Völler-Nachfolge:Die Not der Zielfahnder

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Am Dienstag wird die Trainerfindungskommission (TFK) des Deutschen Fußball-Bundes wieder aktiv. Nach den jüngsten Nackenschlägen soll die Bundestrainersuche aufs Ausland ausgedehnt werden - aber auch dort eröffnen sich Hindernisse.

Von Von Philipp Selldorf

Die Lage ist einigermaßen verzweifelt und verlangt viel Vorstellungsvermögen. Weil sich das neue Sonderdezernat des Deutschen Fußball-Bundes aber Schweigen auferlegt hat bei der Suche nach dem neuen Bundestrainer, bleibt es vorerst der Presse überlassen, die Fantasie walten zu lassen.

Hier zum Beispiel der "Geheimplan" des Kölner Express: Demnach übernimmt Rudi Völler wieder den Posten, den er kürzlich verlassen hat, damit er ihn in drei Monaten an Ottmar Hitzfeld abgeben kann, der unlängst eben diesen Job ausgeschlagen hat. Und wenn das nicht funktioniere, dann sei Christoph Daum "inoffiziell der aussichtsreiche Kandidat. Seine Absage ist nur vorgeschoben." Wie gesagt: Die Lage ist verzweifelt.

Nach der Absage von Otto Rehhagel will sich die von Franz Beckenbauer angeführte Kommission jedoch nicht verdrießen lassen und zügig mit weiteren Kandidaten befassen. Spätestens am Mittwoch wollen die DFB-Zielfahnder mit den gewünschten Anwärtern in Verhandlungen einsteigen. "Wir müssen jetzt interne, aber auch externe Möglichkeiten analysieren. Das heißt, dass wir auch mit ausländischen Trainern verhandeln werden. Namen werden wir zum jetzigen Zeitpunkt natürlich nicht nennen", sagte Beckenbauer der Bild-Zeitung.

Hiddink angeblich mit Ausstiegsklausel

"Ich denke, es wird in naher Zukunft eine Entscheidung geben, damit die Menschen in Deutschland, die sich für Fußball interessieren, wieder ein bisschen zufriedener sind", pflichtete der designierte Geschäftsführende DFB-Präsident Theo Zwanziger im SWR-Fernsehen bei. Nach Ansicht von Zwanziger werde es aber auch nach den bislang fehlgeschlagenen Bemühungen "eine gute Lösung geben". Das glaubt auch Beckenbauer: "Wir werden ganz sicher einen kompetenten Bundestrainer finden."

Einer der denkbaren Wege zum Glück führt nach Bern, in die Kanzlei des Rechtsanwaltes André Gross. Er vertritt die Interessen des Niederländers Guus Hiddink, 57, aus Varsseveld in der Provinz Gelderland. Wenn tatsächlich ein ausländischer Trainer ins Blickfeld rückt, dann hat Hiddink, der Coach des Ehrendivisionärs PSV Eindhoven, gute Referenzen. Hiddink spricht außer Englisch und Spanisch auch recht ordentlich Deutsch, was ja eine der Voraussetzungen sein soll.

Er hat viel Erfahrung als Trainer, hat bei großen Klubs wie FC Valencia, Betis Sevilla, Real Madrid und Fenerbahce Istanbul gearbeitet und kann gute Ergebnisse vorweisen. Seine erfolgreichsten Einsätze hatte er als Nationaltrainer bei Weltmeisterschaften. 1998 mit der holländischen Nationalmannschaft, die im Halbfinale nach einem denkwürdigen Match unglücklich am späteren Champion Brasilien scheiterte. Und 2002 mit Südkorea, das er ebenfalls ins Halbfinale führte. Er wäre, sagen Bekannte, auch bei der nächsten WM gern wieder dabei. Angeblich erlaubt ihm eine Ausstiegsklausel, seinen Posten in Eindhoven zu verlassen.

Hätten die DFB-Männer eine Chance, wenn sie Hiddink fragen würden? Bisher hat er sich zu den seit Tagen kursierenden Spekulationen nicht öffentlich geäußert, er ist nicht mal darum gebeten worden von holländischen Reportern - erstaunlich genug, denn auch in Holland sind die deutschen Debatten bekannt -, doch die Experten in Eindhoven glauben nicht, dass er zustimmen würde.

Der Zeitpunkt für eine solche Annäherung sei bereits überschritten. Auch aus dem Klub wird kolportiert, Hiddink stehe - zu Beginn seines dritten Jahres als Trainer des PSV -, moralisch fest beim Klubchef Harry van Raaij im Wort, nachdem er den Umbau des Teams bereits begonnen habe. Außer den Angreifern Kezman und Robben (beide zum FC Chelsea) ließ der PSV aus Kostengründen auch Verteidiger Hofland (Wolfsburg) und Flügelspieler Rommedahl (Charlton) gehen, und van Bommel steht auch auf der Verkaufsliste.

Hinzu kommt der Abschied von Sportdirektor Frank Arnesen, der künftig für Tottenham arbeitet und dessen Aufgaben an Hiddink übertragen wurden. Der Trainer ist nun auch Sportdirektor, und selbst wenn er scherzt, dass er jetzt sein eigener Boss sei und sich selbst entlassen könne, bleibt er doch zuerst dem Klub verpflichtet.

Oder soch Matthäus?

Ähnlich verhält es sich mit Morten Olsen, 54. Auch der dänische Nationaltrainer ist des Deutschen locker mächtig und genießt großes Ansehen. Nur ist es leider so groß, dass er einer der wenigen unter den 16 Trainern ist, die nach der Europameisterschaft nicht fortgeschickt worden sind oder selbst den Rückzug angetreten haben. Bis 2006 gilt sein Vertrag mit dem Verband, und die Ironie der Geschichte ist die, dass er - als ehemaliger Coach von Ajax Amsterdam - auch in den holländischen Diskussionen um die Nachfolge von Dick Advocaat immer wieder genannt wird.

Also doch ein Inländer? Auch über Lothar Matthäus werde man am Dienstag diskutieren, sagte Franz Beckenbauer: "Matthäus wird ein Thema sein, er wird seinen Weg machen." Beckenbauer will bei der Gelegenheit auch gleich die Umgebung der Nationalmannschaft verändern. "Der Bundestrainer braucht einen Nationalmannschafts-Manager, der ihm den Rücken freihält", sagt er. Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge hat dazu Oliver Bierhoff und Jürgen Klinsmann ins Gespräch gebracht. Hier fällt der Entschluss womöglich leichter als bei der Bundestrainer-Suche.

© Süddeutsche Zeitung vom 13.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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