Vierte Liga:Trauriges Jubiläum

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Viel Platz, wenig Besucher: Weil die Zuschauer im neuen Tivoli ausblieben, muss Alemannia Aachen einen Insolvenzantrag stellen. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Alemannia Aachen, vor zehn Jahren noch Bundesligist, kämpft mal wieder ums Überleben. Und gibt den Fans indirekt eine Mitschuld für die drohende Insolvenz.

Von Christopher Gerards, Aachen/München

Neulich konnten sie in Aachen noch einmal die Bilder von besseren Zeiten rauskramen. Eine Art Jubiläum stand an. Am 17. Februar 2007 spielte die Alemannia am alten Tivoli in der Bundesliga gegen den FC Bayern. Es war ein Spiel, das viele Bilder schuf, die blieben: wie Aachens Sascha Rösler fortwährend mit Oliver Kahn stritt; wie Kahn den 1,96 Meter großen Wrestler-Sohn Daniel van Buyten durchschüttelte. Und, das vor allem: wie Alexander Klitzpera nach einer Ecke traf und der Bundesliga-Aufsteiger aus Aachen den großen FC Bayern 1:0 besiegte. Zehn Jahre ist das her, aber wenn man ehrlich ist: Es fühlt sich viel weiter weg an.

Die Mannschaft spielte sogar im Uefa-Cup - und stieg dann bis in die Regionalliga ab

Am Montag hat die Alemannia wegen "drohender Zahlungsunfähigkeit" einen Antrag auf Insolvenz gestellt, schon wieder. Bereits 2012 hatte der Klub Insolvenz beantragt, abgeschlossen wurde das Verfahren im Januar 2014. Alemannia Aachens Geschichte war damals schon mit maximaler Fallhöhe ausgestattet, sie handelte von einem Verein, der einst eine Art Mainz 05 in Schwarz-Gelb war; der im Finale des DFB-Pokals stand, im Uefa-Cup spielte und in der Bundesliga den FC Bayern besiegte - und dann bis in die Regionalliga West abstieg, in die vierte Liga. Nun kämpft der Klub erneut ums Überleben.

Schon die vergangene Saison endete mit einem Defizit, wie die Aachener Zeitung berichtet. Der Etat sei drastisch gekürzt worden, doch der Zuschauerrückgang habe den Klub geplagt. Die Spiele im neuen Tivoli, ausgestattet mit mehr als 30 000 Plätzen, besuchten in dieser Saison im Schnitt 7000 Fans. Der Insolvenzantrag sei "alternativlos geworden", erklärte Aufsichtsratschef Christian Steinborn, der mit seinen Gremiumskollegen zurücktrat.

Zwischenzeitlich hatte sich eine Investorengruppe für einen Einstieg bei der Alemannia interessiert, doch daraus wurde nichts. Einer der Gründe war laut Mitteilung des Klubs die "nach wie vor ablehnende Haltung großer Teile von Fangruppierungen". Die Interessengemeinschaft der Alemannia-Fans erklärte wiederum, es sei "an den Haaren herbeigezogen", die Fans "als Mitschuldige des Insolvenzantrags auszumachen". Fans und Mitglieder fühlten sich hingegen "völlig im Unklaren gelassen" über die Vorgänge bei der Alemannia. In jedem Falle werden dem Tabellenvierten nun neun Punkte abgezogen, so sehen es die Regeln des DFB vor.

Auch anderen bekannten Vereinen droht dieses Schicksal. Die Kickers Offenbach hatten im Mai 2016 Insolvenz beantragt, kurz darauf nahmen sie den Antrag aber zurück - Spenden und ein Benefizspiel gegen Bayer Leverkusen halfen. Inzwischen kämpft der Klub dagegen, dass ihm neun Punkte abgezogen werden. Drittligist VfR Aalen beantragte im Februar Insolvenz. Auch die VfR-Verantwortlichen wollen gegen den Punktabzug vorgehen. Aktuell ist Aalen Tabellendritter und steht damit auf einem Relegationsplatz für die zweite Liga - sollte das Team neun Punkte verlieren, wäre es nur noch Dreizehnter. Aalen hat deshalb Widerspruch eingelegt, am kommenden Freitag kommt es zur mündlichen Anhörung beim DFB.

In Aachen soll jetzt ein Insolvenzverwalter dafür sorgen, dass die Alemannia den Spielbetrieb aufrechterhalten und die Saison zu Ende spielen kann. Die Hoffnung auf eine erfolgreichere Zukunft hält sich aber in Grenzen. Fans und Sponsoren hätten sich "ermüdet" abgewendet, eine Aufbruchstimmung wie in Offenbach sei "nicht erkennbar", kommentiert die Aachener Zeitung und sieht einen "Verein ohne Perspektive".

© SZ vom 23.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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