Welt-Reiterspiele in den USA:Gold auf dem trabenden Barren

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Das deutsche Team sichert sich das WM-Gold im Voltigieren, der Sport will zurück zu Olympia.

Von Gabriele Pochhammer, Tryon

Es war fast wie im Krimi. Aus dem Lautsprecher ertönte die Filmmusik des Thrillers "Die Unfassbaren", hinter dem vierbeinigen Riesen Danny Boy und Longenführer Patrick Looser trabten die sechs deutschen Voltigierer, drei Männer, drei Frauen in die Bahn. In dem Film, der das Motto für das deutsche Team bei der Weltmeisterschaft in Tryon (North Carolina) abgibt, geht es um vier Zauberer. Und zaubern konnten an diesem Abend auch die deutschen Voltigierer.

Sie wirbelten, sprangen, drehten sich auf dem galoppierenden Pferd, abwechselnd, zu zweit und zu dritt. Und als Höhepunkt kam die "Taube": die Kleinste der Gruppe, die 14-jährige Chiara Congia, lag freischwebend auf dem Nacken von Mannschaftskollege Justin van Gerven, das alles im Galopp. Das ist ungefähr so, als würde sich im Turnen das Sportgerät schaukelnd fortbewegen.

Am Ende der viereinhalb Minuten lief nicht nur Danny Boy der Schweiß aus allen Poren, in der großen Halle stand bleierne Hitze. Aber das Make-Up der Mädchen hielt, auch die Frisuren, die von Gruppenmitglied Torben Jacobs gekonnt zusammengesteckt wurden. Vor der Gruppe vom Voltigierverein Köln-Dünnwald hatten bereits die Einzelvoltigierer Kristina Böe und Jannik Heiland ihr einminütiges Programm geturnt. Die Noten in allen drei Vorführungen wurden addiert. 26,502 Punkte standen am Ende für das deutsche Team zu Buche, das war der Sieg im erstmalig ausgetragenen Voltigier-Nationenpreis vor der Schweiz und Österreich; es war die dritte Goldmedaille bei diesen Weltreiterspielen nach den beiden Dressursiegen von Isabell Werth. Und das war erst der Auftakt: Weitere Medaillen werden im Einzelvoltigieren Herren und Damen, im Pas de Deux und für die Gruppe vergeben.

Voltigieren ist für viele Kinder der erste Kontakt mit dem Pferd, fast jeder Reitverein hat so eine Akrobatikgruppe. Irgendwann steigen die Kinder in den Sattel um, einige aber, die eine Begabung fürs Turnen haben, bleiben beim Voltigieren. "Manche kommen auch aus dem Turnsport zu uns", sagt Dennis Peiler, ehemals Voltigierer und nun Sportchef der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN): "Das sind oft die, die fürs Turnen zu groß geworden sind."

Voltigieren ist inzwischen auch Hochleistungssport. Seitdem die Altersgrenze von 18 Jahren gefallen ist, bleiben viele dabei, auch wenn sie längst erwachsen sind und im Beruf stehen, wie Kristina Böe, die als Unfallchirurgin ihr Geld verdient. Denn trotz der rasanten Weiterentwicklung in den vergangenen Jahren ist Voltigieren immer noch ein reiner Amateursport. Böes Einzelkür legte in Tryon den Grundstein für das Gold, trotz zweier Wackler.

"Ich habe viele Balance- und Risikoelemente drin und bin zweimal etwas aus der Balance gekommen", sagte Böe. Beim nächsten Galoppsprung hatte sie sich aber schon wieder gefangen, was auch das Verdienst von Don de la Mar war. In solchen Momenten bewährt sich ein gutes Pferd. Es spürt, wenn der Turner da oben ein bisschen aus dem Rhythmus kommt. Es muss geduldig weitergaloppieren, ohne sich etwas anmerken zu lassen.

Zwei von acht Richtern bewerten ausschließlich das Pferd, zwei weitere den künstlerischen Gehalt der Vorführung und vier die technische Ausführung. In keiner anderen Pferdesportdisziplin sind die Tiere so groß wie beim Voltigieren. 1,86 Meter Widerristhöhe misst zum Beispiel das kanadische Pferd Charles, das seine Besitzerin einst vor dem Schlachter gerettet hatte. Erst wusste sie nicht so recht, was sie mit dem Giganten anfangen sollte, dann fand er als Voltigierpferd seine Berufung. Auf seinem breiten Rücken ist viel Platz.

Auf der unteren Ebene eines Voltigierpferdes sitzt meist ein starker Mann, der die anderen heben kann, auf der mittleren muss zugleich gehoben und balanciert werden und oben schließlich vollführt das Leichtgewicht, bei den Deutschen Chiara Congia, auf den Händen und Schultern ihrer Teamkameraden balancierend, ihre akrobatischen Übungen. Beim Abgang, manchmal mit einem Salto, sind es dann rund fünf Meter bis zum Boden. Unfälle sind aber selten, sagt Peiler: "Meist streckt sich eine helfende Hand heraus und fängt den anderen auf." Voltigieren war bereits 1920 olympisch, jetzt wird darüber nachgedacht, die Disziplin bei den Youth Olympics aufzunehmen. Irgendwie gehört sie dahin.

© SZ vom 21.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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