Völler-Nachfolge:Drohung mit dem Gegenkandidaten

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Im DFB formiert die Verärgerung um Verbandschef Mayer-Vorfelder. Immer mehr Funktionäre kritisieren das Vorgehen des Präsidenten - und doch wird es ihm am Ende wieder nicht schaden.

Von Thomas Kistner

Die Kamera läuft, es kommt das Zeichen, und Gerhard Mayer-Vorfelder setzt sich beschwingt in Bewegung Richtung Lissabonner Talk-Studio des Deutschen Sportfernsehens (DSF). Dort gibt er joviale Statements ab, tätschelt die Knie der Umsitzenden, lächelt viel und sagt kein essentielles Wort zur großen Krise und der Oppositionsbildung im Deutschen Fußballbund, dem er seit drei Jahren präsidiert. Muss er auch nicht.

Steif und von angestrengter Blässe wie das Gros der Verbandskollegen ist er ja nicht, der braun gebrannte Medienprofi Mayer-Vorfelder, der in seiner Karriere als Politiker und Fußballfunktionär ungefähr so viele Skandale und Skandälchen eingefahren hat wie der FC Bayern Titel. Und er ahnt mit der Erfahrung seiner 71 Lebensjahre, dass es den Widersachern auch diesmal nicht gelingen wird, ihn zu stürzen. Nicht am 23. Oktober, wenn er sich zur Wiederwahl als DFB-Boss stellen will, und nicht am Montag bei der Sondersitzung des Präsidiums, wo er seine Alleingänge in der Causa Völler-Nachfolge/Hitzfeld darlegen muss.

Das tut er schließlich seit Tagen schon. Bisher habe er "nirgendwo gehört oder gelesen, was ich konkret falsch gemacht haben soll", sagt der DFB-Chef in Portugal, er habe nur in kürzester Zeit und korrekter Ausübung seiner präsidialen Befugnisse ungestört unter vier Augen mit dem Mann verhandelt, "den alle als Völlers Nachfolger wollen" - insofern müssten auch alle zufrieden sein. Das sind die Vorstandskollegen im DFB beileibe nicht, schon gar nicht die Vizepräsidenten Horst R. Schmidt, Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach, die bereits öffentlich als mögliche Thronerben von MV gehandelt wurden. Doch gingen sie alle am Mittwoch alle auf Tauchstation.

Am Gefrierpunkt angelangt

Aus der Deckung kommt dafür ein wichtiger Präsidiumskollege, der selbst nichts mehr werden will im Verband, als Chef des Millionenheers der Amateure aber die wichtigste Machtbasis ist für MV, den Präsidenten. Am Dienstag hatten Nelle und die Chefs der fünf Vorsitzenden der Regionalverbände bei einer Krisensitzung in Barsinghausen beschlossen, dass sie MV bei der Sondersitzung anzählen wollen - mindestens das. "Wir werden ihm sagen, dass dies keine partnerschaftliche Zusammenarbeit ist, dass uns das verstimmt und es so nicht weiter geht", sagte Nelle der SZ am Mittwoch. Auch im Amateurbereich seien die Gefühle für den Präsidenten am Gefrierpunkt angelangt: "Es gibt Grenzen."

Und so kündigt Nelle - unausgesprochen im Namen der Vorstandskollegen, die seine Meinung teilen, eine harte Einvernahme des Präsidenten an ("Was er bisher erklärt hat, reicht nicht aus"). Und mag für den Fall, dass MV seinen Führungsstil, "der aus der Ministerialbürokratie kommt", nicht deutlich ändere, sogar härteste Konsequenzen nicht ausschließen. "Dann ist zu erwarten, dass es einen Gegenkandidaten gibt", sagt Nelle und bezieht sich "ausdrücklich auf die 21 Landes- und fünf Regionalverbände", die er vertritt.

Der Part eines MV-Herausforderers allerdings müsste, zieht man die bisherigen sportpolitischen Planspiele im DFB zu Rate, auf Theo Zwanziger hinaus laufen, Schatzmeister und vormals ebenso loyaler Gefolgsmann des Präsidenten wie Generalsekretär Schmidt. Schmidt ließ gestern erklären ließ gestern erklären, für ihn sei eine Gegenkandidatur zu Mayer-Vorfelder "völlig abwegig". Für andere gilt dass nicht.

Trotzdem wäre diesen braven Opponenten ein echter Aufstand kaum zuzutrauen, wäre da nicht auf höchster DFB-Ebene entscheidendes Vertrauen verloren gegangen. Sie alle sind, wie auch der Liga-Chef Werner Hackmann, empört darüber, dass sie von MV bei dessen Trainersuche für 2006 Tage lang regelrecht isoliert worden waren, während der präsidiale Privatadjutant Jan Lengerke ständig an der Seite Mayer-Vorfelders über jeden Schritt informiert war. Ein Mann, der gar kein Mandatsträger im DFB ist. Das habe den Anschein eines "Schattenkabinetts", hieß es aus der DFB-Zentrale. Und Vize Nelle wurde deutlicher.

Gleich nach der Rückkehr nach dem Vorrunden-K.o. der Völlerschen Auswahl hätten die Präsidiumsmitglieder bei MV einen Sitzungstermin für den vergangenen Montag erbeten. MV habe das "abgelehnt, dabei wussten wir, dass Montag und Dienstag für ihn freie Tage waren." Die Brüskierung nahm in dem Maß zu, in dem öffentlich die Gerüchte ins Kraut schossen, dass MV insgeheim den alten Männerfreund Christoph Daum als Bundestrainer installieren wolle.

Hitzfeld irritiert

"Da lässt sich nicht verhindern, dass auch wir elf Präsidiumsmitglieder spekulieren", sagt Nelle. "Der Präsident hätte dies gar nicht aufkommen lassen dürfen." Erst am Montag, der Druck auf den einsamen Patriarchen im verwaisten DFB-Teamquartier von Almancil hatte gewaltig zugenommen, rief MV Vize Nelle an. "Er sagte: Erstens, ich verhandle mit Ottmar Hitzfeld, es gibt nur noch drei Probleme, aber er will sich bis Samstag dieser Woche äußern. Und zweitens: Ich habe den Generalsekretär gebeten, das Präsidium am Montat zusammen zu holen."

"Unter seinem Vorgänger Braun wäre das sofort erledigt worden", rügen Nelle und Kollegen. Sie halten MV's "Verhalten auch von der Strategie für total falsch", die Spekulationen könnten auch bei Hitzfeld Irritationen ausgelöst haben. Ohnedies werde es nicht leicht sein, dessen Forderungen zu erfüllen. So will der Meistertrainer Assistent Michael Henke mit bringen, doch ist ja beim DFB auch der Trainer Michael Skibbe noch unter Vertrag. Da braucht es ebenso Lösungen wie bezüglich des Bundestrainer-Salärs, das öffentlich schon auf vier Millionen Euro taxiert wird.

Samstag ist Stichtag für Hitzfeld, der Rest kann schon jetzt angepackt werden: Etwa, den "U21"-Trainer Uli Stielicke durch Skibbe zu ersetzen. Und MV? Der wird trickreich kämpfen. Beim VfB Stuttgart, wo er nach 25-jähriger Regentschaft fast 15 Mio. Euro Schulden hinterließ nebst einem zrerrütteten Team, wurde der designierte DFB-Chef erst auf Nachfrage zum Bankett eingeladen - und dann ohne Begleitung. Wer all das wegsteckt, dem ist auch vor einem Sturm im DFB nicht bange.

© Süddeutsche Zeitung vom 1.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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