Werder-Serie hält beim 2:2:Luftschlösser wachsen anderswo

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Auch nach diesem Punktgewinn werden die Bremer Ziele weiter betont defensiv formuliert.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Nein, Alexander Nouri wollte nicht verraten, wie er das fußballfreie Wochenende verbringt. Mit der Familie verreisen? Mit den Kindern im Garten toben? Oder einfach den Hund ausführen? Letzteres sei doch eine gute Idee, merkte der Trainer des SV Werder am Freitagabend lächelnd vor seinem Abgang aus der Frankfurter Arena an. Gewiss sei, dass er, der seiner Mannschaft inklusive Montag frei gegeben hat, auch beim Spaziergang mit seiner französischen Bulldogge nicht völlig abschalten kann. "Als Verantwortlicher macht man sich immer Gedanken, man kann sich nicht ganz vom Fußball freimachen."

Im Hinterkopf kann sich der in Buxtehude geborene Deutsch-Iraner ja unmöglich vom bevorstehenden Höhepunkt in der norddeutschen Tiefebene lösen: der Evergreen gegen den Hamburger SV, ausgetragen am Ostersonntag im Bremer Weserstadion. Die prestigeträchtige Paarung sieht Werder punktemäßig im Vorteil, und wer wissen wollte, wie wichtig es war, durch das 2:2 bei Eintracht Frankfurt ein gutes Gefühl in den Vorlauf mitzunehmen, der brauchte nur Zlatko Junuzovic zuhören. "Das Momentum ist auf unserer Seite. Zuhause müssen wir brennen. Das wird ein geiles Spiel." Die Vorfreude auf den Showdown am Osterdeich stand dem in sechs Jahren in Bremen heimisch gewordenen Österreicher bereits ins Gesicht geschrieben. Junuzovic freut sich auf "unglaubliche Stimmung, Qualität und Intensität". Das gutklassige Match im Frankfurter Stadtwald war nur ein Appetizer.

Vor allem ihre außerordentliche Effektivität führten die Hanseaten bei den Hessen eine Halbzeit lang eindrucksvoll vor. Kein Team benötigte in den vergangenen Wochen weniger Torschüsse für einen Torerfolg. Nämlich nur vier, während der Ligaschnitt bei neun Versuchen liegt. Zwei gescheite Angriffe, zwei Wirkungstreffer, das war die fast wundersame Werder-Ausbeute zur Pause: Dem technisch anspruchsvollen 1:0 von Junuzovic nach Vorlage seines Landsmannes Florian Kainz (37.) ließ Fin Bartels das nicht minder sehenswerte 2:0 folgen, als der gebürtige Hamburger den Ball gekonnt über Eintracht-Torwart Lukas Hradecky lupfte (43.). Die Frankfurter, die drückten und sich wieder - wie beim 0:0 in der Woche zuvor gegen Mönchengladbach - eine Vielzahl von Chancen erspielten, mussten sich wie im falschen Film vorkommen.

Zugriff und Orientierung verloren

"Das war wieder sehr effektiv", erklärte Geschäftsführer Frank Baumann. "Danach hätten wir gerne die drei Punkte mitgenommen, aber man hat uns nach der englischen Woche den Kräfteverschleiß und die sehr angespannte Personallage angemerkt." Frankfurt kam damit besser zurecht. Dass die leidenschaftlich auftretende Eintracht sich den Ausgleich durch Mijat Gacinovic (48.) und Marco Fabian (73./Foulelfmeter) verdiente, bestritt keiner der Bremer, die in dieser Phase nicht nur oft den Ball, sondern auch Zugriff und Orientierung verloren. Bezeichnend der unnötige Klammergriff von Abwehrmann Niklas Moisander, der zum Strafstoß und zum 2:2 führte.

"Der Punkt geht in Ordnung", gab Youngster Maximilian Eggestein zu, der sich dennoch über einen "kleinen Schritt in Richtung Klassenerhalt" freute. Und Trainer Nouri ("Unser Tank war nicht mehr voll") stellte die "unheimliche Energieleistung" heraus. Tatsächlich ist der größte Verdienst des 37 Jahre alten Fußballlehrers, dass er dem lange wankelmütigen Gebilde eine Stabilität verpasst hat, die Werder anders aussehen lässt als in Bremens besten Zeiten. Dieser SVW punktet regelmäßig mit viel weniger Ballbesitz und nur punktuellem Spektakel.

Noch lange nicht reif genug für Europa

Manager Baumann empfiehlt derweil, trotz des erkennbaren Fortschritts "extrem wachsam" zu bleiben. Gleichwohl ist mit 20 Punkten aus den vergangenen acht Begegnungen eine Grundlage gelegt, von der wohl kaum ein Grün-Weißer in den trüben Wintertagen geträumt hätte. Bereits gegen den HSV kann im Grunde der Klassenerhalt besiegelt werden. Aber von mehr möchte keiner wirklich reden, weil Werder bei realistischer Betrachtung einfach nicht so weit ist. Da pflegt die sportliche Leitung einen eingeübten Doppelpass. "Wir sind nicht in irgendeiner Situation, dass wir uns zurücklehnen können", erklärte Baumann. "Wir sind nur auf der Straße Klassenerhalt unterwegs, zu etwas anderem lassen wir uns nicht verleiten. Wir werden keinen Luftschlössern nachjagen", ergänzte Nouri. Mannschaft der Stunde hin oder her.

Tatsächlich fehlt dem aktuellen Kader fürs internationale Geschäft nicht nur eine gewisse fußballerische Klasse, sondern auch die personelle Breite. Es sprach immerhin für eine taktische Flexibilität, dass der argentinische Linksfuß Santiago Garcia in 90 Minuten drei verschiedene Positionen bekleidete, um den Notstand aufzufangen: Garcia begann in einem 3-5-2-System links im Mittelfeld, wechselte dann in einem 4-1-4-1 links hinten in die Viererkette und beendete die Partie als linker Innenverteidiger.

Die Auswechslung des rotgefährdeten Milos Veljkovic und die Herausnahme von Luca Caldirola (gebrochener Mittelfuß) machten die Umstellungen nötig. Nouri will nun erstmal sehen, "welche Spieler mir überhaupt nächste Woche zur Verfügung stehen". Zum Training am Dienstag haben sich immerhin Abwehrchef Laminé Sane und Wirbelwind Serge Gnabry wieder angekündigt. Die Liste der Ausfälle, "sie sollte nicht länger werden", meinte Nouri. Vielleicht beschleunigt das emotional wichtigste Spiel der Saison noch die eine oder andere Gesundung. Oder das freie Wochenende.

© SZ vom 09.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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