Werder Bremen gegen Bayern München:Salto im Sanatorium

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Vier Spiele in elf Tagen haben gereicht, um die Zweifel der Bremer an Ailton-Nachfolger Klose zu vertreiben.

Von Jörg Marwedel

Bremen - Plötzlich bekam Miroslav Kloses Stimme etwas Schelmisches, ja Übermütiges. Ob man am Samstag im Bundesliga-Spitzenspiel gegen den FC Bayern München etwa auch mit drei oder vier Stürmern spielen solle, wo dieses Rezept doch den 2:1-Sieg gegen den FC Valencia in der Champions League ermöglicht habe, wollte jemand von ihm wissen.

"Warum nicht gleich fünf Stürmer?" (Foto: Foto: dpa)

Klose, dessen pfälzisch gefärbte Worte sonst so zäh und abgehangen den Mund verlassen, dass man das Ende des Satzes kaum abwarten mag, antwortete blitzschnell: "Warum nicht mit fünf?", fragte er zurück und hinterließ verblüffte Mienen.

War das der Mann, der noch vor kurzem mit hängenden Schultern und scheuem Blick durch das Weserstadion huschte, auf der Flucht vor jedem, der etwas von ihm wollte?

Der Stürmer, der den folkloristischen und populären Torjäger Ailton wohl nie würde ersetzen können, weil das Aufregendste an ihm in den ersten drei Monaten bei Werder Bremen die Nachricht von der Schwangerschaft seiner Freundin Sylvia war?

Der Profi, der zuweilen herumlief wie ein falsch programmierter Roboter, nur nicht dorthin, wo der große Regisseur Johan Micoud den Ball hinspielte?

Und der schließlich auf der Ersatzbank saß, weil die Kollegen Nelson Valdez und Ivan Klasnic spritziger und selbstbewusster waren?

Aus dem Tal der Zweifel

Ja, er war es. Genau vier Spiele in elf Tagen haben gereicht, um Klose aus dem Tal der Zweifel zu führen.

Ein Joker-Tor beim 3:0 gegen Hannover, eines zum 3:2 im DFB-Pokal gegen Leverkusen, ein Hattrick gar beim 4:1 in Bochum und schließlich der wichtige Ausgleich gegen den FC Valencia am Mittwochabend: Diese Tore haben den Nationalspieler, der seit der WM 2002 in Asien nur noch wenige freudvolle Erlebnisse in seinem Beruf hatte, zwar nicht gleich zum bunten Vogel gemacht, wohl aber zu jener sportlichen Kraft, die Werders Sportdirektor Klaus Allofs und Trainer Thomas Schaaf glaubten verpflichtet zu haben, als sie den 26-Jährigen im Frühjahr vom 1. FC Kaiserslautern abwarben.

"Wir sagen jetzt nicht: 'Gott sei Dank, er ist kein Fehleinkauf.' Wir haben immer gewusst, über welche Fähigkeiten Miro verfügt und dass er sie nicht länger als ein paar Wochen verstecken kann", sagt Klaus Allofs mit feiner Ironie.

Zu sich selbst wird er genau dies gesagt haben: Gott sei Dank, es passt wirklich. Kloses Verpflichtung ist ein Politikum bei Werder gewesen - und ist es immer noch. Fünf Millionen Euro Ablöse hat er gekostet, so viel hat man noch nie für einen Spieler bezahlt.

Das Gesamtpaket inklusive des bis 2008 datierten Vertrages liegt, je nach Erfolg, zwischen 16 und 18 Millionen Euro. Eine neue Dimension im bescheidenen Bremen. "Die Mannschaft", räumt Allofs ein, "ist nun so teuer, dass wir uns einen siebten Tabellenplatz nicht mehr leisten könnten."

Mit seinem Durchbruch hat Klose dem Werder-Macher indes wichtige Bestätigungen nachgeliefert im ewigen Ringen mit den Skeptikern im Klub.

Männern wie seinem Vorgänger Willi Lemke, der nun als Bildungssenator im Aufsichtsrat sitzt und dort wie der frühere Präsident Franz Böhmert den teuersten Transfer der Vereinsgeschichte nur Zähne knirschend durchwinkte, obwohl Klaus Allofs vehement für seine Personal-Offensive geworben hatte: "Wo ist das Risiko, wenn man einen jungen deutschen Nationalstürmer im Kader hat, der auch bei der WM 2006 spielen wird?"

Sieg auf dem Statistik-Konto

Man mag in Statistiken ein Hobby kauziger Buchhalter sehen, doch auch die jüngsten Zahlen sind in diesem Zusammenhang nicht ohne Bedeutung. Daten, die besagen, dass Klose seinen Vorgänger Ailton in punkto Effektivität schon überflügelt hat.

Fünf Bundesliga-Tore hat er nach sechs Spieltagen auf seinem Konto. So viele wie im Vorjahr Ailton. Doch Klose erreichte dies in nur 363 Spielminuten, traf also alle 72,6 Minuten, Ailton benötigte bei 524 Minuten Einsatz 104,8 Minuten für einen Treffer.

Dazu kamen bei Klose drei Torvorlagen, Ailton hatte zu diesem Zeitpunkt nur zwei beigesteuert.

Diese Zwischenbilanz, in die sich Kloses Rückkehr in die Startaufstellung der Nationalelf am kommenden Samstag gegen Iran passend einfügt, bestätigt all jene Experten, die dem Stürmer zu Werder geraten hatten wie zu einem Sanatorium.

Im Bremer Biotop des Trainers Schaaf ist nämlich eine selten gewordene Tugend bestimmend, die Klose selbst als seine wichtigste Eigenschaft sieht: Geduld.

Als es nicht auf Anhieb lief, hat Schaaf seine schützende Hand über Klose gehalten. Stets stellte er heraus, "wie gut Miro im Training daran arbeitet, das Zusammenspiel mit den neuen Kollegen zu verbessern", und er betonte: "Es ist ja nicht so, dass er grottenschlecht hier herumläuft."

Schaafs Plädoyer beeindruckte auch die Bremer Fans, die dem Neuen Kredit gewährten, wie er kaum denkbar wäre in hektischen Metropolen wie Berlin, München oder Hamburg.

"Ich habe immer gemerkt, dass es richtig war, nach Bremen zu gehen", sagt Miroslav Klose jetzt. Den geduldigen Werder-Fans hat er am Mittwoch seinen ersten Tor-Salto im Werder-Dress gewidmet.

Gegen die Bayern will er wieder springen. Egal, ob Werder mit zwei oder fünf Stürmern antritt.

© SZ vom 2. Oktober 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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