Widerstand gegen Renault-Zugang:Angst vor dem Geheimnis-Verrat

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Der Renault soll spätestens 2020 schnell genug sein, um Rennen zu gewinnen. Dieses Projekt soll der neue Technik-Direktor Marcin Budkowski maßgeblich vorantreiben. (Foto: Pawel Jaskolka/Imago)

Weil Renault den Technik-Direktor des Weltverbands FIA engagiert, rebellieren die anderen Teams. Sie fürchten, er könnte Insider-Wissen in seinem neuen Job einbringen.

Von Philipp Schneider, Suzuka

Es gab ein großes Thema in Suzuka, das die Fahrer und Teams noch lange nach dem Rennen am Sonntag beschäftigen wird: Die Formel 1 wird gerade von einer Spionage-Affäre erschüttert. Wobei: Eigentlich ist es eher eine Geheimnisverrats-Affäre in spe.

Am Freitag hat Renault verkündet, das war in den vergangenen Tagen bereits erwartet worden, dass der Pole Marcin Budkowski künftig die Chassis-Entwicklung des französischen Teams verantworten soll. Ein neuer Mitarbeiter in einer Firma: Theoretisch ist das ja zunächst mal eine erfreuliche Nachricht. Praktisch ist das Thema allerdings für neun von zehn Teams ein riesiges Ärgernis. Weil Budkowski zuvor als Technikdirektor beim Weltverband FIA angestellt war.

Als würde David Copperfield alle Tricks verraten

Wenn der Technikdirektor der FIA überläuft zu einem Team, dann ist das in der Tat bedenklicher, als wenn Andreas Rettig sein Amt als Geschäftsführer bei der DFL aufgibt und in gleicher Funktion beim Zweitligisten FC St. Pauli anheuert. Bei der DFL weiß ja niemand so brisante Dinge, dass er einem Klub einen Wettbewerbsvorteil verschaffen könnte. Budkowski bei Renault, das ist allerdings so, als würde David Copperfield bei einem Quiz in einer Zauberschule für Kinder mitmachen und dann alle Tricks verraten.

Aus Sicht von Renault ist Budkowski der Mann, der maßgeblich das Projekt voranbringen soll, das Team bis spätestens 2020 so flott zu machen, dass es Rennen gewinnen kann. Aus Sicht von Renaults Wettbewerbern ist Budkowski der Mann, der zu viel weiß.

"Marcin ist in die intimsten Geheimnisse aller Teams eingeweiht"

Bis vor zwei Wochen hat Budkowski bei der FIA sämtliche technischen Neuerungen überwacht, die die Teams erdacht haben. Er war derjenige, der die Innovationen freigegeben hat, nachdem er haarklein geprüft hat, ob sie mit dem Reglement zu vereinbaren sind. "Marcin ist in die intimsten Geheimnisse aller Teams eingeweiht", sagt Christian Horner, der Teamchef von Red Bull: "Sowohl vergangene als auch zukünftige. Vor zwei Wochen hat dieser Mann mit uns über unsere Radaufhängungs-Systeme gesprochen, er war auch in unserem Windkanal. Zu erwarten, dass er dieses Wissen nicht verwenden wird, ist ziemlich naiv."

Stand jetzt muss der 40-Jährige Ingenieur nach seiner Kündigung bei der FIA Ende September nur eine dreimonatige Sperrzeit absitzen. Dann darf er mit seiner neuen Aufgabe bei Renault im britischen Enstone beginnen. Diese kurze Übergangszeit kritisieren eigentlich alle Teams. Allen voran Mercedes-Chef Toto Wolff: "Es geht hier einfach darum, wie lange die Sperrzeit in solchen Fällen sein sollte", sagt er. "In der Industrie beträgt diese Periode mindestens sechs Monate, in vielen Fällen sogar eher 12 Monate. Das müssen wir diskutieren." Das Thema soll im nächsten Meeting der sogenannten Strategiegruppe besprochen werden.

Womöglich sechs Monate Sperrzeit

Die FIA sieht das offenbar ähnlich und hat bereits vorgefühlt bei Renault, wie Teamchef Cyril Abiteboul bestätigte. Der Zeitpunkt von Budkowskis Arbeitsbeginn steht demnach noch nicht fest. "Wir wissen, dass es sich um eine delikate Angelegenheit handelt. Wir wollen einen Termin finden, mit dem alle leben können", sagt Abiteboul: "Momentan sieht es so aus, dass er Anfang April bei uns anfangen könnte. Das wäre immerhin das doppelte seiner vertraglichen Sperrzeit. Das ist aber noch nicht fest beschlossen."

Im April könnte Budkowski zumindest keinen Einfluss mehr auf das Chassis für die Saison 2018 nehmen. Es sei denn natürlich, er arbeitet vorher schon heimlich für Renault. Kontrollieren lässt sich das ohnehin nicht.

© SZ vom 08.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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