Wettskandal:"Betrogen wird, seit es Fußball gibt!"

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Lange vor der Einführung von Wettbüros wurden in Deutschland und anderswo Fußballspiele getürkt - oft weniger aus finanziellem Interesse, sondern schlicht, um die sportliche Entscheidung zu beeinflussen, und das reicht hinab bis in die unteren Spielklassen. Ein Interview mit einem ehemaligen Amateurspieler.

Seinen Namen möchte er nicht nennen. Zum Profi hatte er es zwar nicht geschafft, jedoch zehn Jahre lang in Regional-, Ober- und Verbandsligen gespielt.

Ein paar Euro für ein verschobenes Spiel: in Amateurligen durchaus üblich. (Foto: Foto: dpa, Montage: Theresa Lettner)

sueddeutsche.de: Was sagen Sie zum neuen Wettskandal im deutschen Fußball? Das ist schon eine schlimme Sache, wenn Spiele mafiös verschoben werden. Da stecken ja ganze Banden dahinter, das ist kriminell.

sueddeutsche.de: Also sind die Wetten schuld an den ganzen Betrügereien? Ach was! Verschobene Spiele gab es vorher auch schon, vor allem bei den Amateuren. Dort wird betrogen, seit es Fußball gibt."

sueddeutsche.de: Können Sie das erklären? Naja, wenn man drei Spiele vor Saisonende nichts mit Auf- oder Abstieg zu tun hat und gegen Mannschaften spielt, für die es um alles oder nichts geht, können schon mal Anrufe kommen.

sueddeutsche.de: Das müssen Sie genauer erläutern... Da ruft dann ein Spieler der Mannschaft A bei einem befreundeten Spieler der Mannschaft B an und fragt, ob man vielleicht was drehen könnte. Und so nimmt die Sache dann ihren Lauf.

sueddeutsche.de: Wieviele Personen mussten dann involviert sein? Unterschiedlich. Manchmal reichen zwei, drei Spieler aus jeder Mannschaft. Einmal wussten alle Bescheid. Nur der Torwart sollte immer eingeweiht sein...

sueddeutsche.de: Und wie läuft die Kommunikation im Team? Im Training werden dann einzelne Spieler gefragt, manchmal auch der Trainer. Und dann verständigt man sich eben. Einmal wurde gar ein doppelter Bestechungsveruch gestartet.

sueddeutsche.de: Wie funktionierte das? 1997 war das, in der vierten Liga. Eine Mannschaft wollte uns bezahlen, dass wir uns doppelt anstrengen und gewinnen, die andere uns zum Verlieren animieren.

sueddeutsche.de: Was kam dabei heraus? Wir haben erstmal normal gespielt. Nur ein Unentschieden durfte ja nicht herauskommen. Am Ende haben wir 3:1 gewonnen und ein Fest bezahlt bekommen. Also wurde nicht betrogen, das muss ich klarstellen!

sueddeutsche.de: Welche Summen fließen sonst so? Ach, das ist ganz unterschiedlich. Manchmal nur ein paar Kisten Bier oder die Abschlussfeier am Saisonende. Manchmal aber auch bis zu 10.000 Mark. Damals jedenfalls.

sueddeutsche.de: Und die Summen wurden dann aufgeteilt? Nein, das floss immer in die Mannschaftkasse und davon wurden dann Feste oder die Abschlussfahrt bezahlt.

sueddeutsche.de: Keine Angst, dass etwas herauskam? Eigentlich nicht. Verlieren kann man ja immer mal. Und ich muss aber auch sagen, dass in meiner Karriere 'nur' vier oder fünf Spiele verschoben waren. Immer am Saisonende. Bei dem Wettskandal wurde ja laufend betrogen. Das kann man wirklich nicht vergleichen! Obwohl es auch nicht immer klappt.

