VfL schlägt Sand im Finale 2:1:"D'r Pokal bliev in Wolfsburg"

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Nach ihrem dritten Pokalsieg in Köln wollen die VfL-Frauen auch die Champions League gewinnen.

Von Ulrich Hartmann, Köln

Im dichten Treiben des silbernen Siegerglitters hätte die übermütige Nationalspielerin Anna Blässe der Siegtorschützin Zsanett Jakabfi beinahe den schweren DFB-Pokal an den Kopf gehauen. Die Szene ist aber glimpflich ausgegangen, so glimpflich wie das Endspiel für den VfL Wolfsburg. Zum dritten Mal binnen vier Jahren gewannen die Wolfsburgerinnen das Pokalfinale in Köln, diesmal mit 2:1 (1:1) gegen den SC Sand, einen Dorfverein aus dem Badischen, der in der Bundesliga als Neunter seine Wettbewerbsfähigkeit allerdings bereis hinreichend bewiesen hat.

Die Ungarin Jakabfi erzielte beide Treffer für Wolfsburg: den ersten sieben Minuten nach Beginn und den zweiten zehn Minuten vor Schluss. Der Pokalsieg gibt den allenfalls solide aufspielenden Wolfsburgerinnen das nötige Selbstvertrauen für das Endspiel der Champions League am kommenden Donnerstag im italienischen Reggio Emilia gegen Olympique Lyon.

Am Donnerstag wollen sie den nächsten Triumph feiern

"D'r Pokal bliev in Wolfsburg", stand in schönstem Kölsch auf den grünen Siegershirts der Wolfsburgerinnen. 2013 und 2015 hatten sie hier bereits ihre ersten beiden Pokaltitel gewonnen. "Heute war's schwierig", sagte Jakabfi hernach und lobte die Sander Kontrahentinnen als kämpferische Gegner. "Dieser Sieg beflügelt uns für das Endspiel am Donnerstag", sagte die Ungarin, die auch bei den beiden Pokalsiegen und den beiden Champions-League-Titeln und Meisterschaften 2013 und 2014 bereits zum Wolfsburger Kader gehört hat. Außer ihren beiden Treffern hatte der favorisierte VfL Wolfsburg dem SC Sand allerdings wenig voraus gehabt. "Wir waren nicht zielstrebig genug, sind zu oft ins Pressing gelaufen, meine Spielerinnen wirkten ein bisschen müde von der Wärme - aber umso wichtiger war, dass der Charakter dieser Mannschaft einfach stimmt", sagte Wolfsburgs Trainer Ralf Kellermann.

Ein so klassisches David-Goliath-Duell hatte es gefühlt schon lange nicht mehr gegeben im Pokalfinale der Fußballfrauen. Dabei hatte Wolfsburgs Nationalspielerin Babett Peter schon vor dem Spiel darauf hingewiesen, dass man im Bundesliga-Zweiten Wolfsburg weder den Goliath noch im Bundesliga-Neunten den David sehen darf. "Wer Sand hier zum klaren Außenseiter macht, der hat die letzten Monate verpennt", hatte Peter gesagt - und behielt Recht. Wolfsburg hat schon zwei Mal die Champions League gewonnen, hat mit seinen geschätzten fünf Millionen Euro einen annähernd zehn Mal höheren Etat als die Badenerinnen und bot am Samstag fünf deutsche Nationalspielerinnen auf - aber damit waren die Vorteile auch fast schon ausgeschöpft. Wolfsburg praktizierte aufgrund seiner individuellen Klasse ein Dominanzspiel à la Bayern München, während die Frauen aus Sand ein Pressing-und-Konterspiel absolvierten, wie es ein Jürgen Klopp ihnen nicht besser hätte beibringen können.

Ein Eigentor bringt die Führung

Dass die Wolfsburgerinnen nach nur sieben Minuten in Führung gingen und früh weitere gute Chancen erspielten, lag vor allem an der Sander Schwäche in der rechten Defensive. Dort, über links, konnten sich die Wolfsburgerinnen Ramona Bachmann und Zsanett Jakabfi immer wieder leicht und rein läuferisch durchsetzen. In der 7. Minute lief die 26-jährige Ungarin Jakabfi Julia Zirnstein und Claire Savin gen Zentrum davon, und ihren Schuss konnte Laura Vetterlein nur noch ins eigene Tor abfälschen. Vetterlein hat bis zur vergangenen Saison in Wolfsburg gespielt - genauso wie ihre Mannschaftskollegin Jovana Damnjanovic. Die 21-jährige Serbin rehabilitierte ihre Kollegin Vetterlein in der 27. Minute. Ausgangs eines Konters, der mustergültig für das brandgefährliche Sander Konterspiel stand, verwandelte Damnjanovic den Steilpass ihrer Kapitänin Chioma Igwe aus dem zentralen Mittelfeld. Die 29-jährige Amerikanerin hatte nach einem Ballgewinn schnell und präzise nach vorne gespielt - und Damnjanovic glich zum 1:1-Pausenstand aus.

In der zweiten Halbzeit gaben die Mannschaften ihre Rollen auf. Wolfsburg hatte keine Dominanz mehr, Sand lauerte nicht mehr nur auf Konter. Das Spiel entwickelte sich zu einer Schlacht im Mittelfeld. Saubere Spielzüge wurden rar. Schön anzuschauen war es nicht mehr. Es lebte von der Spannung, wie man gerne sagt. Einem Kopfballtor von Alexandra Popp versagte die Schiedsrichterin Angelika Söder in der 73. Minute die Anerkennung, weil Sands Torfrau Kristina Kober behindert worden sein soll. Diese Entscheidung war allerdings genauso fraglich wie jene, als Sands Damnjanovic kurz vor der Pause nach einem Foul von Wolfsburgs Lara Dickenmann ein Elfmeter verwehrt worden war. Ausgleichende Gerechtigkeit.

"Ein großer Tag für den kleinen SC Sand"

In der Schlussphase hatten die Wolfburgerinnen mehr zuzusetzen. Nach einer Hereingabe von Nationalspielerin Isabel Kerschowski stand Jakabfi richtig und nutzte ihren Freiraum im Sander Strafraum in der 80. Minute zum 2:1-Siegtreffer. Ohne ihr Konterspiel hatten die Badenerinnen in der zweiten Hälfte kaum Torchancen mehr herausspielen können. "Erst in der letzten halben Stunde haben wir unser wahres Gesicht gezeigt", sagte VfL-Coach Kellermann.

Für die Sanderinnen und ihren scheidenden Trainer Alexander Fischinger war es trotz der Niederlage ein besonderes Erlebnis. "Das war ein großer Tag für den kleinen SC Sand", sagte Fischinger stolz. "In so einem großen Stadion habe ich überhaupt noch nie gespielt", sagte seine beeindruckte Angreiferin Christine Veth. Und so waren am Ende dieses Tages alle irgendwie froh - auch eine Seltenheit im Profifußball.

© SZ vom 22.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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