WM-Qualifikation in Afrika:Die Revolution des 8. Oktober

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Togo, Ghana, Angola, die Elfenbeinküste - vier der fünf Starter aus Afrika sind WM-Debütanten. Nur Tunesien ist ein alter Bekannter. Die WM-erfahrenen Kamerun, Nigeria und Senegal sind dagegen nicht dabei.

Andreas Burkert

Nlend Pierre Womé ist ein stolzer Mann, denn er hat es als Fußballer sehr weit gebracht. Seit fast zehn Jahren verdient er sein Geld in Europa, dabei ist Womé erst 26. Der Verteidiger spielte in Spanien für Espanol, in England für Fulham, in Italien bei der Roma, in Bologna und Brescia; neuerdings trägt er das Trikot von Inter Mailand.

Togolesische Fans feiern ihre Nationalmannschaft. Togo ist das erste Mal bei einer Fußball-WM dabei und krasser Außenseiter. (Foto: Foto: Reuters)

Seine Heimat ist Afrika, Womé stammt aus Douala in Kamerun, und mit der Nationalmannschaft wäre er so gerne im nächsten Jahr nach Deutschland gekommen. Doch Womé und seine Freunde wie Samuel Eto'o, der Torjäger des FC Barcelona, dürfen nun doch nicht dabei sein bei der WM 2006.

Und Womé ist leider schuld.

Wie er sich fühlte nach seinem Elfmeterschuss in Yaoundé im letzten Qualifikationsmatch gegen Ägypten, brauchte ihn hinterher niemand fragen. Denn alle sahen es ja. Womé weinte, ebenso Eto'o und der frühere Kölner FC-Profi Rigobert Song. Im Grunde weinten alle Kameruner.

Strafstoß in der Nachspielzeit

Einen Sieg hätten sie benötigt gegen das längst chancenlose Team aus Ägypten, und als ihnen der Referee in der Nachspielzeit beim Stand von 1:1 noch einen Strafstoß zusprach, waren sich alle sicher gewesen: Womé trifft, er schießt Kamerun zur WM. Womé ist schließlich ein erfahrener Schütze, bei Olympia 2000 in Sydney entschied sein letzter Treffer im Finale gegen Spanien das Elfmeterschießen um Gold.

Es war nur logisch, dass er sich im Ahidjo-Stadion den Ball zurecht legte. Womé schoss also, hart und flach, der Ball hoppelte gegen den rechten Pfosten. Und dann ins Seitenaus. Womé sank zu Boden. Alle Kameruner sanken zu Boden. Und sie weinten.

Den 8. Oktober 2005 wird nicht nur Nlend Pierre Womé so bald nicht mehr vergessen. Denn der Fußballkontinent Afrika erlebte an diesem Samstag eine kleine Revolution: Neben dem fünfmaligen WM-Starter Kamerun wird in Deutschland auch der einstige Mitfavorit Nigeria fehlen, ebenso Senegal, immerhin Viertelfinalist bei der letzten WM in Asien.

Ein "Drogba" ist gleich ein Literkrug Bier

Dafür feierten die Menschen in vier Ländern, deren Teams erstmals an einer Weltmeisterschaft teilnehmen werden: Neben Tunesien, das sich mit dem glücklichen 2:2 gegen die - in zehn Partien unbesiegten - Marokkaner bereits zum vierten Mal qualifizierte, bejubelten die Elfenbeinküste, Angola, Togo und der als viermaliger Afrika-Champion längst überfällige Debütant Ghana ihre WM-Premiere.

Die Elfenbeinküste profitierte vom großen Pech Womés. Am letzten Spieltag hatte die Elf um Chelseas Stürmer Didier Drogba zuhause 2:3 gegen Kamerun verloren und damit erstmals auch die Spitze in der Afrika-Gruppe 3. Am Samstag, nach dem 3:1 im Sudan und Womés dramatischem Fehlschuss, feierten die Menschen in diesem vom Bürgerkrieg geknebelten Land fröhliche Partys mit ein paar "Drogbas", wie sie dort inzwischen den Literkrug Bier nennen.

Auch in Togo, Ghana und Angola fluteten glückliche Menschen die Straßen. In ihren Teams stehen keine Stars wie Drogba, der letzte Saison im Europacup den FC Bayern erledigte mit seiner Sprunggewalt und nun mit zehn Toren bester Schütze der Afrika-Runde ist. Angolas Held heißt Fabrice Akwa, einer ihrer wenigen Legionäre; er spielt in Katar.

Die Heimat des Voodoo

Zehn Minuten vor Schluss köpfte der Kapitän zum 1:0 in Ruanda ein, womit Nigerias 5:1 gegen Simbawe wertlos blieb. 600 Fans hatten das Team des einheimischen Trainers Luis Oliveira Goncalves (der schon Angolas Junioren zum Afrika-Titel 2001 führte) begleitet. Es müssen sehr wohlhabende Menschen aus einer Nation gewesen sein, deren Bewohner eine Lebenserwartung von knapp 37 Jahren besitzen.

Neben Angola wird wohl Togo der Außenseiter schlechthin sein bei der WM 2006, vielleicht sogar der größte seit dem Gastspiel Haitis 1974. Die bekanntesten Togolesen hießen bisher vermutlich Nicole Coste - eine Flugbegleiterin, die dem Prinzen von Monaco kürzlich einen Sohn gebar - und Yaka-Garonfin Koptigan, der mit 59 als ältester Tennisspieler im Davis-Cup aufschlug.

Gut fünf Millionen leben in der westafrikanischen Heimat des Voodoo, und der neue Hohepriester dort heißt nun Stephen Keshi. Der Nationalcoach sorgt mit dem im Kongo (3:2) besiegelten Triumph sogar dafür, dass Nigeria doch bei der WM vertreten sein wird: Keshi ist Nigerianer und bei der WM 1994 Kapitän der Super Eeagles gewesen. "Das war das Spiel meines Lebens", sagte Keshi am Samstag und weinte. Vor Glück.

© SZ vom 10.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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