Frauen- und Männer-Fußball nahezu gleichermaßen. 24.633 Zuschauer, viele mit Fahnen und Trikots, haben am Sonntag im beinahe ausverkauften Bielefelder Stadion das Endspiel gesehen, jeweils etwa 20.000 Zuschauer waren auch bei den vorherigen fünf Spielen der deutschen Elf durchschnittlich in den Stadien gewesen und hatten für eine bei Juniorinnen-Turnieren bislang ungekannte Stimmung gesorgt. "Wir waren der perfekte Appetitanreger für die A-WM nächstes Jahr in Deutschland", sagt die überwältigte U20-Bundestrainerin Maren Meinert. "Wir wollten noch mehr Begeisterung für Frauenfußball in Deutschland schüren, und ich glaube, wir haben die Menschen mit offensivem und torreichem Fußball auf den Geschmack gebracht."

Popp aus spitzem Winkel

Genau so war es. Auch am Sonntag, aber nur noch phasenweise. Gegen Nigeria, das bei einer U20-Frauen-WM zuvor nie über das Viertelfinale hinaus gekommen war, begannen die deutschen Mädchen genauso schwungvoll wie in allen fünf Turnierpartien zuvor, und sie wurden auch diesmal wieder früh belohnt. Eine Vorlage von Dzsenifer Marozsan nutzte Alexandra Popp aus spitzem Winkel zum 1:0 (8.). Auch im sechsten Spiel schossen sich die DFB-Mädchen die wichtige 1:0-Führung heraus, aber so überlegen wie in allen vorherigen Spielen waren sie in der ersten Halbzeit nicht. Sie retteten ihre Führung ohne weitere eigene Chancen gegen technisch und spielerisch ebenbürtige Nigerianerinnen, die 57 Prozent Ballbesitz hatten, vergleichsweise glücklich in die Pause.

Die Lage schien sich nach dem Seitenwechsel wieder zu bessern. Das deutsche Team stand nun deutlich höher, und Popp hätte nach 52 Minuten per Kopf auf 2:0 erhöhen können, lenkte den Ball allerdings neben das Tor und raufte sich ebenso die blonden Haare wie acht Minuten später, als ein von ihr abgefälschter Ball fast im Winkel gelandet wäre. In den nächsten Minuten drückten die Gastgeberinnen auf die Vorentscheidung und kamen wieder zu hochkarätigen Chancen, die jedoch allesamt mit offenbar schwindender Kraft vergeben wurden. Die Mühe lohnte sich trotzdem, denn die ebenfalls langsam ermüdenden Nigerianerinnen konnten so vom deutschen Tor ferngehalten werden.

Am Ende feierten die deutschen Mädchen schließlich den Weltmeistertitel. Zu beweisen hatten sie ohnehin niemandem mehr etwas. Ihre Leistungen im Laufe des Turniers waren insgesamt herausragend gewesen, und die Entgegennahme des Pokals durch die Kapitänin Marina Hegering kurz nach 17 Uhr entsprechend angemessen.

© SZ vom 02.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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