Werder schlägt Ingolstadt 2:1:Verunsicherte Gewinner

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Das ist der Sieg: Bremen freut sich über das späte 2:1 durch Fin Bartels (nicht im Bild) gegen Ingolstadt. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Werder fährt einen Zittersieg im Kellerduell gegen den FC Ingolstadt ein. Die Mängel im Bremer Spiel sind eklatant. FCI-Coach Walpurgis kassiert seine erste Niederlage, bleibt aber zuversichtlich.

Von Frank Hellmann, Bremen

Die Erleichterung schien beim Schlusspfiff im Bremer Weserstadion mit Händen zu greifen. Der bereits ausgewechselte Serge Gnabry rannte am Mittelkreis auf Torjäger Claudio Pizarro zu, um einen Glückwunsch loszuwerden. Hinten im Strafraum umarmte Robert Bauer seinen Tormann Jaroslav Drobny kräftig. Und am Spielfeldrand atmete Alexander Nouri erst einmal tief durch, ehe der Cheftrainer sich auch unter die Gratulanten begab. Der SV Werder hatte das wegweisende Kellerduell gegen den FC Ingolstadt gerade mit 2:1 (1:0) gewonnen, und alle grün-weißen Protagonisten schienen einfach erlöst zu sein, dass es irgendwie in dieser Zitterpartie gerade so gut gegangen war. Mehr aber auch nicht. "Wir brauchen hier nicht in Ekstase zu verfallen, man sieht die Verunsicherung", brachte es der Mittelfeldrenner Zlatko Junuzovic auf den Punkt.

In der hektischen Schlussphase hatte der Bremer Ersatzkapitän - Clemens Fritz fehlte kurzfristig grippekrank - gar "eine Angst vor dem Gewinnen" ausgemacht. "Wir haben die drei Punkte", fügte der Österreicher noch an, "alles andere können wir uns schenken." Und doch wären sie an der Weser gut beraten, von dieser Begegnung noch eine vertiefende Analyse anzustellen. Nur "Leidenschaft und Herz" herauszustellen, wie es der immer auffälliger in Allgemeinplätze abgleitende Trainer Nouri nicht zum ersten Male tat, könnte mittel- und langfristig zu wenig sein, um wirklich im Abstiegskampf voranzukommen.

Zu elementar wirken bei den Bremern die Defizite, die Balance zu halten, um endlich einmal stabil durch eine volle Spielzeit zu kommen. Nur dem gut aufgelegten Torwart-Oldie Drobny, zuletzt in Hamburg wegen seiner fußballerischen Mängel zu recht kritisiert, war es neben dem Ingolstädter Unvermögen zu verdanken, dass allein der unhaltbare Freistoß von Markus Suttner den Weg ins Werder-Tor fand (58.).

Erst Tor-Vorlage, dann Siegtreffer: Fin Bartels wird zum Matchwinner

Immerhin: Bei den Hanseaten weckt die nominell beste Offensivreihe der jüngeren Vergangenheit allenthalben die Erwartung, dass der Anschluss ans Mittelfeld irgendwann im nächsten Jahr gelingt. Erst zum zweiten Male in dieser Saison fanden sich Pizarro, Gnabry und Kruse in der Startelf wieder. Ein Trio, bei dem Fußball-Feinschmecker mit der Zunge schnalzen. "Alles Topspieler, die uns nach vorne bringen", sagte Fin Bartels. Dass der 29-Jährige allerdings hinterher die mit Abstand meisten Interviews geben musste, hatte seinen guten Grund: Mit der feinen Torvorlage zum 1:0 von Kruse (24.) und dem selbst erzielten 2:1-Siegtreffer nach Pizarro-Ablage (76.) ging eben Bartels als der eigentliche Matchwinner aus diesem Abnutzungskampf hervor. Nur zu viel Aufhebens wollte der gebürtige Hamburger daraus nicht machen; "gemeinschaftliche Tore" habe man erzielt. Junuzovic hatte "enormes Potenzial" gesehen, "dass wir noch besser ausnutzen müssen."

Offenkundig blieb nämlich, dass vor allem Pizarro und Kruse noch nicht in der körperlichen Verfassung sind, um gegen den Ball so aktiv mitzuarbeiten wie das heutzutage nötig ist. Und wenn Irrwisch Gnabry so oft bei seinen Soli hängenbleibt wie gegen Ingolstadt, erwächst daraus eben auch eine Gefahr. Kann Werder so risikoreich bis zum Rest des Jahres auch in Berlin, gegen Köln und in Hoffenheim spielen? "Ja", sagte Nouri nur. Überzeugt klang der 37-Jährige allerdings nicht - er ist aber eigentlich gefordert, "die hohe Qualität der Einzelspieler" (Junuzovic) alsbald zu einem funktionierenden Kollektiv zu formen. Und so seufzte Werder-Geschäftsführer Frank Baumann noch: "Es gibt noch viele Dinge, an denen wir arbeiten müssen."

Trotz der ersten Niederlage bleibt Walpurgis zuversichtlich

Während Bremen also den dritten Saisonsieg nicht überhöhte, besteht in Ingolstadt trotz erst sechs Zählern kein Anlass zu vorschnellen Untergangsszenarien. Allein in der Nachspielzeit hatten Matthew Leckie, der aus der ersten Halbzeit nicht zu Unrecht einen Elfmeter für sich reklamierte ("Klares Foul von Drobny, er trifft mich am Rücken"), und Moritz Hartmann den durchaus verdienten Ausgleich auf Fuß bzw. Kopf, weshalb Linksverteidiger Suttner desillusioniert feststellte: "Wir haben uns mit den guten Chancen nicht belohnt. Das ist komplett beschissen gelaufen."

Im dritten Spiel unter Trainer Maik Walpurgis kassierten die Schanzer zwar die erste Niederlage, aber speziell der Auftritt in der zweiten Halbzeit, als die Gäste das strukturierte Team stellten, sollte Mut machen. So zeigte sich Walpurgis zwar enttäuscht über das Resultat ("Aufgrund der Vielzahl der Chancen sehr ärgerlich"), aber die Zuversicht ist beim 43-Jährigen eher gewachsen, nachhaltig etwas bewegen zu können.

"Ich hatte eine mental angeknackste Mannschaft übernommen, die sich selbst wieder in die Spur gebracht hat. Ich sehe, dass die Mannschaft lebt", konstatierte Ingolstadts Coach. "Und ich bin überzeugt, dass wir noch schneller und dynamischer Fußball spielen können und unsere Punkte holen werden." Diese Fortschritte sollten am besten bereits am nächsten Samstag im Anschluss an eine "intensive Trainingswoche" (Walpurgis) offenbart werden - wenn sich RB Leipzig im Sportpark vorstellt.

© SZ vom 04.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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