Wett-Skandal:Das lange Schweigen

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Der DFB brüstet sich damit, im Fall Robert Hoyzer aktiv Aufklärungsarbeit in den eigenen Reihen zu leisten. Jetzt wird jedoch der Vorwurf laut, dass der Verband die Staatsanwaltschaft viel zu spät informiert habe. Von Thomas Kister

Mit wachsendem Erstaunen registrieren Strafrechtsexperten das Procedere, mit dem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Aufklärung des jüngsten Sündenfalles in eigenen Reihen betreibt.

Steht grade ganz schön im Regen: Schiri Robert Hoyzer. (Foto: Foto: AP)

Wie sich gestern herausstellte, kam die Betrugsaffäre um Schiedsrichter Robert Hoyzer auf Grundlage der Belastungsmaterialien von vier seiner Kollegen in Gang; nun bekannte sich das Quartett öffentlich.

"Wir sahen auf Grund der vorliegenden Informationen und der direkten Aussagen von Robert Hoyzer gegenüber dem Schiedsrichterkollegen Felix Zwayer eine dringende Aufklärungsnotwendigkeit, um eventuellen Schaden am deutschen Fußball und am deutschen Schiedsrichterwesen zu verhindern. Wir sind der Auffassung, damit im Interesse des deutschen Fußballs gehandelt zu haben", hieß es in einer Pressemitteilung, die von Lutz Fröhlich, Manuel Gräfe, Olaf Blumenstein und Felix Zwayer gezeichnet war.

Allerlei Details

Alle vier Referees hätten Hinweise und Zeugenaussagen zu Spielen und Spielleitungen Hoyzers erhalten, die sie dem Chef des Schiedsrichterausschusses, Volker Roth, vergangenen Mittwoch vortrugen. Die Vier betonen, "dass wir Hoyzer weder des Wettens auf eigene Spielleitungen und des Betruges bezichtigt noch irgendwelche Hintergründe oder weitere Personen damit in Zusammenhang gebracht haben".

Das ist weniger die Frage, zumal dem DFB auch so allerlei Details zu möglichen Hintermännern Hoyzers zugetragen worden sind - wobei diese "aus ermittlungstechnischen Gründen" (Mediendirektor Harald Stenger) nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Stolz präsentiert der Verband seine aufrechten Unparteiischen, am Montag gab er gar eine Ehrenerklärung für das Gespann um den Kronzeugen Zwayer ab. Dieser war, als Linienrichter der Zweitliga-Partie RW Essen gegen 1. FC Köln am 22. Oktober, zur Manipulation aufgefordert worden. "Ich wurde vor dem Spiel in Essen angerufen. Es gab den Versuch, mich zu beeinflussen. Ich sollte durch meine Entscheidungen Einfluss auf das Spiel nehmen", so Zwayer. Der 23-Jährige habe das Gespräch "abgebrochen und wollte damit nichts zu tun haben".

Spätes Outing

Große Verwunderung in Juristenkreisen ruft der späte Zeitpunkt dieses Outings hervor - immerhin gingen seither drei Monate ins Land. Und Zwayer selbst sagte gegenüber der Münchner tz, er habe damals den Manipulationsversuch gegenüber seinen Schiedsrichterkollegen Gräfe und Markus Häcker (Assistent) verschwiegen: "Ich war in der Lage, dieses Telefongespräch alleine zu verarbeiten."

Doch nicht nur aus juristischer Sicht erscheint diese mentale Stabilität problematisch. Angesichts der Informationen, die Zwayer damals erhielt, stellt sich die Frage, ob sein langes Schweigen mit einer Ehrenerklärung seitens des DFB angemessen honoriert ist. Darf ein Spielleiter derlei schwerwiegende Einflussversuche auf ein Profi-Match, das von Zehntausenden zahlenden Zuschauern besucht und im Fernsehen ausgestrahlt wird, für sich behalten?

"Sportwidrigkeit von riesigem Ausmaß"

Der Marburger Rechtsprofessor Dieter Rössner erkennt darin eine "Sportwidrigkeit von riesigem Ausmaß", das komplette Wettkampfsystem basiere ja darauf, dass den Schiedsrichtern das Recht auf Fehler zugestanden wird - aber nicht auf vorsätzliche, zum Zwecke der Ergebnismanipulation. "Das rüttelt an den Grundnormen des Sports", so Rössner. Es gehöre zu den Pflichten des Referees, "dass er die Dinge benennt, die aufzuklären sind".

Da verwundert, was Schiedsrichter-Chef Roth zur Befragung Hoyzers anmerkt, die er gemeinsam mit DFB-Chefankläger Horst Hilpert geführt hatte. Roth sagt, er habe Hoyzer "klar gemacht, dass wir im Schiedsrichter-Ausschuss schon bei einem Anschein einer Unregelmäßigkeit eine weitere Verwendung auf der DFB-Schiedsrichterliste nicht dulden werden.

Wir haben ihm nahe gelegt, zurückzutreten. Das hat er dann auch gemacht." Abgesehen davon, ob diese Rückzugsempfehlung klug war: So sensibel wird Zwayers Zögern nicht bewertet, dessen Meldung offenbar erst unter dem Druck weiterer Offenbarungen erfolgte.

Noch ein parteiischer Unparteiischer

Indes war schon in der Vergangenheit der Umgang des Verbandes mit seinen Spielleitern nicht frei von Seltsamkeiten. Etwa im Fall eines heutigen Bundesliga-Unparteiischen, der Mitte 2001 vom Amtsgericht Frankfurt einen rechtskräftigen Strafbefehl über 90 Tagessätze erhalten hatte, weil er als Lehrwart der Kreis-Schiedsrichtervereinigung Frankfurt 43 Unterschriften gefälscht und sechs Quittungen manipuliert hatte.

Besondere Pikanterie: Der Referee war und ist DFB-Angestellter. Trotz der Verhängung des Strafbefehls durfte der Sünder bald wieder Profi-Spiele leiten.

Der DFB, selbst von Juristen geführt, hat den Fall Hoyzer womöglich zu lange in Eigenregie verfolgt. "Meines Erachtens", sagt Strafrechtsexperte Rössner, "liegt hier der Anfangsverdacht auf Betrug vor". Der gehört nicht mehr in die Sportgerichtsbarkeit. "Strafrechtlich relevant wird es im Betrugsfalle, und bei so einem landen wir hier letztlich.

Einmal gegenüber dem DFB, der die Schiedsrichter bezahlt und dem gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, es werde neutral gepfiffen. Darüber ist der DFB getäuscht worden. Er hat das Geld ausbezahlt, sein Schaden liegt darin, dass er eine vorsätzlich fehlerhafte Leistung erhielt."

Zudem läge Betrug zum Nachteil der Wetter vor. Die gingen ja davon aus, "dass das Spiel vom normalen sportlichen Zufall beeinflusst wird. Nur deshalb setzen sie ihr Vermögen ein. Ihr Schaden besteht darin, dass sie die Chance, zu gewinnen, nie hatten." Hilfreicher wäre gewesen, frühzeitig die Staatsanwaltschaft einzuschalten.

© SZ vom 26.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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