WM-Playoffs:Freigeist gegen böse Geister

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Plötzlich im Mittelpunkt: Andrej Kramaric (am Boden) wird umringt von seinen kroatischen Kollegen, darunter die ehemaligen Bundesliga-Profis Ivan Rakitic (links) und Ivan Perisic (hinten). (Foto: imago/ZUMA Press)

Andrej Kramaric ist Kroatiens Hoffnungsträger in den beiden WM-Playoff-Spielen gegen Griechenland - das mutmaßlich mafiöse System in seiner Heimat belastet aber auch den Bundesligaprofi der TSG Hoffenheim.

Von Tobias Schächter

Andrej Kramaric sagt: "Je mehr Drama, desto besser ist das für mich." Der Offensivspieler der TSG Hoffenheim ist ein Fußballer, der Spiele entscheiden kann. Das hat der 26-Jährige vor vier Wochen wieder bewiesen: Die kroatische Nationalmannschaft musste in der Ukraine gewinnen, um überhaupt noch eine Chance auf die Teilnahme an der WM 2018 in Russland zu haben. Kramaric erzielte beide Tore zum 2:0-Sieg.

Und viel mehr Drama geht nicht, wenn an diesem Donnerstag in Zagreb und am Sonntag in Piräus Kroatien und Griechenland in den Playoffs zur WM aufeinandertreffen. Die Kroaten verloren in der Endphase der Gruppenphase das Direktmandat für die Weltspiele noch an Island. Die nächste WM in Russland böte den in die Jahre gekommenen Modric, Mandzukic und Rakitic wohl die letzte Chance, aus dem Schatten der großen Generation des kroatischen Fußballs zu treten, die 1998 in Frankreich WM-Dritter wurde. Seit seinen Toren in der Ukraine gilt Kramaric als Hoffnungsträger.

Als Assistent der Nationalelf fungierte plötzlich der ehemalige Bundesliga-Profi Ivica Olic

Er tritt als Freigeist auf und neben dem Platz auf, der den Respekt seiner Trainer genießt. In Kroatien ist das mittlerweile Zlatko Dalic, 51, der vor dem Ukraine-Spiel panikmäßig ins Amt gehievt wurde. Als Assistent wurde ihm vor den Playoffs der ehemalige Bundesliga-Profi Ivica Olic zur Seite gestellt. Dalic arbeitete die vergangenen sieben Jahre auf der Arabischen Halbinsel und löste Ante Cacic ab. "Wir haben viele Spieler, die in den besten Klubs der Welt spielen. Vielleicht haben wir gedacht, das reicht. Wir waren nicht mehr so fokussiert", sagt Kramaric vorsichtig.

Dass ausgerechnet Kramaric, bis zum Ukraine-Spiel nur Ergänzungsspieler, das von Skandalen erschütterte Nationalteam vor der Blamage gegen die Griechen des deutschen Trainers Michael Skibbe bewahren soll, beinhaltet eine Besonderheit. Die Geschichte von Kramaric ist eine ungewöhnliche im ansonsten mutmaßlich mafiösen System des kroatischen Fußballs, dem gerade in Osijek der Prozess gemacht wird. Seit einem Jahr muss sich Zrdavko Mamic verantworten, was auch die Nationalmannschaft belastet. Der langjährige Präsident des Serienmeisters Dinamo Zagreb und Verbandsvize, dessen Bruder Zoran sowie ein Verbandsfunktionär und ein Steuerbeamter sollen den Staat um mindestens rund 17 Millionen Euro geprellt haben. Bei Wechseln von Spitzenspielern von Dinamo ins Ausland soll sich der Mamic-Clan bereichert haben. So etwa am Transfer von Modric 2008 zu Tottenham Hotspur (Ablösesumme 21 Millionen Euro).

Der Zeuge Modric widerrief im Juni stotternd eine vorher getätigte Aussage und entlastete so Zdravko Mamic, indem er nun behauptete, die Vereinbarung zwischen ihm und Mamic um die Aufteilung der Ablösesumme sei vor dem Wechsel geschlossen worden und doch nicht nachher. Jetzt hat Modric ein Verfahren wegen möglicher Falschaussage am Hals, das ihn ins Gefängnis bringen könnte. Im Ansehen der Kroaten ist Modric tief gefallen.

Das mutmaßliche Gangsterstück treibt seither neue Volten: Zdravko Mamic, der sich als Opfer einer Verschwörung sieht, wurde im August am Grab seines Vaters in Bosnien angeschossen. Einen Tag danach posierte er lächelnd für die Kameras in der Klinik. Wie soll eine Mannschaft unter diesen Umständen ihren besten Fußball spielen? Zumal auch der ehemalige Starkicker und heutige Verbandsboss Davor Suker in Kroatien als Marionette von Mamic gilt.

2013 wechselte Kramaric nach Rijeka und entzog sich dem Einfluss des Mamic-Clans

Auch Kramaric leidet an den Vorgängen in seiner Heimat. "Das ist alles seltsam. Es ist schade, dass es immer diese Geschichten und die Fankrawalle um die Spiele mit dem Nationalteam gibt, und der Sport dadurch in den Hintergrund rückt", sagt er. Kramaric ist in Zagreb geboren und stammt aus der Jugendakademie von Dinamo. In der ersten Mannschaft spielte er aber kaum. "Als ich jung war, habe ich bestimmte Dinge nicht akzeptiert. Die Dinge haben sich in eine falsche Richtung entwickelt, obwohl Dinamo mein Klub war." Welche Dinge er nicht akzeptiert hat, will Kramaric nicht sagen. Bekannt ist, dass Mamic als Dinamo-Präsident mit vielen Profis private Verträge abgeschlossen hat, die ihm 20 Prozent der Einkünfte dieser Spieler bis an deren Karriereende sichern, unter anderem auch mit Modric.

Kramaric und sein Berater haben nach Lage der Dinge nichts mit dem Mamic-Clan zu tun. 2013 wechselte Kramaric nach Rijeka und entzog sich dem Einfluss des Clans, später zog er weiter nach Leicester in die Premier League, seit 2016 spielt er in Hoffenheim. Teile der verfeindeten Fangruppen von Dinamo Zagreb und Hajduk Split versuchen seit Jahren auch mit zweifelhaften Mitteln auf den Korruptionssumpf aufmerksam zu machen. "Ich weiß, was die Menschen denken, natürlich wollen sie, dass sich die Dinge ändern. Vielleicht ändern sich die Dinge in der Zukunft, nun aber ist es so, wie es ist. Es ist eine Schande und bitter, weil wir so ein großartiges Team haben", sagt Kramaric.

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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