Werder siegt erneut:Nostalgie an der Weser

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Immer am Ball: Werders Kapitän Max Kruse (links) überzeugt auch gegen Mainz. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Dank der nächsten überragenden Leistung von Max Kruse springt Werder Bremen auf einen Europa-League-Platz. Nun rätselt der Klub darüber, ob er seinen Kapitän und stärksten Angreifer binden kann.

Von Frank Hellmann, Bremen

Um genau 17.20 Uhr sollte im Weserstadion der Jubel noch einmal eine besondere Stärke annehmen. Der 3:1 (1:0)-Heimsieg des SV Werder gegen den FSV Mainz war längst erreicht, aber erst als auf den Videowänden erschien, dass Borussia Dortmund noch das 1:0 gegen den VfL Wolfsburg erzielt hatte, war dieser Nachmittag aus Bremer Sicht perfekt: Sodann blendete die Stadionregie die Blitztabelle ein - "die erste in den letzten sieben Jahren", sollte Trainer Florian Kohfeldt später scherzen.

Die Europapokal-Gesänge wollten gar nicht mehr enden, und natürlich kamen auch die Spieler nicht umhin, sich in dieser besonderen Atmosphäre feiern zu lassen. Die Sehnsucht nach der Rückkehr auf die internationale Bühne treibt den Klub seit Wochen um, nun sprang er auf den sechsten Rang, der zum Start in der Europa-League-Qualifikation berechtigt. Das letzte Europapokalspiel liegt nun ja schon lange zurück: Mit einem 3:0 gegen Inter Mailand verabschiedete sich Werder am 7. Dezember 2010 einst aus der Champions League. Nun wäre die Europa League fast schon ein neues "Wunder von der Weser".

Der gerade mit dem Trainerpreis 2018 ausgezeichnete Kohfeldt war so klug, die Träume der Anhänger hinterher ein bisschen abzufangen: "Das war alles andere als ein souveräner Heimsieg", sagte der 36-Jährige, "wir haben nur die richtigen Momente gefunden." Tatsächlich hatte die Heimelf in beiden Halbzeiten vor allem mit dem Ballbesitz so einige Probleme und geriet immer wieder in Nöte, aber Kohfeldt verfügt derzeit mit Max Kruse und Milot Rashica über zwei der effektivsten Offensivkräfte der Liga. "Das Grundverständnis der beiden passt", lobte der Trainer, "der eine hat das Auge, der andere das Tempo."

Kohfeldt verortete das frühe 1:0, das der aus dem Kosovo stammende Rashica nach gedankenschnellem Kruse-Pass erzielte (3.), in der Entstehung "schon mal nahe an der Weltklasse." Damit hatte Werder im 28. Bundesligaspiel einen Treffer erzielt und einen neuen Vereinsrekord aufgestellt - die alte Bestmarke stammte noch aus der torreichen Ära unter Thomas Schaaf.

Kruse antwortet den Mainzer Angriffen, seine Zukunft bleibt offen

In der Folgezeit spielten die Gäste zwar passabel mit und hatten auch durch den an Bremens Torhüter Jiri Pavlenka scheiternden Jean-Philippe Mateta eine gute Ausgleichschance (25.), aber insgesamt blieben sie ein dankbarer, weil zu harmloser Gegner. Nach einer guten Kombination über Maximilian Eggestein und Ludwig Augustinsson wehrte der Mainzer Verteidiger Moussa Niakhaté den Ball unzureichend ab und der überragende Kruse bedankte sich mit dem 2:0 (36.). Der Bremer Kapitän war es auch, der nach dem Mainzer Anschlusstreffer durch Robin Quaison (52.) mit dem bereits entscheidenden 3:1 antwortete (63.). Wieder hatte der ältere Eggestein-Bruder eingeleitet, Rashica aufgelegt - und Kruse vollstreckte. Bremens Nummer zehn hatte wie schon gegen Bayer Leverkusen den Unterschied gemacht. "Es ist schön, dass die Euphorie hier entfacht ist. Wir haben noch genug Spiele vor der Brust. Wir wollen da sein, wenn die anderen schwächeln", sagte der 31-Jährige danach am Sky-Mikrofon.

"Jeder Laie hat gesehen, dass Max Kruse das Spiel mit überragenden Aktionen entschieden hat. Er ist topfit und individuell eine Ausnahmeerscheinung", stellte der Mainzer Sportvorstand Rouven Schröder ohne Umschweife fest. In Zeiten, in denen Schröder noch beim SV Werder gemeinsam mit dem ehemaligen Geschäftsführer Thomas Eichin die Kaderplanung verantwortete, konnten sich die Hanseaten solch einen Könner nicht leisten. Insofern ist für die weitere Bremer Entwicklung die Frage entscheidend, ob es gelingt, diesen Instinktfußballer zu einer Verlängerung seines auslaufenden Vertrags zu bewegen, nachdem angeblich Tottenham Hotspur und Inter Mailand Interesse zeigen.

Kohfeldt artikulierte dazu eine klare Meinung: "Die Gerüchte interessierten mich nicht. Ich habe die Gespräche mit dem Spieler geführt: Wenn nicht der FC Barcelona anruft, haben wir sehr viele Argumente, dass er bei uns bleibt." Ausgerechnet Kruses Mitstreiter aus Jugendzeiten, der gebürtige Hamburger Martin Harnik, klang in der Causa nicht ganz so optimistisch: "Er ist ja ein überragender Pokerspieler und befindet sich gerade in der Form, in der er attraktive Angebote bekommen wird. Er hat bei uns ein unglaubliches Standing, ist als Spieler und Mensch wichtig und der Trainer steht hinter ihm. Die Liste ist lang, die für Werder spricht. Aber es gibt auch Argumente für andere Vereine."

Kruse hatte selbst immer gesagt, den Fortgang der Saison abwarten zu wollen - sein Ziel ist es, noch einmal international aufzutreten. Dabei bieten sich für seinen aktuellen Arbeitgeber noch zwei Möglichkeiten. Die gute Platzierung in der Liga ist die eine, das DFB-Pokal-Viertelfinale am Mittwoch beim FC Schalke 04 (20.45 Uhr) die zweite. Harnik sieht es gelassen: "Wir haben alles selbst in der Hand." Offenbar auch, ob sein Kumpel bleibt.

© SZ vom 31.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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