Wahl im Handball:Tief gespalten

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"Nach dem, was sich vorher abgezeichnet hatte, bin ich froh über das Ergebnis": Andreas Michelmann, 55, über 46 Gegenstimmen. (Foto: Sascha Klahn/Getty Images)

Die knappe Wahl von Andreas Michelmann zum neuen Präsidenten des Handball-Bundes zeigt, wie zerstritten Funktionäre sind. Die unterlegenen Landesverbände, vor allem aus dem Süden, kündigen eine hartnäckige Opposition an.

Von Carsten Eberts, Hannover

Es gibt ein herrliches Bild von Andreas Michelmann, da ist sein Bart noch mehr schwarz als grau, er hat 2003 auch ein paar Kilo weniger als heute. Als Oberbürgermeister von Aschersleben steht Michelmann im Boxring, der junge Robert Stieglitz hat in der Stadt gerade einen Kampf gewonnen, da kommt Michelmann zum Siegerfoto dazu. Er hebt die Faust, und blickt Stieglitz so keck von der Seite aus an, als wolle er dem Faustkämpfer gleich eins überziehen. Nun ist Michelmanns Passionssport nicht das Boxen, sondern der Handball. Ein paar Kämpferqualitäten sollte sich Michelmann aber bewahrt haben, schließlich hat er das schwerste Amt seiner Sportart übernommen.

Der Deutsche Handball-Bund (DHB) hat Michelmann am Samstag in Hannover zum neuen Präsidenten gewählt, das Ergebnis wirkt jedoch nicht gerade wie ein Vertrauensvorschuss, der ihn über die ersten Monate seiner Amtszeit trägt. Vorgänger Bernhard Bauer war 2013 noch ohne Gegenstimme zum obersten Funktionär des weltweit größten Handballverbands bestimmt worden, Michelmann nun nicht: Nur 73 von 119 gültigen Stimmen erhielt der 55-Jährige, das sind 46 Gegenstimmen - ein eher kümmerliches Ergebnis. Auch der Applaus im Saal fiel spärlich aus.

Die Landesverbände haben ihre Macht gleich mal demonstriert

Michelmann erklärte später, er habe ja erwartet, "dass es knapp wird". Er wirkte erleichtert, aber auch abgekämpft, zerzaust. Ein famoser Start in eine neue Ära sieht anders aus.

Michelmann muss ausbaden, was sich der deutsche Handball in den vergangenen Monaten geleistet hat: einen öffentlichen Zermürbungskampf, ausgelöst vom bisherigen Präsidenten Bauer, der im März im Streit mit seinem Stellvertreter Bob Hanning bereits nach anderthalb Jahren das Amt verlassen hatte. Im Anschluss wandten sich einzelne, Bauer-nahe Landesverbände gegen Hanning; ihr Ziel war es erstens, Hanning abzusetzen - und zweitens, den bisherigen Vize Breitensport, nämlich Michelmann, als neuen Präsidenten zu verhindern, der zwar von einer Findungskommission bestimmt worden war, jedoch als Günstling Hannings gilt. Zwischenzeitlich spielte sogar Bauer mit dem Gedanken, erneut anzutreten. Ihren Abwahlantrag zog die Opposition um Strippenzieher Hans Artschwager (Württemberg) zwar zurück, doch 46 Gegenstimmen für einen Mann, dem fachlich wenig vorzuwerfen ist, zeigen, wie gespalten der deutsche Handball ist. Die Gegenstimmen kommen vermutlich nicht nur aus den Verbänden Württemberg, Bayern und Hessen, die dem Präsidium auch in Hannover noch einmal ihr "tief gehendes Misstrauen" (Artschwager) aussprachen, sondern quer verteilt aus den übrigen Landesvertretungen. Für Michelmann sind dies keine guten Startvoraussetzungen. "Ich hätte mir für die anstehenden Herausforderungen ein besseres Ergebnis für ihn gewünscht", sagte auch Uwe Schwenker, der Präsident der Männer-Handball-Bundesliga (HBL). Die Ligaverbände, Männer und Frauen, dürften Michelmann die Wahl mit ihren Stimmen letztlich gesichert haben.

Die oppositionellen Landesverbände machten in Hannover noch einmal deutlich, was sie stört, und dass sie durchaus über Macht verfügen. In zwei Anträgen, unter anderem bei der Wahl von Heinz Winden zum neuen Vizepräsidenten Recht, setzten sich die Mitglieder über Empfehlungen des Präsidiums hinweg. Artschwager kritisierte die Umgangsformen des Präsidiums, sprach von einer "Missachtung der Landesverbände", was vor allem an Hanning gerichtet gewesen sein dürfte. Zuvor hatte Ex-Präsident Bauer in einem Interview ebenfalls Hanning heftig attackiert, pünktlich zum Bundestag, an dem Bauer nicht teilnehmen durfte. "Jeder diskreditiert sich, so gut er kann", entgegnete Hanning salopp. Er selbst habe den Machtkampf ja nicht gewollt. So knapp das Ergebnis für seinen Kandidaten auch war, der Manager der Füchse Berlin darf sich als Sieger fühlen.

Für Michelmann macht das die Sache nicht einfacher. Er muss in seinem Amt ab dem ersten Tag kämpfen; in zwei Jahren, beim nächsten ordentlichen DHB-Bundestag, will er über seine Arbeit abstimmen lassen. Bis dahin gilt es, schnell einige Dinge anzupacken: 2017 bei den Frauen und 2019 bei den Männer stehen Weltmeisterschaften in Deutschland an. Der Verband hat zudem mit einem schleichenden Mitgliederschwund (60 000 in den vergangenen Jahren) zu kämpfen. Auch muss er den Landesverbänden, will er Querschüsse in Zukunft minimieren, mehr Gehör verschaffen. "Ruhiges Arbeiten würde mich wundern", blickte Michelmann auf die kommenden Monate voraus. Er weiß: Diesmal kommt es wirklich auf seine Kämpfer- qualitäten an.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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