Wimbledon:Opfer im Tiebreak-Chaos

Lesezeit: 2 min

Es roch nach Skandal, aber die betrogene Venus Williams protestierte nicht. Sie konnte überhaupt nicht begreifen, was der erfahrene Referee Ted Watts im zweiten Tiebreak gegen Karolina Sprem mit ihr anstellte.

2:1 führte sie, als dieser der Kroatin einen Punkt zusprach, obwohl deren erster Aufschlag im Aus gelandet war. Die 19-Jährige dachte an einen Rechenfehler und servierte zum zweiten Mal von derselben Stelle aus. Doch Watts erkannte seinen Irrtum nicht und verteilte prompt den nächsten Punkt. Es stand 3:2 statt 3:1 für Venus Williams.

"Ein Punkt entscheidet nicht das Match", sagte die Amerikanerin später. Doch dieser eine Punkt hätte ihr vielleicht die knapp vier Minuten später besiegelte 6:7 (5:7), 6:7 (6:8)-Zweitrunden-Pleite erspart. Erstmals seit vier Jahren kann die zweimalige Championesse (2000/2001) somit nicht das Finale der All England Championships erreichen, das sie in den beiden vergangenen Jahren gegen ihre jüngere Schwester Serena verloren hat.

"So etwas hat es in Wimbledon noch nie gegeben", sagte John Barrett. Das Kommentatoren-Urgestein der BBC ärgerte sich regelrecht über den ausbleibenden Protest der Spielerinnen, ohne den Venus Williams zum "Opfer im Tiebreak-Chaos" wurde, wie die angesehene britische Tageszeitung "The Independent" am Freitag schrieb. Denn dadurch waren auch Oberschiedsrichter Alan Mills die Hände gebunden. "Es war eine bizarre Situation. Aber wenn die Spielerinnen dem Referee nicht sagen, dass etwas falsch ist, steht das Resultat. Nachträglich ist da nichts zu machen."

"Schreckliches Zeichen"

Dass etwas falsch läuft, hatten beide Spielerinnen instinktiv gemerkt. "Es war sehr verwirrend", erklärte Venus Williams, die nach dem Finale des Vorjahres mehr als ein halbes Jahr wegen einer Bauchmuskel-Verletzung aussetzen musste und mittlerweile wieder auf Platz acht der Weltrangliste steht. "Ich habe einfach weiter gespielt", meinte sie. Auch als Watts beim Stande von 7:6 im Tiebreak Sprem schon als Siegerin ausrief, blieb sie stumm. Doch diesen Irrtum korrigierte der Referee und ließ den letzten Punkt noch spielen.

Ein Skandal war die Wimbledon-Wildcard für Martina Navratilova zwar nicht. Ein Ärgernis aber schon und "ein schreckliches Zeichen für das Damen-Tennis", wie Michael Stich meinte. Zehn Jahre nach ihrem letzten Einzel auf dem Heiligen Rasen durfte die 47-Jährige ihr Comeback feiern. In der zweiten Runde schied die neunmalige Siegerin mit 6:3, 3:6, 3:6 gegen die 28 Jahre jüngere Argentinierin Giesela Dulko aus, die ihr schon bei den French Open in Runde eins die Grenzen aufgezeigt hatte.

"Es wäre furchtbar fürs Damen-Tennis gewesen, wenn sie auch noch in die dritte oder vierte Runde gekommen wäre", meinte der Champion von 1991 Stich, der aus London für die BBC berichtet.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken
OK