Vor dem Länderspiel in Frankreich:Licht aus, Film ab

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Das neue Trikot ist da. "Schön, dass es weiß ist", sagt Michael Ballack. Erstmals zum Einsatz kommt es am Samstag. Dann nämlich steht der Mittelfeldmann mit der Nationalmannschaft vor der Aufgabe, in Frankreich ein durchwachsenes Jahr positiv ausklingen zu lassen.

Ulrich Hartmann

Mittwoch war Kinotag. Michael Ballack saß im Kölner "Cinedom" in einer Reihe mit Horst Eckel, Wolfgang Overath und Rudi Völler. Ballack soll nämlich bald eine große Geschichte fortschreiben. Eckel war 1954 Weltmeister, Overath 1974 und Völler 1990, und der Film, den sich die Vier zusammen angeschaut haben, erzählt in aller für einen Werbespot gebotenen Kürze, wie Ballack mit der deutschen Mannschaft im Sommer 2006 im Berliner Olympiastadion um den WM-Titel spielt.

Gut gelaunt vor dem Härtetest: Michael Ballack (Foto: Foto: dpa)

Als das Licht wieder anging, stieg Ballack auf die Bühne und nahm aus der Hand des adidas-Chefs Herbert Hainer das offizielle WM-Trikot entgegen. Es hat ihm ganz gut gefallen. "Schön, dass es weiß ist", hat Ballack gesagt, "das hat Tradition."

Der Deutsche Fußball-Bund und sein Ausrüster aus Herzogenaurauch haben am Mittwoch in Köln großes Kino inszeniert. Das Schönste am Lichtspiel ist ja die naive Loslösung von der rauen Realität, und wenn die größten Momente der deutschen Fußballgeschichte zu pathetischer Musik aus Hollywoodfilmen über die Leinwand flimmern, dann kriegt man eine Gänsehaut und ist bereit, an alles zu glauben - sogar an einen vierten deutschen WM-Titel im nächsten Jahr.

Blockbuster oder B-Movie

Das Gefährliche am Kintopp ist allerdings, dass bisweilen mit Millionen-Aufwand ein Blockbuster beworben wird, der sich hinterher als B-Movie entpuppt. Ob die Aufführungen der deutschen Mannschaft bei der WM im kommenden Sommer eines Oscars würdig oder ein Flop sein werden, das weiß im Moment noch niemand so richtig. Wichtige Erkenntnisse über die Fortschritte im aktuellen Produktionsablauf erhofft man sich vom nächsten Spiel der deutschen Auswahl am Samstag gegen Frankreich.

Auf diese Vorstellung bereitet sich die Crew des Teamchefs Jürgen Klinsmann bis Freitag in Köln vor, dann fliegt sie nach Paris und wird am Samstag ab 21 Uhr (live im ZDF) binnen einer üblichen Filmlänge von 90 Minuten darüber entscheiden, ob das letzte Jahr vor der WM gut in Erinnerung bleibt oder nicht. "Es ist das letzte Spiel vor einer dreieinhalbmonatigen Pause", sagt Klinsmann, "das letzte Spiel eines bewegenden Jahres, und die Eindrücke dieser Partie werden hängen bleiben."

Es wird also wie bei einer Testvorführung zugehen am Samstag im "Stade de France"; wie wenn im Saal das Licht wieder angeht und man ahnt, wie der Film in seiner Endfassung wohl werden könnte. Frankreich ist ein starker Kontrahent, der den Zustand des deutschen Teams schonungslos offenbaren wird. "Gegen so eine Topmannschaft werden wir sehen, wo wir wirklich stehen", sagt Ballack, "das wird ein echter Härtetest."

Trezeguet lauert

Der Mittelfeldmann vom FC Bayern weiß, wovon er spricht, denn er hat vor einer Woche mit den Münchnern in Turin verloren, in der Champions League bei Juventus. Der französische Stürmer David Trezeguet hat dort zwei Tore erzielt zum 2:1-Erfolg der Italiener. "Der Trezeguet ist eiskalt", sagt Ballack, "den kannst du nie ausschalten, sondern höchstens versuchen, seine Anzahl von Chancen zu minimieren."

Mit diesem Franzosen bekommt es die deutsche Abwehr am Samstag zu tun. Die jungen Defensivspieler haben sich zuletzt als Achillesferse entpuppt. Jetzt müssen sie einem Superhelden mit einer ganzen Eskorte von weiteren Superhelden standhalten. Ein Stoff, wie geschaffen fürs Kino. Auf den Dortmunder Christoph Metzelder wird das DFB-Team dabei wohl verzichten müssen. Seine Rückenprobleme erfordern voraussichtlich eine neue Umstellung in der Innenverteidigung, und der Teamchef Klinsmann nennt Lukas Sinkiewicz, Robert Huth und Arne Friedrich als Alternativen.

Sehr viel wichtiger für das deutsche Spiel ist allerdings, dass Ballack und der Bremer Stürmer Miroslav Klose nach überstandener Verletzungen wieder dabei sind. Gleichwohl, sagt Ballack, dürfe keine noch so schwache Leistung jemals durch die Absenz von Spielern entschuldigt werden. "Unsere Stärke liegt im Team", beschwor er den Geist aller Fußballer und hatte diesbezüglich zuvor bei Horst Eckel gut hingehört. Der Weltmeister von 1954 hatte im guten alten Jargon einer schwarz-weißen Historie erklärt: "Wenn man eine Mannschaft ist, dann kann man Großes erreichen."

Kinowerbung

In diesem Sinne wird vom Freitag an der Werbespot mit den deutschen Spielern auch im Fernsehen gezeigt. In den kunstvoll verzögerten Ruhephasen der Superzeitlupe rezitieren die kämpfenden Fußballrecken darin die schönsten Branchenaphorismen und tragen ihre neue Kluft zur Schau, die sie am Samstag erstmals öffentlich überziehen, und die vom selben Tag an zu 65 Euro im Handel erhältlich ist.

Wo er denn sein WM-Trikot von 1990 aufbewahre, das doch voll von Emotionen sein müsse, wurde in diesem Zusammenhang Rudi Völler am Mittwoch gefragt. Der einstige Nationalstürmer antwortete, er habe darüber neulich erst nachdenken müssen, aber dann sei es ihm doch wieder eingefallen: "Ich habe es nach dem Finale unserem Masseur geschenkt."

© SZ vom 10.11.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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