sueddeutsche.de: Wie meinen Sie das? Es gab einen Fall, den mir ein Mannschaftskollege mal erzählt hat. Es war Anfang der 90er, letzter Spieltag. Das Spiel sollte Unentschieden enden, alles war klar. Er selbst hatte bereits einen Profivertrag in der Tasche, nur unverletzt musste er bleiben. Und dann wird er von einem Gegner brutal gefoult und wird schwer verletzt. In einem Spiel, dessen Ausgang von vornherein geplant war. Die Karriere war dahin. Das muss man sich mal vorstellen.

sueddeutsche.de: Ein Opfer also. Wurden Sie auch schon einmal Opfer eines verschobenen Spiels? Einmal fast. Das war am Anfang meiner Karriere. Da spielten zwei benachbarte Orte gegeneinander. Mannschaft A musste gewinnen, um noch eine Chance auf den Klassenerhalt zu haben, Mannschaft B war gesichert. Da war uns klar, dass A gewinnen wird. Mannschaft B hatte ja auch ein Interesse daran, keine weite Anreise, Derbys in der nächsten Saison sind lukrativer als gegen uns zu spielen.

sueddeutsche.de: Und wie ging es aus? Die haben gewonnen, klar. Wir aber auch, mit viel Dusel. Wenn wir verloren hätten, wären wir abgestiegen.

sueddeutsche.de: Schon mal einen Bestechungsversuch unternommen? Ich selbst nicht. Aber ich weiß, dass einer meiner Vereine mal mit einem anderen Verein einen Deal hatte. Der ging aber in die Hose, weil wir trotz Absprachen kein Tor schießen konnten. 0:0 ging das Spiel aus, obwohl wir fünf große Chance geschenkt bekamen. Wir sind abgestiegen.

sueddeutsche.de: Die Vereine wussten also Bescheid? Sehr oft. Oder die Sponsoren. Dann bekommen Spieler oft überhaupt nichts mit.

sueddeutsche.de: Wie läuft das dann ab? Nun, viele Spieler waren damals beim Hauptsponsor angestellt. Als wir am vorletzten Spieltag beim Tabellenzweiten antreten mussten - wir selbst waren nur Sechster - hat er vier unserer wichtigsten Spieler einfach auf Montage geschickt. Einfach so, der Beruf geht ja vor. Das Spiel haben wir natürlich verloren.

sueddeutsche.de: Und der Sponsor hat kassiert... Das weiß ich nicht.

sueddeutsche.de: Mit Wetten hatten Sie noch nie zu tun? Einmal beinahe. 2002 war das, am letzten Spieltag.

sueddeutsche.de: Was passierte da? Wir waren Fünfter, eine befreundete Mannschaft Vierter. Wir hatten schon eine gemeinsame Fete nach dem Spiel geplant. Da haben wir vor dem Training gescherzt: Man könnte doch beide Mannschaftskassen auf ein 4:4 setzen und dann eine richtig große Fete veranstalten.

sueddeutsche.de: Wieviel hätten Sie gewonnen? Genau weiß ich das nicht mehr. Bei uns waren so 2.000 Euro in der Kasse, bei denen wohl auch. Die Quote dürfte zwischen acht und zehn gewesen sein. Also hätten beide Mannschaften ungefähr 16.000 Euro gewonnen.

sueddeutsche.de: Warum wurde der Plan verworfen? Weil uns das zu kriminell war. Und wegen der Angst, dann doch erwischt zu werden. Und wer hätte denn setzen sollen? Einer aus der Mannschaft? Ein Spiel untereinander zu verschieben, ist nicht schwer. Aber beim Wetten braucht man ja noch viel mehr Menschen, die eingeweiht sind. Da braucht es schon Banden, kriminelle Energie. Was wir damals taten, war ja harmlos.

sueddeutsche.de: Das kann man auch anders sehen. Auf jeden Fall wurden die Spiele nicht kontrolliert. Also werden im Amateurbereich auch weiterhin Spiele verschoben werden? Klar. Wenn keine Wetten dahinter stehen und es nicht zu auffällig passiert, werdem am Ende einer Saison immer Spiele getürkt werden.

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