VfL unterliegt 0:1 in Berlin:Mehr Hackbraten als Filetsteak

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Wolfsburg kann sich nicht aus dem Abstiegskampf befreien, weil Trainer Jonkers Liebling Mario Gomez dieses Mal nur an die Latte statt ins Tor köpfelt. Und Hertha eine Lehre aus dem Remis gegen Bayern beherzigt.

Von Nico Fried, Berlin

Was soll er noch sagen, nach so einem Spiel? Andries Jonker lobt, was es zu loben gibt. Und das ist ja tatsächlich noch eine ganze Menge an diesem Tag. "Herausragende Chancen" habe seine Mannschaft erspielt. "Sehr ordentlich" sei seine Truppe aufgetreten. Aber dann räumt auch Jonker in zwei lapidaren Worten ein, was das alles bringt, wenn man kein Tor schießt: "Bringt nichts."

0:1 in Berlin. Wieder ein Platz in der Tabelle abgerutscht. 14. ist Wolfsburg jetzt. Die Euphorie der ersten Spiele unter Jonker? Wie weggeblasen. Der VfL Wolfsburg muss sich jedoch nicht grämen, den Ausgleich verpasst zu haben. Viel schlimmer wirkt sich für die Gäste aus, dass sie das Spiel nicht schon nach wenigen Minuten für sich entschieden haben.

Wolfsburg war in der ersten Halbzeit drückend überlegen. Der Anpfiff hallte noch nach im Olympiastadion, da lief Yunus Malli schon allein aufs Tor der Berliner zu, aber Torwart Rune Jarstein fischte den Schuss weg. In der sechsten Minute tauchte dann Gomez ebenfalls allein vor dem Berliner Tor auf, der Nationalspieler versuchte es flach, aber Jarstein war auch knapp über der Rasenoberfläche noch rechtzeitig da und drehte den Ball um den Pfosten. Vedad Ibisevic, der Berliner Kapitän, fasst diese Phase nach der Partie so zusammen: "Rune hat uns da den Arsch gerettet."

Spielmacher-Stürmer Ibisevic sollte es richten. Irgendwie. Und er richtete es

Die Gäste spielten entschlossener als die Berliner. Gomez bot sich selbst dann noch winkend als Anspielstation an, wenn drei Gegner ihn umkreisten. Die Abwehr der Gastgeber wirkte löchrig, John Anthony Brooks, für die Ordnung vor dem eigenen Tor zuständig, vewendete viel Energie aufs Gestikulieren mit seinem Nebenmann Per Skjelbred sowie eine längere Diskussion mit Hertha-Torwart Jarstein. Trotzdem kamen die Wolfsburger immer wieder durch, nur auf den letzten Metern fehlte ihnen die Kraft, gerade so, als sei das Spielfeld im Olympiastadion ihnen ein wenig zu lang. Maximilian Arnold hätte dann bei der größten Chance der Gäste aber nicht einmal mehr laufen müssen, sondern nach einem Querpass von Gomez einfach geradeaus ins Tor schießen. Stattdessen wählte Arnold die Richtung links oben schräg. "Glück gehabt", lautete später das Fazit des Berliners Marvin Plattenhardt zu diesem Reigen vergebener Wolfsburger Torchancen.

Weil auf der Gegenseite Herthas Stürmer Vedad Ibisevic so wenig Bälle bekam, betätigte er sich bisweilen als Spielmacher, fehlte dann aber als Abnehmer für die eigenen Pässe. Selbst ein Freistoß von Plattenhardt aus 28 Metern, sonst in schlechten Spielen der Hertha bisweilen eine Art Schlüsseldienst gegen verriegelte Abwehrreihen, half diesmal nicht weiter. 4:8 Torschüsse zählten die Statistiker zur Pause, wobei diese schmeichelhafte Bilanz nur zustande gekommen war, weil auch Bälle mitgezählt wurden, die mit Torschüssen so viel zu tun hatten wie ein Hackbraten mit einem Filetsteak.

In der Kabine habe er seiner Mannschaft "ein paar Dinge erklärt", sagte Hertha-Trainer Pal Dardai nach dem Spiel. Es half, die Berliner traten offensiver auf: Ibisevic sollte es richten. Irgendwie. Und Ibisevic richtete es. Irgendwie. Erst versuchte er es mit einem Drehschuss und blieb hängen. Dann versuchte er es mit einem Kopfball und kam nicht durch. In der 59. Minute dann köpfte Ibisevic den Ball wieder zunächst auf Wolfsburgs Torwart Koen Casteels, den Abpraller aber brachte der Bosnier schließlich im Netz unter.

Gomez trifft die Latte

Wolfsburgs Jonker brachte nun Daniel Didavi für Arnold. Didavi holte einen Freistoß heraus, der bei Gomez landete - und schließlich an der Latte des Hertha-Tores. Didavi war auch in der Folge viel am Ball, allerdings immer öfter auch deshalb, weil er sich nicht von ihm trennen mochte. Effekt in Jonkers Worten: Bringt nichts.

Mit dem Sieg gegen Wolfsburg verteidigen die Berliner Patz fünf und halten Kurs auf Europa. Trainer Pal Dardai findet auch nicht, dass man gegen eine Mannschaft aus dem unteren Tabellendrittel unbedingt höher gewinnen muss. "Das war wichtig, dass wir das Ergebnis gehalten haben", sagte Dardai nach dem Spiel. Das sei ja nicht immer gelungen, man erinnere sich nur an die Nachspielzeit gegen die Bayern (1:1). Diesmal aber schon: "Das ist ein Lernprozess", findet Dardai. "Vernünftig" habe seine Mannschaft gespielt.

Jonker berichtet in der Pressekonferenz, er habe seiner Mannschaft in der Kabine gesagt: "Wenn wir in der Lage sind, in Berlin so ein Spiel abzuliefern, schaffen wir das." Das ist eine interessante Theorie nach einem verlorenen Spiel, das die Wolfsburger hätten gewinnen müssen. Aber vielleicht bringt ja das was. Nächsten Samstag kommt der FC Bayern.

© SZ vom 23.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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