WM-Kommentatoren:Wie viele?

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Der Fußball-Kommentator ist wirklich kaum zu beneiden.

Christopher Keil

Zu den wenigen wirklich komischen Momenten, die es ja gelegentlich gibt während der Übertragung eines Fußballspieles, zählt ganz sicher jene Verwechslung, die dem Kommentator Gerd Rubenbauer einen Eintrag in die Internetliste "Knalldoof.de" sicherte.

(Foto: Foto: SZ)

Als der Fußballweltverband Fifa das Anzeigen der Nachspielzeit durch einen so genannten Offiziellen eingeführt hatte, sah Rubenbauer so einen Offiziellen. Vor allem sah er die Ziffer auf der kleinen Tafel, die der Offizielle in die Höhe stemmte. "Jetzt wechselt Jamaika den Torhüter aus", sagte Rubenbauer. Er hatte die "1" gesehen, doch diese "1" stand für eine Minute Nachspielzeit.

Rubenbauer war als Kommentator gut, aber er war immer auch einer, der schnell zu verstehen glaubte, noch schneller redete und sich mit Verzögerung und nach diversen Bildwiederholungen entweder korrigierte oder in seinem Irrtum bestätigte. Das ist oft faszinierend: Da tritt ein Profi dem anderen beinahe den Fuß ab, und der Kommentator behauptet auch nach der elften Superzeitlupe aus der achten Perspektive, der Tritt habe dem Ball gegolten. Manchmal denkt man: Er weiß es nicht besser.

Ganz grundsätzlich ist der Kommentator in keiner beneidenswerten Situation - sieht man von seiner Popularität, seinem hohen Einkommen, seiner gesteigerten sozialen Bedeutung und seiner sehr angenehmen Aufgabe ab. Ein Kommentator muss beschreiben, was er sieht, und dafür muss er verstehen, was er sieht.

Wie viele Kommentatoren verstehen etwas vom Spiel und gleichzeitig von der Sprache? Wie viele haben das Talent, im Fernsehen aufzutreten mit ihrer Stimme und ihrer Gegenwärtigkeit? Ehrlicherweise sind es weniger als die, die im kommenden Monat bei ARD und ZDF, RTL und Premiere kommentieren werden.

Rubenbauer übrigens zog sich aus Verärgerung über die ARD zurück, weil ARD-Manager den Talkmaster Reinhold Beckmann für das Finale nominierten. Als Argument hatte ihnen eine Umfrage gedient, derzufolge Beckmann irgendwie vor Rubenbauer lag. Vielleicht sollten sich die TV-Manager fragen, ob die Fußballkommentierung - und das hat mit Beckmann zunächst nichts zu tun - eine demoskopisch gestützte berufliche Nebenleistung sein kann.

Und wenn man sich schon einmal Gedanken macht, kommt man auf den Gedanken der falschen Demokratisierung. Seit Sportrechte durch den Wettbewerb privater und öffentlich-rechtlicher Sender die wichtigsten Lizenzen wurden, entstanden zwar immer mehr neue Redaktionen, in denen einer schnell mal kommentieren und moderieren durfte. Aber es entstand weniger Journalismus und weniger gute Unterhaltung.

Gute Unterhaltung ist die Sehnsucht. Manchmal kann ein Satz diese Sehnsucht erfüllen. Unter "Knalldoof.de" findet man einen Spruch von Marcel Reif, aufgesammelt beim Länderspiel Deutschland - Ghana: "Die Spieler von Ghana erkennen Sie an den gelben Stutzen."

© SZ vom 3.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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