WM 2026:Ringen um Marokko

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Der Konkurrent der Amerika-Allianz um die Austragung der Fußball-WM 2026 wurde zwar nur mäßig bewertet, aber zur Wahl zugelassen.

Von Thomas Kistner, München

Die nächste interne Kraftprobe im Weltfußball, die nächste Niederlage für Gianni Infantino: Nach tagelangem Ringen musste seine Fifa-Taskforce am Freitagabend beiden Bewerbern um die Fußball-WM 2026 die Wahltauglichkeit attestieren: der Dreierallianz aus USA/Mexiko/Kanada ebenso wie Marokko. Erwartungsgemäß erhielt die amerikanische United Bid eine deutlich bessere Gesamtbewertung (vier von fünf Punkten), die Nordafrikaner kamen nur auf 2,7 Zähler. Aber die Hürde ist gemeistert, nun stehen andere Fragen und Kriterien im Raum, wenn am 13. Juni in Moskau, am Vorabend der WM-Eröffnung, der Ausrichter erwählt wird.

Die politische Bedeutungslosigkeit mieser technischer Noten zeigt nichts besser als die bisher letzte WM-Vergabe für 2022 an Katar. Das Emirat von der Größe Nordhessens hatte sogar zwei echte K.-o.-Kriterien, siegte aber trotzdem mit so souveränem Vorsprung vor den USA, Japan, Südkorea und Australien, dass Strafermittler in aller Welt bis heute mit der Lösung dieses Rätsels befasst sind. Katar selbst wies korrupte Umtriebe stets zurück. Von den damals votierenden Fifa-Vorständen gibt es heute nur noch zwei, die nicht mit Anklagen, Ermittlungen oder Arrest behaftet sind.

Um die Korruptionsanreize bei WM-Vergaben für den traditionell belasteten Fifa-Vorstand einzudämmen, hatte der Weltverband auf hohen internationalen Druck hin sein Wahlprozedere geändert. Bei der WM 2026 darf erstmals der gesamte Fifa-Kongress über das Veranstalterland entscheiden, also alle Nationalverbände.

Und hier beginnen die Probleme des Gianni Infantino. Der in der Sportwelt umstrittene Fifa-Chef braucht dringend Geld, die Rücklagen der Fifa schmelzen rasant. Infantino hatte bei der Throneroberung seinem Wahlvolk lukrative Versprechungen gemacht - daran wird er bei der nächsten Präsidentenwahl 2019 gemessen. Unter diesem Aspekt erscheint die amerikanische Dreierallianz deutlich attraktiver als die Bewerbung aus Nordafrika. United Bid ködert die Fifa mit WM-Gesamterlösen von gut 14 Milliarden Dollar, die Marokkaner kommen nur knapp auf die Hälfte.

Zwar ist die Zählweise hinter der US-Hochrechnung schleierhaft; Modellberechnungen nähren bereits den Verdacht, dass für die angestrebten Erlöse gigantische Ticketpreise zugrunde gelegt werden müssten. Doch was die Angebote der Allianz betrifft, nahm es Infantinos Taskforce offenbar generell nicht allzu eng. Das zeigt sich an diversen Kernkriterien, die bei seinen Prüfern wenig Beachtung fanden.

Die Afrikaner könnten siegen - schon wegen Donald Trump

Während die Prüfer Marokko in puncto Stadien, Unterkünfte und Transport als "hochriskant" einstufen, spielten Schwachstellen der Allianz kaum eine Rolle. Etwa die alltägliche Sicherheitsfrage, die in der Wirkwelt der mächtigen US-Waffenindustrie eine zentrale Rolle spielt - noch viel mehr aber im benachbarten Mexiko, das von einem anhaltenden Drogen-Bürgerkrieg zerrissen ist. Völlig offen bleibt zudem die Frage, wie sich die Fifa zu den steten, mit Erpressung freundlich umschriebenen Einmischungen Donald Trumps in den Bewerbungsprozess positioniert - immerhin unterläuft der US-Präsident mit Drohungen und Tiraden gegen viele Drittweltländer die oberste aller Sportregeln: dass sich Regierungen aus dem Fußball raushalten sollen.

Offen bleibt auch die Frage, wie die Fifa bei der Wahl mit vier Verbänden verfährt, die US-Territorium sind: Guam, US-Jungferninseln, Amerikanisch-Samoa und Puerto Rico. Marokko hat die Fifa auf Interessenskonflikte hingewiesen und den Ausschluss dieser Verbände von der Wahl gefordert. Doch die Fifa hält sich bedeckt, auch die Taskforce legte nichts dazu vor. Dabei zählt am 13. Juni jede Stimme.

Drei Tage hat die Fifa in Zürich mit den Kandidaten getagt, im Kern ging es aber um Marokko. Nach SZ-Informationen sollen Vertreter der Fifa-Administration um die Vize-Generalsekretäre Zvonimir Boban und Marco Villiger massiv auf den Ausschluss Marokkos gedrängt haben. Doch es waren wohl die Befürchtungen zu groß, dass so ein Schritt die Fifa noch tiefer in die Glaubwürdigkeitskrise treiben würde. Infantino hat erst kürzlich eine herbe Niederlage erlitten, als ein anderes Geldbeschaffungsprojekt am Widerstand im Weltfußball zerschellt ist: Er wollte einen ominösen Deal mit unbekannten, offenbar saudi-arabisch geführten Investoren einfädeln, um über neue Turnierformate Milliarden in die Fifa zu pumpen - was zulasten des europäischen Fußballs gegangen wäre.

Nun wurde dem Fifa-Boss die nächste Tour vermasselt, mit der möglichen Folge, dass die Mehrheit der gut 200 Nationalverbände in zehn Tagen die WM 2026 an Marokko vergibt. Nicht, weil das Land als WM-tauglicher eingestuft wird - sondern weil ein Großteil der Welt die Trump'schen Selbstherrlichkeiten ebenso satthaben könnte wie das Gros der Fußballwelt die Alleingänge Infantinos.

© SZ vom 04.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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