Werksklub weiter ohne Heimsieg:Verstörtes Wolfsrudel

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Sieht lustig aus, ist es für Wolfsburg aber nicht: Wolfsburgs Josuha Guilavogui (oben) bringt Herthas Salomon Kalou zu Fall - Elfmeter. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Die Mannschaft ein Team von Nervenbündeln, der Trainer agiert auf Abruf, und der kapriziöse Julian Draxler steht vor dem Absprung - Wolfsburg rutscht nach dem 2:3 gegen Berlin immer tiefer in den Abstiegsstrudel.

Als Julian Draxler mit teilnahmsloser Mimik in die Katakomben des VfL-Stadions trottete, stieg der Lautstärkepegel der Publikumspfiffe noch einmal hörbar an. Nur zwölf Minuten hatte der Nationalspieler auf dem Platz gestanden, doch für die wütenden Wolfsburger Fans war der 23-Jährige nach der 2:3 (2:1)-Heimniederlage gegen Hertha BSC das Gesicht dieser erneuten Heimpleite - und der gesamten verfahrenen Situation am Mittellandkanal. Da konnte Sport-Geschäftsführer Klaus Allofs noch so beharrlich auf bestehende Verträge verweisen, Draxler will das in der Winterpause verlassen. "Dazu habe ich im Sommer ja schon alles Wesentliche gesagt", verwies der ehemalige Schalker auf ein entsprechendes Interview zu Saisonbeginn.

Helfen kann der kapriziöse Jungstar in der augenblicklichen Verfassung und mit seiner aktuellen Einstellung ohnehin nicht. Man sieht ihm auch nicht an, dass er es wirklich will. Einen einzigen sehenswerten Sprint zog Draxler bei seinem Kurzauftritt an, ansonsten prägten risikolose Kurzpässe seine uninspirierte Vorstellung. Dass Trainer Valérien Ismaël Draxler schon keinen Einsatz über 90 Minuten mehr anvertrauen wollte, bewies: Zu den "Typen, die gewinnen wollen", zählt der Franzose den zur Trennung entschlossenen Profi schon längst nicht mehr.

Problematisch ist nur, dass der Wirbel um Draxler die Kollegen offensichtlich verunsichert und mental belastet. "Nach dem 2:2 war alles wieder eine Kopfsache. Die Spieler haben zu viel nachgedacht und sich mit zwei schweren Fehlern selbst geschlagen", klagte Ismaël. Mit schreckgeweiteten Augen musste der 41-Jährige machtlos zusehen, wie sich Torschütze Paul Seguin eine überflüssige gelb-rote Karte abholte (87.). Vier Minuten später verursachte Daniel Caligiuri einen ebenso unnötigen Strafstoß, den Berlins Salomon Kalou in der Nachspielzeit zum Siegtreffer cool verwandelte. "Großes Kompliment an Salomon Kalou", sagte Berlins Trainer Pal Dardai über den eiskalten Elfmeterschützen: "Das ist so kurz vor Schluss nicht selbstverständlich, das zu machen."

Wolfsburg hat noch immer kein Heimspiel gewonnen

Die Niederlage dürfte Ismaëls Position weiter destabilisieren. Wie sein Vorgänger Dieter Hecking konnte auch der ehemalige Bundesliga-Profi noch keinen einzigen Heimsieg feiern. Eine schnelle Wende zum Besseren erscheint angesichts des bevorstehenden Gastspiels beim deutschen Rekordmeister Bayern München utopisch. "Nur zwei Punkte im eigenen Stadion, das macht mir große Sorgen", sagte Allofs, der indirekt nicht ausschloss, den Markt für Fußball-Lehrer noch einmal intensiver zu sondieren: "Über den Trainer müssen wir derzeit nicht reden." Ohrenzeugen wollten dabei die Betonung auf "derzeit" herausgehört haben. Am Samstag gab selbst eine zweimalige Führung durch Borja Mayoral (12.) und Seguin (18.) keine Sicherheit, Marvin Plattenhardt (16.) und Alexander Esswein (69.) glichen zweimal aus.

Immerhin: Allofs erhielt kurz vor seinem 60. Geburtstag am Montag in schriftlicher Form Rückendeckung vom VfL-Aufsichtsrat, in dem Hauptsponsor Volkswagen den Ton angibt. "Was den sportlichen Bereich angeht, sind wir überzeugt, dass Klaus Allofs als Verantwortlicher die richtigen Weichen stellen wird", hieß es in einer offiziellen Erklärung. Ob der Automobilgigant, schwer gebeutelt von den Folgen des Dieselskandals, sein finanzielles Engagement in der bislang üblichen Form fortsetzen wird, ist indes noch längst nicht entschieden. Dazu wurde nur unkonkret formuliert: "Derzeit sind Änderungen nicht geplant." Da war es wieder, das Wörtchen "derzeit".

© SZ vom 04.12.2016 / SID - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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