WM-Quartier 2006:Die Party der Empörten

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Der Streit zwischen Bundestrainer Klinsmann und Leverkusen über das WM-Quartier 2006 geht weiter

Von Christoph Biermann

Leverkusen - Voll besetzt wird sie am Mittwoch sein, die Ehrentribüne in der BayArena. Real Madrid kommt, und die Zwischenlandung der Galaktischen auf deutschem Boden möchte sich niemand entgehen lassen.

Auch Vertreter des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL) haben sich angekündigt, und Bundestrainer Jürgen Klinsmann wird nach seiner Rückkehr aus den USA postwendend in Leverkusen eintreffen. "Der Kontakt ist rege, wenn man Ehrenkarten haben möchte", sagt Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, "er ist es weniger, wenn es um das Einhalten von Verpflichtungen geht."

Das klingt so beleidigt, wie es gemeint ist. Seit in der vergangenen Woche vor dem Länderspiel gegen Brasilien in Berlin die "Botschaft der Trommel" zu hören war, wie Bayer-Sportbeauftragter Meinolf Sprink es nennt, knirscht es zwischen dem Bundesligisten mit dem Konzern im Rücken und dem DFB gewaltig.

Am Sonntag vor einer Woche hatte sich die neue sportliche Führung der Nationalmannschaft (Klinsmann, Joachim Löw und Oliver Bierhoff) mit DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, Generalsekretär Horst R. Schmidt und DFL-Chef Werner Hackmann getroffen.

Dabei wurde offensichtlich, dass den Trainern die Distanz zwischen dem vorgesehenen Trainingsplatz bei der WM 2006 in der BayArena und der Unterkunft im Schlosshotel Lerbach zu groß ist.

40 Minuten Fahrzeit dauert eine Strecke angeblich, also sollte ein näher gelegenes Domizil gesucht werden.

Helfer bei der Kandidatur

Holzhäuser meint zwar, dass es "über die Landstraße bestenfalls 20 Minuten dauert". Aber inzwischen ist eine Diskussion um das WM-Trainingslager der Nationalmannschaft in der Welt, in die sich gestern auch Karl-Heinz Rummenigge einschaltete.

"Da dürfen keine politischen oder sonstigen Überlegungen eine Rolle spielen, sondern nur die Frage: Wo ist die beste Vorbereitung für unsere Nationalmannschaft gewährleistet", erklärte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern.

Seiner Ansicht nach ginge es nicht darum: "Wem muss ich noch irgendwo 'danke' sagen." Dabei war es in Leverkusen als Eklat empfunden worden, als Bierhoff mitteilte, vielleicht müsse man einen Standort für die WM neu wählen. Die Vereinbarung mit Leverkusen hat nämlich eine lange Vorgeschichte.

"Die Bayer AG war da, als nur wenige Großunternehmen auf die scheinbar chancenlose Karte einer WM-Bewerbung gesetzt haben", erklärte schon im März 2001 Reiner Calmund, damals noch Bayer-Manager.

Das Unternehmen wäre "mit dem Panzerspähwagen vorgefahren" und hätte später die Kampagne "mit Sprit für ein paar Millionen" betankt, angeblich waren es rund vier Millionen Mark.

Am deutlichsten sichtbar wurde das 1999 in Mexiko, als die lokale Dependance der Bayer AG für den DFB die Party im Rahmen des Confederations-Cup schmiss.

"Der aus Neuseeland war damals auch da", sagte Calmund. Der aus Neuseeland heißt Jack Walker, und seine Stimme sorgte schließlich dafür, dass Deutschland die WM bekam.

Außerdem stellte Bayer nach dem EM-Desaster 2000 den damaligen Sportdirektor Rudi Völler fürs Nationalteam frei und bezahlte ihn sogar eine Zeit lang weiter. Bei der WM 2006 sollte Bayer belohnt werden, darauf einigten sich im April 2002 Mayer-Vorfelder, Generalsekretär Schmidt und Franz Beckenbauer mit den Bayer-Chefs.

Später gab es Vorgespräche und Vorbesichtigungen des Stadions, für die Zeit nach der Europameisterschaft erwartete der Klub ein so genanntes Pflichtenheft, was denn am Stadion noch zu machen sei, um vielen hundert Journalisten adäquate Arbeitsbedingungen zu sichern.

Wirtschaftliche Interessen

Nur wunderte sich Holzhäuser, als auch zwei Monate nach dem EM-Finale in Leverkusen kein Pflichtenheft angekommen war und mahnte es schriftlich an. "Wir haben mit dem DFB einen Vertrag", sagt der Bayer-Sportbeauftragte Sprink, und Holzhäuser besteht darauf, dass der DFB "für die gesamte Vorbereitung und das Turnier" in der BayArena gebucht ist.

Mal ein paar Tage vorbei zu schauen, damit will sich Bayer nicht zufrieden geben. Denn selbstverständlich handelt es sich hier nicht um verletzte Gefühle von Gastgebern, sondern um wirtschaftliche Interessen.

Wochenlang würde der nationale und internationale Fokus auf dem Stadion liegen, wo der Gastgeber trainiert, und dieser Werbewert ist Millionen wert. Auch das Hotel im Stadion wäre mitten in der Sommerflaute von den Berichterstattern ausgebucht.

"Wir sind in der Entscheidungsfindung", teilte DFB-Sprecher Harald Stenger gestern mit. Bierhoff war nicht zu erreichen, Klinsmann in den USA, und der Rest des Verbandes schweigt weiter. In der ganzen Debatte hatte es bis zum Montagnachmittag noch keinen direkten Kontakt zwischen DFB und Bayer gegeben.

"Das passt nicht ganz zum Stil des DFB", grummelt Holzhäuser, "aber vielleicht ändert er sich auch gerade." Einen Ausweg aus dem Konflikt kann auch das WM-Organisationskomitee nicht anbieten, etwa als Ausgleich den Weltmeister Brasilien nach Leverkusen zu verfrachten.

"Das können wir nicht, das entscheiden die Verbände selber", sagt Wolfgang Niersbach, Kommunikations- und Marketingdirektor des OK. Ansonsten erinnert auch er sich: "Es gab klare Absprachen."

Vielleicht wäre am Mittwoch in der BayArena eine gute Gelegenheit, im direkten Gespräch zu prüfen, wie bindend sie sein sollen.

© SZ vom 14.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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