Wett-Skandal:Juristen schauen auf das Rennquintett

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Die Staatsanwaltschaft Berlin sieht Schiedsrichter Hoyzer derzeit nicht als Kronzeugen, sondern als Bandenmitglied. Wer wann wem warum Geld gegeben hat, wird am Ende entscheidend sein.

Von Hans Leyendecker

Der Fall mit dem Aktenzeichen 68 Js 51/05, den der Berliner Generalstaatsanwalt Hansjürgen Karge gemeinsam mit Staatsanwältin Petra Leister aus der Abteilung 68 (Bekämpfung der Organisierten Kriminalität) bearbeitet, ist für einen Teil der Öffentlichkeit ein einfacher Fall: Schiedsrichter, Spieler und drei angebliche Mafiosi aus dem Berliner Milieu haben Fußballspiele manipuliert. Handschellen müssen klicken, harte Strafen sind zu erwarten.

Nur nicht hinschauen: der Praesident des Deutschen Fussball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger. (Foto: Foto: ddp)

Die Realität ist anders. Das beginnt schon bei Definitionen. Dass es sich bei den drei inhaftierten Kroaten, den Brüdern Milan, Ante und Philip S., die in der Öffentlichkeit als Angehörige einer "Wett-Mafia" vorgestellt werden, wirklich um Mitglieder der Ehrenwerten Gesellschaft handelt, ist zumindest umstritten. Keiner der drei ist vorbestraft oder hat laut Berliner Polizeiquellen Verbindungen in den Bereich der Organisierten Kriminalität.

Falsche Erwartung

"Mafia, eigtl. Überheblichkeit, Anmaßung", erklärt der "Duden" den Begriff. Das mag in diesem Fall der Berufszocker ja passen, aber die landläufige Vorstellung ist anders: Mafia ist für die Öffentlichkeit ein anderes Wort für Camorra oder Cosa Nostra. Berufsspieler jedenfalls fallen darunter nicht.

Die frühzeitig eingeschalteten Anwälte der drei Kroaten, die im Berliner Café King arbeiteten, hatten eigentlich mit einer Durchsuchung der Räumlichkeiten des Lokals am Montag dieser Woche gerechnet. Freitag voriger Woche wurde der einstige Schiedsrichter Robert Hoyzer vernommen und die vorsorglich eingeschalteten Verteidiger nahmen an, dass die Staatsgewalt ein bisschen Luft brauche um zuzuschlagen. Diese Erwartung war falsch.

Handschellen klickten wirklich

Generalstaatsanwalt Karge hatte sich am Telefon über den Fortgang der Vernehmungen Hoyzers informieren lassen und die Durchsuchungsbeschlüsse am Freitag waren dann rasch gefasst. Handschellen klickten wirklich. Den Brüdern, die an Wett-Manipulationen in großem Stil verwickelt sein sollen, wurde von den Ermittlern "banden- und gewerbsmäßiger Betrug in einem besonders schweren Fall" vorgeworfen.

Tags darauf präsentierte Staatsanwältin Leister den Anwälten der drei festgenommenen Kroaten nicht nur die erste - in einigen Passagen geschwärzte - Vernehmung Hoyzers, sondern auch einen Beschluss des Bundesgerichtshofs.

Dieser Beschluss sei für das weitere Procedere ganz wichtig, erklärte die Strafverfolgerin, die gern mit offenen Karten spielt. Der BGH-Fall sei der einzige in der juristischen Literatur, der für die aktuelle Situation Bedeutung habe.

Das juristische Gelände ist vermint

Am Anfang stand ein Urteil des Landgerichts Düsseldorf von 1979. Das Gericht hatte einen Angeklagten wegen vollendeten Betrugs in drei Fällen und versuchten Betrugs in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr mit Bewährung verurteilt. Der Angeklagte hatte Jockeys bestochen und deshalb beim Rennquintett beachtliche Gewinne erzielt. In die Literatur ging der Fall so ein: "Wer beim Abschluss einer Rennwette verschweigt, dass er durch Bestechung von Rennreitern das Wettrisiko zu seinen Gunsten vermindert hat, erfüllt den Tatbestand des Betruges." Das könnte im Fall der verdächtigen Kroaten helfen.

Aber das juristische Gelände ist sehr vermint. Der BGH machte Anmerkungen, und der heutige Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Winfried Hassemer, hat in einem Kommentar, der 1980 in der Zeitschrift Juristische Schulung erschienen ist, die dann erfolgte Entscheidung des BGH abgelehnt: "Die Unterscheidung durch konkludentes Vorspiegeln und Täuschung durch Unterlassen ist schwierig, die Rechtssprechung ist gekennzeichnet durch eine umfangreiche teilweise widersprüchliche Kasuistik" schrieb Hassemer. Das heißt übersetzt auf den neuesten Fall: Auch der Fall der Brüder S. ist so einfach nicht.

Wer wann wem warum Geld gegeben hat, wird am Ende entscheidend sein. Den Kroaten drohen, theoretisch, bis zu zehn Jahren Haft. Interessant ist, dass - wie aus Berliner Justizkreisen zu erfahren ist - die Staatsanwältin Leister derzeit den jungen Schiedsrichter Robert Hoyzer nicht als Kronzeugen, wie es dessen Verteidigung gern hätte, sondern als Bandenmitglied betrachtet. Das kann den Fall noch mal verändern. Wenn Hoyzer weiter auspackt, gefährdet er möglicherweise seine eigenen Interessen.

Das Opferlamm

Das alles ist juristisch sehr kompliziert und überfordert möglicherweise sogar den juristischen Sachverstand des DFB. Auffällig ist, dass sich der frühere Trainer des Hamburger Sportverein, Klaus Toppmöller, in der Affäre als Opferlamm zelebriert.

Seine Konstruktion geht etwa so: Als Trainer des Hamburger Sportvereins sei er durch das manipulierte Pokalspiel beim Paderborner SC in Schieflage geraten. Also stehe ihm möglicherweise Schadenersatz zu. Juristisch ist das nicht nachvollziehbar. Das Recht auf einen Arbeitsplatz ist rechtlich nicht gegen Eingriffe Dritter geschützt. Versteht das Toppmöller? Versteht das der DFB?

© SZ vom 2.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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